Jeden Donnerstag veröffentlich ich eine neue Folge meiner DJ-Mix-Show Houseschuh. Dafür erstelle ich jede Woche einen 30 Minuten Mix. Vor einem Jahr hätte ich diese Aufgabe noch für unmöglich gehalten, weil ich Probleme hatte pro Monat einen Demo-Mix fertig zu bekommen.
Seit dem Jahr 2007 versuche ich jeden Monat mindestens einen Mix aus aktuellen Songs zu erstellen. Dafür hatte ich mir sogar den Namen "Houseschuh" als eigenständige Marke einfallen lassen.
Über die Jahre steckte ich immer mehr Aufwand in die Produktion meiner Mix-CDs. Später meldete ich mich als Webradio-Betreiber an und erstellte meine DJ-Mix gleich für mein eigenes Internet-Radio.
Wobei ich die Idee verfolgte die Arbeit beim Mixing nur einmal machen zu müssen und dann gleich mehrere Wege zu haben, über die ich meine Inhalte verteilen konnte. Damit wuchs auch der Produktionsaufwand für das 80-Minuten Mixtape.
Lieder auswählen und der Spannungsbogen
Jeder Demo-Mix beginnt mit der Songauswahl. Welche Lieder möchte ich überhaupt verwenden?
Nach jeder Shopping-Tour finden sich unzählige neue Tracks auf der Festplatte, die man am liebsten sofort zu einem neuen Mix zusammen mischen möchte. Entscheidend ist die Lieder in die richtige Reihenfolge zu bringen.
Sehr häufig stolperte ich über das Problem, dass sich erst sehr spät herausstellte, dass die Mitte meiner Demo-CD durchhängt, weil aufeinander folgende Lieder zu ähnlich sind oder der Mix das Tempo zu langsam beziehungsweise zu schnell anzieht. Außerdem entwickeln manche Lieder ihr volles Potenzial erst im Zusammenspiel mit anderen Songs. Diesen Unterschied höre ich erst im Kontext des gesamten Mixtapes.
Um mögliche Fehler sehr früh zu erkennen, habe ich mir die Idee des "Rapid Prototyping" ( Link zu Wikipedia) von den Erkenntnissen zur Software-Entwicklung und dem Maschinenbau ausgeliehen. So schnell wie möglich soll eine halbwegs brauchbare Version als Prototyp entstehen.
Rapid Prototyping für DJs
Deshalb brannte ich bereits die erste Entwurfsfassung meines Demo-Mixes auf CD. Der Vorteil liegt auf der Hand. Du hörst viel schneller dein Ergebnis im Gesamtzusammenhang des Mixes. So kann ich Fehler ganz am Anfang des kreativen Prozesses beheben.
Zuerst lege ich in einem Roughmix die Reihenfolge der Lieder fest. Anfangs stimmen weder das Timing der Übergänge noch die Lautstärke der Mixe. Die Geschwindigkeit der einzelnen Tracks ist ebenfalls noch nicht optimiert. Doch darum geht es in dieser Phase auch gar nicht.
Zunächst ist mir nur wichtig herauszuhören, ob der Spannungsbogen über 30 bzw. 80 Minuten funktioniert. Manchmal wirken die Lieder eher aneinander gereiht, statt aufeinander aufzubauen. Diese Probleme werden viel deutlicher, wenn das Mixtape als Hintergrund-Musik zum Beispiel im Autoradio läuft. Die zusätzlichen Störgeräusche im Auto helfen dabei sogar. Beim bewussten Mixen bin ich viel zu sehr auf den einzelnen Übergang konzentriert.
Höre diesen Mix bei jeder Gelegenheit an - auf dem Weg in die Arbeit, Schule, Disco und so weiter. Auch wenn einige Übergänge an ungenauer Beat-Synchronisation leiden, bekommst du damit einen sehr guten Eindruck, wie gut die Songs miteinander harmonieren und sich gegenseitig im Mix beeinflussen.
Es schadet bestimmt auch nicht, zur ersten Fassung einen gewissen Abstand zu gewinnen. Zwischendurch ist es wichtig, genug Abstand von seiner Arbeit zu gewinnen. Sonst ist die Gefahr groß betriebsblind zu werden. Nach einer endlosen Mix-Session an den Turntables und dem Rechner hört man keine Mix-Fehler. Diese werden zwei Tagen später umso deutlicher hörbarer.
Probehören beim Ausflug zur WMC'11
Ich hatte schon Situationen, da war der Mix perfekt nach dem harmonischen Mischkreis aufgebaut. Die Vocals und Beat-Intros saßen perfekt. Alle 22 Titel gehörten zu meinen besten Songs.
Zum Probehören brannte ich den Mix nach der Winter Music Conference (WMC) auf CD und hörte ihn über das gigantische Soundsystem eines Mustang Cabrios, während ich in Richtung Florida Keys unterwegs war. Eigentlich traumhafte Abhör-Bedingungen, oder?
Trotzdem funktionierte der Mix nach meinem Gefühl einfach nicht. Die Lieder plätscherten ohne Steigerung vor sich hin. Selbst die drei absoluten Top-Tracks gingen in dieser nahezu perfekten Lied-Reihenfolge unter.
Es dauerte drei Wochen, sieben neue Varianten und vier zusätzliche Tracks bis der Mix viel mehr Schub entwickelte.
Wer soll deinen Mix hören?
