birnen erraten
Ich habe birnen gekauft, sie duften
unter der achsel hervor, aus dem
beutel, du könntest sie,
wenn du nur wolltest, erraten.
du aber nimmst die tasche von meiner schulter,
den lebenden kater von meinem arm
und vom haar dir den glanz,
um ihn in die eigenen augen zu reiben.
den meerstreifen kannst du nicht sehen
unter der eben versinkenden sonne.
hättest du birnen erraten, wären wir
schwimmen gegangen im süßen saft, wir wären
beide behände delphine gewesen, denen
der abend nichts anhaben kann.
Zu viel abstruse Willkür uneigentlichen Sprechens und herbe Originalität attestierte ein Kritiker – gleichzeitig zu wenig Klartext (das mit der Stasi will er doch genauer wissen vom Gedicht) und wieder zuviel (in dem Birnengedicht hat er Mitleid mit dem hier anscheinend angegriffenen Mann, da hätte ers lieber poetisch). Nur in kleinen Portionen könne man diese Gedichte genießen wegen ihres „Eigensinns“? Ach was. Münchner mittlere Ästhetik? Hat sie nicht nötig. Diese Autorin hat ihre Sprache wiedergefunden, sie sprudelt und zündelt, daß es eine Art hat.
Kathrin Schmidt: Blinde Bienen. Gedichte
Kiepenheuer & Witsch 2010