Kunstkammern, wie sie in der Renaissance entstanden, waren Universalsammlungen, die nicht nur Artefakte präsentierten, sondern auch Alltagsobjekte und exotische Materialien. Die “Kunstkammer” des Dichters Norbert Lange folgt einem ähnlichen Konzept. Sie versammelt in drei Abteilungen nicht nur Gedichttypen, Schreibweisen und Tonarten, sondern sucht in den Gedichten auch den Bezug auf die “Urschriften” der Dichtung. Der 1978 geborene Lyriker versteht seine Poesie als “Quellenkunde”: das Freikratzen und Übermalen kanonischer Urtexte, deren Energien der Dichter durch Konfrontation des historischen Stoffs mit Materialien der Gegenwart entbinden will.
Diese Quellen findet er bei den Merseburger Zaubersprüchen ebenso wie in der Ursonate von Kurt Schwitters, vor allem in den Rhapsodien der amerikanischen Poeten Charles Olson und Jerome Rothenberg. Langes neuer Gedichtband lässt bereits mit der Sperrigkeit seines Titels erahnen, dass um eine Auseinandersetzung mit historischer Sprachmaterie geht. / Michael Braun, Badische Zeitung 11.8.
Norbert Lange: Das Schiefe, das Harte und das Gemalene. Kunstkammer. Luxbooks, Wiesbaden 2012. 122 S., 22 Euro.