’50/50′-Überlebenschance für Joseph Gordon-Levitt

Von Denis Sasse @filmtogo

© Universum - Regisseur Jonathan Levine (links) mit Joseph Gordon-Levitt und Seth Rogen am Set von '50/50'

Einst waren ‘50/50 – Freunde fürs (Über)Leben’-Schauspieler Seth Rogen (‘The Green Hornet’), Produzent Evan Goldberg (‘Ananas Express’) und Drehbuchautor Will Reiser junge Männer, die sich hinter den Kulissen der Ali G Show kennenlernten. Als jüngste Mitglieder des Produktionsteams freundeten sie sich schnell an und erlebten gemeinsam die Höhen und Tiefen des Business. Bereits nach kurzer Zeit, die sie bei der britischen Comedy mit Sacha Baron Cohen verbracht hatten, mussten Rogen und Goldberg mit ansehen, wie ihr Freund Reiser mehr und mehr in sich zusammen fiel. Nach acht Monaten erklärte dieser seinen Wegbegleitern endlich, dass er an Krebs leiden würde. Inzwischen hat Will Reiser den Krebs besiegt, seine Erfahrungen auf Papier niedergeschrieben und diese mit Regisseur Jonathan Levine (‚The Wackness‘) in ‚50/50‘ verfilmt.

Somit wird die Hauptfigur Adam Lerner, dargestellt von Joseph Gordon-Levitt (‚Inception‘), zur Verkörperung Will Reisers eigenen Lebens. Er ist noch keine dreißig Jahre alt, hat einen coolen Job bei einem lokalen Radiosender und eine hübsche Freundin. Bis er plötzlich Rückenschmerzen bekommt und die schockierende Diagnose lautet, dass an seiner Wirbelsäule ein monströser Tumor heranwächst. Adam leidet an einer seltenen Form von Krebs, die mit hoher Wahrscheinlichkeit tödlich verläuft. Fortan besteht sein Leben aus Arztterminen und Chemotherapien. Die Menschen, die ihm am nächsten stehen, sind genauso überfordert wie er selbst. Adams bester Freund Kyle (Seth Rogen) scheint seine Misere schamlos auszunutzen, um mit der bewährten Mitleidsmasche Frauen ins Bett zu kriegen. Seine dominante Mutter Diane (Anjelica Huston) ist für ihren Sohn eher zusätzliche Belastung als seelische Stütze. Adams Freundin Rachael (Bryce Dallas Howard), eine angesagte Künstlerin, stürzt sich ins Szeneleben und rast manisch von einem Termin zum nächsten, um nur nicht zum Nachdenken zu kommen. Und Therapeutin Katherine (Anna Kendrick), die ihm in dieser schweren Zeit eigentlich zur Seite stehen soll, ist noch nervöser als ihr Patient.

Joseph Gordon-Levitt

Es trifft immer die, die es am wenigsten erwarten. So beginnt der Film mit Adam, wie er vor einer Ampel steht, während eine Joggerin an ihm vorbeizieht, die rote Ampel überquert und Adam hinter sich stehen lässt. Er ist korrekt, er ist brav, er wartet bis das grüne Licht ihm signalisiert, dass er nun weiterziehen darf. Auch ansonsten sollte er eigentlich vom Leben belohnt werden. Er treibt Sport, er raucht nicht, er trinkt nicht und trotzdem ist er es, der vom Arzt die Krebsdiagnose bekommt. Lebte Adam bis zu diesem Zeitpunkt das perfekte Leben, so zerbricht dieses binnen eines kurzen und knappen Erklärungsversuchs seines Arztes, der fast abwesend an seinem Patienten vorbei den Befund in ein Diktiergerät spricht. Für Adam ist es ein lebensverändernder Schicksalsschlag. Und ebenso wie der Arzt, ist es eigentlich sein Umfeld, welches die Situation so unerträglich unnatürlich werden lässt. Bei seinem ersten Besuch bei seiner Therapeutin antwortet er auf die Frage wie es ihm gehen würde noch mit einem „gut“, während sein Gegenüber ihm dies nicht glauben möchte und hartnäckig versucht ihm eine schlechte Gefühlslage aufzuzwingen. Immer mehr beginnt es Adam dann wirklich schlecht zu gehen, ein Resultat der Emotionen, die die Menschen empfinden, die ihn umgeben. Auf einer Party wird ihm bereits gesagt, wie sehr man ihn vermissen wird und seine Freundin möchte die positiven nicht mit den negativen Momenten vermischen, bleibt deshalb sämtlichen Terminen fern, bei denen Adam Halt und Unterstützung gebrauchen könnte.

