49. Liederwerkstatt

Wilhelm Killmayer, 83-jähriger Nestor der Münchner Komponisten, Verfechter melodischer Läuterung und Selbstgenügsamkeit im Klang, der Kissingen fernbleiben musste, hat Rilkes Gedicht ‘Abisag‘ vertont, dazu Brentanos vielstrophiges ‘Großmutter sagt, ich soll dir singen’. Killmayer geht im Alter noch karger, gezielter vor als früher. Das Bild von der erloschenen Liebesfähigkeit des alttestamentarischen Königs und der Jungfrau, die ihm vergebens ins Bett gelegt wird, löst eine Musiksprache bei ihm aus, deren radikal verschwiegener Laut fasziniert: zersprengte Töne und Akkorde (Klavier Moritz Eggert), die Singstimme in fahler, schwebender Narration (Tenor Andreas Post). Bei Brentano treibt Killmayer die Knappheit ins Extrem – die Klavierspots sind keck, Melodien schwingen, die Inspiration bleibt lebendig.

Aribert Reimann, der an einer Maeterlinck-Oper schreibt und ‘für ein Gedicht im Moment keinen Raum’ hat, verschweißt neun nachtschwarze Fragmente Rilkes, dessen Nähe zu Kafka entdeckend, zu einem Großlied: Expressionismus der Stimme (Caroline Melzer) in zerklüftet harter Klavierlandschaft (Axel Bauni), Erregungen zwischen Ausbruch und lyrischer Beschwörung in bildhaft-emotionalen Kurven. Wolfgang Rihm hat im Jahr 2000 vier Rilke-Gedichte und 2002 Brentanos ‘Wenn der lahme Weber träumt, er webe’ vertont – Rilke leise, in meditativ labyrinthischer Tonlage, Brentano fast verspielt voller Kontraste, am Ende ohne Trost verrinnend. Manfred Trojahn entschied sich für ganz frühen, kunstgeschraubt gefühlvollen Rilke, den er in riskant glatte, runde Tonbewegung hineinzwingt. / Wolfgang Schreiber, SZ 6.7.



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