Als Gewährsmann wählt Preiwuß Stéphane Mallarmé, der mit seiner ‘poésie pure’ dem Realismus entkommen wollte, da er ihn für unzulänglich hielt, menschliches Sein zu ergründen. Preiwuß zitiert eingangs Mallarmés Diagnose des ‘nicht zu verleugnenden Strebens meiner Zeit’, nämlich ‘den doppelten Status der Rede auseinanderzuhalten, roh oder unmittelbar auf der einen, essentiell auf der anderen Seite’.
Dieses Bestreben gilt heute vielleicht weniger, zumindest galt es nicht für Mallarmé, und es gilt es nicht für Preiwuß. Immer wieder gelingt es ihr, eine neue Balance der Rede herzustellen – leicht und ernst, feurig und kühl, nüchtern und phantastisch. Dies, aber auch die stilistischen Mittel, mit denen Preiwuß operiert, offenbart eine lyrische Urszene: ‘mein therapeut heißt sprache, die / selbe geschichte einer beziehung zwischen innen und außen / wie wir um unsere hände ringen. wie wir / beide uns gebärden im schatten ewiger gewalten / die zu verwandeln mühsam ist und selten / selig macht’.
Mittels syntaktischer Vexierspiele gelingt es Preiwuß, der Sprache neue Luft, neuen Raum zum Atmen zu verschaffen. Überhaupt finden sich scheinbar Prosaisches (‘man traut sich ja erst jahrtausende später damit zu twittern / denn twittern ist ein anderes wort für mein vibrierendes glück’) und Poetisches (‘können wir uns zueinander legen? / fragt der alte prellbock seine schienenenden’) häufig gelungen aufgelöst in Bildern, die an Celan erinnern und den Tod als permanenten Begleiter beschwören: ‘er fasst dich nicht an / er trägt dich im sinn’.
/ Philip Kovce, Süddeutsche Zeitung 31.7.
Kerstin Preiwuß: Rede. Gedichte. Suhrkamp Verlag, Berlin 2012. 87 Seiten, 8 Euro.