Aber natürlich ist die Welt nicht nur schlecht, was sich in Form von Adams bestem Kumpel manifestiert. Als eine Mischung aus Großmaul und unschuldigen Naivling, kümmert dieser sich um seinen kranken Freund, zieht mit ihm um die Häuser, versucht die Welt für ihn normal erscheinen zu lassen. Für Seth Rogen kein großes Schauspiel, sondern seine Paraderolle. Für jeden Moment eine Beleidigung parat, weiß das Drehbuch dann aber auch, wann es den pöbelnden Frauenaufreißer den Mund verbieten muss. Somit verleiht Rogen den wichtigen Szenen eine nötige Intensität an Emotionalität, um die Freundschaft der beiden Männer in dieser harten Zeit zu bestärken. Erscheint Rogens Figur zuerst so, als würde sie wenig Anteil nehmen an der Erkrankung seines langjährigen Freundes, so stellt sich in kleinen Momenten heraus, dass er sich Sorgen macht, dass er für Adam da sein möchte, dass er nichts unversucht lässt, die starke Schulter zu sein. Man sieht keinen unnötigen Gefühlsausbruch bei ihm, was seine Figur umso glaubhafter erscheinen lässt. Ein Buch, ein Ratgeber wie man gemeinsam die Zeit durch eine Krebs-Erkrankung erleben kann, welches Adam im Bad seines Freundes findet, bestätigt ihm die hingebungsvolle Verbundenheit, die ihm entgegen gebracht wird.

Seth Rogen (links), Anna Kendrick (hinten), Anjelica Huston & Serge Houde (rechts)

Regisseur Jonathan Levine schafft es die Zuschauer mitfühlen zu lassen. Er koppelt die Gefühle der Zuschauer dicht an seine Hauptfigur, lässt sie an seinen Emotionen teilhaben, das Leid miterleben. Es wird bewusst gemacht, wie sich Adam von seinem bisherigen Leben abschottet, nicht etwa weil er es will, sondern weil die Menschen sich um ihn herum unerträglich verändern. Von vielen Freunden und Bekannten im Stich gelassen, wandelt er irgendwann nur noch in Trance, oder unter Drogeneinfluss, durch die Welt, kann diese gar nicht mehr anders ertragen als sich selbst zu betäuben. Dabei stechen vor allem die schauspielerischen Leistungen von Anjelica Huston und Anna Kendrick heraus. Während Huston die sorgsame Mutter mimt, die einen an Alzheimer erkrankten Ehemann pflegen muss, mit dem sie nicht mehr sprechen kann und einen Sohn hat, der sich von ihr genervt fühlt und nicht mehr mit ihr sprechen will, trägt Kendrick einen großen Teil der komischen Momente des Films. Ihre Mimik, ihr Timing und das Zusammenspiel mit Gordon-Levitt meistert sie so dezent im Hintergrund, dass man sich als Zuschauer immer wieder freut, wenn ihre Anwesenheit die Leinwand beglückt.

Schauspieler wie Anna Kendrick, aber auch das passende Zusammenspiel von Joseph Gordon-Levitt und Seth Rogen, die eine harmonische Chemie miteinander entwickeln, lassen ‚50/50‘ mehr zu einer Komödie als zu einem ergreifenden Drama werden. Zwar schafft es der Film die eine oder andere Träne zu erzwingen, aber von der neurotischen Freundin Adams bis zu seiner hysterischen Mutter sind es die stark überzeichneten Figuren, die der Handlung eher einen Komödie/Drama-Anteil von 80/20 verleihen. Mit dem stets charmanten Joseph Gordon-Levitt oben drauf gerechnet, bekommt Drehbuchautor Will Reiser hier eine schöne Erinnerung an einen schweren Abschnitt seines eigenen Lebens, welchen er mit mehr Humor als Trauer verarbeitet hat.

Denis Sasse


‘50/50 – Freunde fürs (Über)Leben‘