Ob das Demo live gemixt sein soll oder eine perfektionierte Aufnahme aus dem Rechner den Zweck besser erfüllt, ist eine philosophische Frage.
Zunächst würde ich mir die Frage stellen, wer dein Demotape überhaupt anhören soll. Wer ist deine Zielgruppe? Sind es Club-Besitzer, Party-Veranstalter oder DJ-Booker, die du mit deinen Mixing-Künsten und der Song-Auswahl ansprechen möchtest. Oder willst du den DJ-Mix für deine Fans bei Soundcloud einstellen? Vielleicht möchtest du den Mix auch im Radio laufen lassen.
Mixtapes, mein technischer Ablauf
Meine ersten Mixes erstellte ich live mit zwei Plattenspielern und einem Mixer. Ich sortierte meine Platten, legte die Songs fest, die ich im Mixtape verwenden wollte, drückte die Aufnahme am Computer und legte los. Besonders spannend wurde es zum Ende der Aufnahme. Mit jedem guten Mix stieg meine Anspannung: "OK, das Tape ist bist jetzt super. Verhaue bloß nicht den letzten Übergang."
Oft ging es gut. Ich hörte den Mix zur Probe selbst an und merkte an ein paar Stellen hätte ich es besser machen können, das eine Lied lief vielleicht zu lange, der andere Mix passte mit den High-Hats nicht oder der Bass war zu früh draußen. Wenn es um meine Demo-Mixe geht, bin ich extrem perfektionistisch.
Ein Freund empfahl mir Mixmeister. Die Software ist genau dafür gemacht Mixtapes zu erstellen. Der Bearbeitungs-Bildschirm ist als Zeitleiste aufgebaut, ermöglicht aber nonlineares, non-destruktives Editieren und Mixen. Das heißt, die MP3-Dateien der Lieder werden nicht verändert und du kannst jede Änderung beliebig oft nach-justieren, verändern oder wieder rückgängig machen.
Damit kann ich also nach Belieben herum probieren. Ist es besser, wenn ich den Song vorziehe? Wie wirkt der Übergang, wenn ich den ersten Break herausschneide? Brauche ich 8 Takte mehr für einen perfekten Übergang, dann kann ich die vorherigen Takte loopen und visuell editieren.
Diesen Ablauf kann ich so oft wiederholen, bis der Mix absolut perfekt ist. Gleiches gilt für die Übergänge.
Für den Podcast exportiere ich den fertigen Mix als eine große Audiodatei im AIFF-Format. Diese Datei importiere ich in Ableton, ergänze die Moderation und exportiere die fertige Podcast-Folge als MP3-Datei.
Für das Webradio lasse ich einzelne WAV-Dateien ausrechnen, die ich mit der Open-Source-Software Lame in das MP3-Format konvertiere. Beim Webradio ist es wichtig die Option "nogap" anzugeben, sonst entstehen Lücken zwischen zwei gemixten Songs. Wie du Demos auf CD brennen kannst, beschreibe ich unter " Audio- und Daten-CD brennen ".
Raus damit, trotz Selbstzweifel
Regelmäßig überkommt mich das Gefühl, dass alles was ich bisher an meinem DJ-Mix gemacht habe, absoluter Schrott ist. Meist passiert das im letzten Drittel meines Produktionsablaufs. "Was werden andere DJs von mir denken, wenn ich XY spiele?" oder "Darf ich The Avener spielen, obwohl das Lied in den Verkaufscharts ist?"
Diese Selbstzweifel kenne ich noch sehr gut aus der Zeit, als ich meine Diplomarbeit schrieb. Und kurz bevor ich Texte wie diesen Blogpost veröffentliche, frage ich mich, ob ich auf dem richtigen Weg bin oder ob ich dich als Leser eventuell langweilige?
Meine Gedanken zur Songauswahl für den Houseschuh-Podcast habe ich in Folge 20 beschrieben: "Was wirst du als Hörer von mir halten, wenn ich so viele Neuauflagen alter und bekannter House Songs spiele?"
Bei den Mixtapes für den Podcast überwinde ich meinen Perfektionismus und meine Selbstzweifel mit einer selbst gewählten Deadline: Jeden Donnerstag, 5 Uhr früh muss eine neue Folge des Podcasts erscheinen. Auch wenn die Welt untergeht, meine Plattensammlung in Flammen steht, das Internet ausfällt oder ich mit Fieber im Bett liege. Ich werde einen Mix veröffentlichen.
Unser Gehirn ist wirklich ein Meister darin, sich alle möglichen Ausreden einfallen zu lassen, warum wir uns lieber nicht der Kritik anderer Menschen stellen. Steve Jobs begegnete diesen Tendenzen mit den Worten "Real artists ship". Das bedeutet übersetzt so viel wie: Wahre Künstler liefern ihr fertiges Kunstwerk auch aus, und verstecken ihre Kunst nicht im Keller.
Wenn du etwas Inspiration brauchst, wie du gegen die mahnenden Worte deiner Stimme im Kopf andenken kannst, dann empfehle ich dir wärmstens diese zwei Bücher:
Das Ergebnis meiner laufenden Mixtape-Produktion hörst du jeden Donnerstag im Houseschuh Podcast und Soundcloud.
Hast du weitere Tipps, die dir dabei helfen deine Mixtapes noch besser zu machen? Teile doch bitte deinen Tipp in den Kommentaren weiter unten.
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