Seit einigen Monaten kursiert in den Medien ein Aufreger: WhatsApp-Sprachnachrichten. Obwohl es sie schon seit über sechs Jahren gibt, meckern immer mehr Journalisten und Blogger über dieses Feature des weltweit beliebtesten Messengers. Zeit, eine kleine Liebeserklärung an die Sprachnachrichten-Funktion von WhatsApp zu veröffentlichen.
1. Sprachnachrichten haben Persönlichkeit
In der digitalen Kommunikation ist es eigentlich ganz einfach: Video siegt über Audio und Audio siegt über Text. Warum? Weil unser Gehirn audiovisuellen Content am besten abspeichert, danach kommen reine Audio-Inhalte. Am schlechtesten merken wir uns Texte, was nicht gerade für geschriebene Nachrichten bei WhatsApp spricht.
Sprachnachrichten haben also deutlich mehr Persönlichkeit und einen höheren Wiedererinnerungswert als normale Messages.
2. Emotionen übertragen sich besser
Jemand schreibt mir eine Nachricht bei WhatsApp. Ist derjenige dabei traurig, fröhlich oder gelangweilt? Keine Ahnung. Emojis können Gefühle ausdrücken, allerdings lassen sich so auch Gemütszustände leicht faken. Bei Sprachnachrichten – ob der Absender das will oder nicht – schwingt meistens eine Emotion mit. Anhand derer lässt sich der tatsächliche Zustand des Absenders besser erfassen.
Außerdem kommt ein Geburtstagsgruß als Sprachnachricht bei weitem herzlicher rüber als ein aus der Evernote-Geburtstagsvorlage eilig herauskopierter Gratulationstext. Über WhatsApp-Sprachnachrichten erhalten wir damit das volle Spektrum an Gefühlen.
3. Ich habe Zeit, um in Ruhe zu antworten
Kritiker der WhatsApp-Sprachnachrichten beklagen sich darüber, dass es mit dem Telefon ja eine weitaus bessere weil unmittelbare Möglichkeit des verbalen Austauschs gebe. Liebe Kritiker, seid ihr schon einmal auf den Gedanken gekommen, dass es genau diese Unmittelbarkeit ist, auf die viele von uns in Zeiten der ständigen Erreichbarkeit keinen Bock mehr haben?
Dass wir gerade diese Freiheit genießen, auf eine WhatsApp-Sprachnachricht antworten zu können, wenn wir Zeit und Lust haben? Zum Beispiel am Feierabend? Ein Telefonat dagegen hat je nach Vertrautheitsgrad auch immer etwas Bemühtes. Ich muss jetzt antworten, da eine Pause im Gespräch zwangsläufig zu unangenehmem Schweigen führt. Bei Sprachnachrichten habe ich genügend Zeit und Ruhe, strukturiert zu antworten.
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4. Die Nachrichten lassen sich beliebig oft anhören
Wie flüchtig sind doch die schönen Momente. Dank der Sprachnachrichten können wir all die lustigen, schrägen oder absurden Augenblicke zwischenmenschlicher Kommunikation wieder und wieder genießen, die wir bei Telefonaten nur für einen Sekundenbruchteil erleben. Einfach die Sprachnachricht nochmal antippen und sich über die vertraute Stimme freuen. Außerdem lassen sich die Sprachnachrichten weiterleiten, was im privaten Bereich für große Erheiterung und auf geschäftlicher Ebene für eine hohe Effizienz sorgt.
5. Sprachnachrichten sind das perfekte Medium für Blödsinn
Mal ehrlich: Wann sind wir denn noch so richtig albern? Bei Sprachnachrichten dürfen wir das sein und werden es zwangsläufig. Sei es durch Gestammel, Ähm und Öhms, durch sinnfreie Neckereien oder durch den chronischen Austausch alltäglicher Belanglosigkeiten – Sprachnachrichten sind wie gemacht für leichte Kost und bergen damit jede Menge Humorpotenzial.
Tatsächlich beschäftigen sich sogar wissenschaftliche Publikationen mit diesem Phänomen. Lassen Sie einmal den folgenden Abschnitt aus dem Text Zur Theatralität von WhatsApp-Sprachnachrichten. Nutzungskontexte von Audio-Postings in der mobilen Messenger-Kommunikation (Quelle) auf sich wirken:
Während Tino fernsieht (die aufgenommene Stimme des TV-Kommentars bleibt jedoch im inszenatorischen Hintergrund, vgl. aber Abschnitt 4.4), nimmt er kurz hintereinander zwei Flatulenzen auf, die er ohne verbalen Kommentar an Helene schickt. Die Wiedergabe des Ereignisses mit den gleichen Erlebnisqualitäten in der medialen Schriftlichkeit ist kaum denkbar.
Weiter im Text heißt es:
Nur durch die auditive Dokumentation kann Tino die abwertende Reaktion Helenes evozieren. Das Beispiel illustriert zudem, dass eine Charakterisierung von WhatsApp-Audio-Postings als Sprechnachrichten (vgl. Abschnitt 2.2) zu kurz greifen würde, da nicht immer verbales Geschehen im Vordergrund der Inszenierung steht.
Kein Kommentar mehr nötig. ;)
Fazit: WhatsApp-Sprachnachrichten fetzen
Natürlich nervt es, wenn Mitfahrer in der Straßenbahn ihr Smartphone in dümmlich-horizontaler Position in die Nähe ihres Ohrs halten. Selbstverständlich will ich ihnen dann zurufen: Menschenskind, du kannst dir den Käse auch wie bei einem normalen Telefonat. Ohne, dass alle anderen um dich herum in den zweifelhaften Genuss der Mithörerschaft kommen.
Aber ist das ein Grund, eines der witzigsten und bereicherndsten Features der Kommunikationsgeschichte gänzlich abzulehnen? Ich denke nicht. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Ich habe noch ein paar Sprachnachrichten zu beantworten.
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