500 Jahre Reformation: Was man über Martin Luther geschichtlich wissen sollte

Statue Martin Luther Reformation

Martin Luther, CC0 Creative Commons

Anfang des 16. Jahrhunderts wurde der Augustinermönch zu einem Revolutionär wider Willen. Mit seinen reformatorischen Ideen leitete er eine religiöse Erneuerungsbewegung  ein, die zur Spaltung der christlichen Kirche und der Ausbildung einer neuen Glaubenslehre führte: des Protestantismus.



Am Anfang stand ein folgenreiches Gelübde. Auf dem Rückweg von einem Besuch bei seinen Eltern im Sommer 1505 kam der aufstrebende Bergmannssohn Martin Luther bei dem Dorf Stotterheim in einen schweren Gewittersturm. Als neben ihm die Blitze einschlugen, warf er sich auf den Boden und betete in Todesangst zur Schutzpatronin der Bergleute, der heiligen Anna: Wenn er heil nach Hause komme, wolle er Mönch werden. Er überlebte und stand, gewissenhaft wie er war, zum Entsetzen seiner Eltern zu seiner Entscheidung. Statt, wie von seinen Eltern erhofft, als Jurist Karriere zu machen,wählte er das Studium der Theologie und das Klosterleben. Eine Entscheidung, die sich später als wegweisend für die zukünftige Geschichte Deutschlands, Europas, ja der Welt erweisen sollte. Denn Luther war der Initiator der vielschichtigen Reformationsbewegung, die ab 1519 den ganzen Kontinent erfasste und schließlich zum Zerfall der mittelalterlichen Glaubenseinheit führte. Eine Entwicklung, die Luther nicht wollte, deren politische Folgen er teils bekämpfte, die aber schließlich eine Eigendynamik gewann, die über ihn hinauswuchs.

Sola fide, sola gratia

Den gelehrsamen Studenten in dem Erfurter Augustinerkloster trieb seit jeher die Frage um, wie der für ihn unveränderlich sündhafte Mensch vor dem strengen Gericht Gottes bestehen kann. Die in der Kirche Anfang des 16. Jahrhunderts überhandnehmende Praxis, reuigen Sündern bei Kauf sogenannter Ablassbriefe Sündenstrafen im Jenseits zu erlassen, kritisierte Luther 1517 in 95 Thesen öffentlich. Er war überzeugt: Nicht durch gute Taten, nicht durch Buße, Wallfahrten, erst recht nicht durch Geldzahlungen, sondern allein durch den Glauben an Gott („sola fide“) und dank der vergebenden Gnade Gottes („sola gratia“) wird der Mensch von seinen Sünden erlöst. Diese im Bibelstudium gefundene theologische Auffassung war eine Provokation für die Kirchenwelt und sorgte schnell für Aufsehen. Vergeblich versuchten die Oberhäupter der Kirche, Luther zum Widerruf zu bekehren. Auch auf dem Reichstag zu Worms 1521 verteidigte Luther im Angesichts des Kaisers Karl V. seine Thesen und berief sich dabei auf sein Gewissen gegenüber Gott, das kein anderes Handeln zulasse. Seine inzwischen weiterentwickelte Glaubenslehre widersprach in wesentlichen Punkten den geltenden Dogmen: Alleinige Grundlage des Glaubens sei die Heilige Schrift, weswegen auch die herausragende Stellung des römischen Papstes zurückgewiesen wurde, die durch die Bibel nicht belegt sei. Jeder Christ ist vor Gott gleich und bedarf keiner Priester oder Kardinälen, um sich eine Meinung über Glaubensinhalte zu bilden. Um der Christengemeinde die Mitsprache in Glaubensfragen zu ermöglichen, sei der Gottesdienst in der deutschen Volkssprache zu halten.

Der Geist war aus der Flasche

Trotz des kaiserlichen Banns verbreitete sich die Lehre Luthers rasant im Reichsgebiet. Das lag an den offensichtlichen Misständen in der Kirche genauso wie an den neuartigen Propagandamöglichkeiten, die durch den neu erfundenen Buchdruck entstanden waren. Vor allem lag die Durchschlagskraft der Lutherschen Idee in der politischen Unterstützung vieler Landesfürsten im deutsch-römischen Reich. Sein persönliches Überleben hatte Luther seinem Landesherrn Friedrich von Sachsen zu verdanken, der ihn auf die Wartburg im thüringischen Eisenach brachte, wo er ungestört weiter arbeiten konnte. Hier entstand auch die berühmte Übersetzung des Neuen Testaments ins Deutsche. Ab 1523 lebte Luther als Professor in Wittenberg, wo er die rasante Ausbreitung und auch Umwandlung seiner reformatorischen Ideen aus der Ferne und mehr mit Sorge als mit Freude verfolgte. Insbesondere distanzierte er sich von den Bauernerhebungen in weiten Teilen des Reiches. Die Bauern sahen sich durch Luthers Ideen von Freiheit und Gleichheit der Christen in ihrem Protest gestärkt. Aber mit ausdrücklicher Zustimmung Luthers wurden die Aufstände bis 1526 mit aller Brutalität niedergeworfen. In allen Teilen Europas entstanden auf Basis von Luthers Ideen reformatorische Glaubenslehren, von denen die Lehren von Zwingli und Calvin besonders wirkungsmächtig wurden. Diese bilden das Fundament der reformierten Kirche.

500 Jahre Reformation: Was man über Martin Luther geschichtlich wissen sollte

Der Münchner Christoph Marx ist Publizist und Lektor und lebt in Berlin. Er arbeitet als Autor und Redakteur für viele namhafte Verlage und veröffentlichte bzw. verantwortete inhaltlich zahlreiche Werke, v.a. zu historisch-politischen, gesellschaftlichen, sportlichen und kulturellen Themen.Referenzliste unter Autor und Redakteur/Lektor.

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