48 Stunden

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Dann stehe ich ganz plötzlich vor dem verbliebenen winzigen Zeitfenster, keine 48 Stunden groß, und blicke auf all Tage, Wochen und Monate, die wie verirrte Wölkchen vorbeiziehen. Zeit spielte eine unbedeutende Rolle – und nun soll ich 48 Stunden begreifen. Und wenn ich nun etwas meide, dann sind es neue Geschichten, die als undurchdringlicher dunkler Wort-Wald sich vor mir auftun. Sanft wiegen sich die Kronen, mütterlich streicht die Brise das Gras, geheimnisvoller Gesang lockt mich. Aber wenn es etwas gibt, vor dem ich mich jetzt fürchte, ist es, sich in diesem verwachsenen Gefilde neuer Erlebnisse zu verlieren. Deswegen habe ich all die Einladungen ausgeschlagen, des Schreibens wegen. Ich trenne mich von den Worten, denen ich bislang die Treue schwor und halte mich an dem fest, das mir vertraut und gesonnen ist: Allison.

Bis zum späten Abend, dieses letzten samstags, verbringe ich mit Schreiben, Allison mit Zeichnen. Es ist recht turbulent im Hostel. Neue Gäste sind angekommen. Und der Rezeptionist lädt uns auf eine Party ein, aber Partys die ich hier erlebte – überlebte wäre treffender – veranlassen mich zu der Entscheidung nicht hinzugehen. Und Allison hat auch keine rechte Lust, so bleiben wir im Gästehaus, trinken Rum-Cola, während die Dire Straits ›tunnel of love‹, ›walk of life‹ und ›brothers in amrs‹ in Endlosschleife spielen und eine Gruppe junger Frauen einen Jenga-Turm errichtet. Allison und ich unterhalten uns über das befriedigende Gefühl etwas kreiert zu haben, und meinen dabei meine letzte Geschichte und ihre Zeichnung. Manchmal ist das Schreiben eine unsägliche Belästigung, und am liebsten würde ich sie dann, wie einen unliebsamen verlausten Köter, irgendwo an die Straße binden und meinen Weg alleine fortsetzen. Aber spätestens am dritten, allerspätestens vierten Tag würde ich umdrehen … Keine Tätigkeit wie das Schreiben hat mich bisher mit dieser Zufriedenheit zurückgelassen.

Am Sonntag – das Zeitfenster ist nun greifbar – spazieren wir zum Naturreservat in Puerto Medero, jenem grünen stillen Ort, von dem man auf den Atlantik blickt. Wir setzen uns ans Ufer, auf den Baumstamm, der vor 10 Wochen noch an einer anderen Stelle lag – den ich mit Sebastian teilte. Wir reden nicht viel, grundsätzlich nicht. Aber Allison fragt dann doch, was ich so denke und ich sage ›Ich habe mich gerade verabschiedet‹. Und ich fragte Allison später auf dem Rückweg, was sie machen würde, an ihrem letzten Tag im Leben. Und Allison zählte die Dinge auf, die auch ich an meinem letzten Tage machen würde – mit dem Unterschied, dass ich morgens, vor dem Brunch noch, ein kurzes Gedicht schreiben würde.

In San Telmo wärmen wir uns dann bei Kaffee und pikanten Waffeln auf. Meine Begleitung kommentiert meine Photo-Wut mit einer Skizze, die mir Tränen in die Augen treibt. Und abends schreibe ich diesen kleinen Artikel, wohlwollend, dass … ›wie?‹ – ›Kann ich dein Feuer haben?‹ – ›Ach! Mateo! Hallo! Klar doch wart äh … wart mal, ich komm mit.


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