41. O, ich bin im Freitag!

Der geschätzte Freitag beschert einem Kolumnisten (veröffentlicht) und Lyriker (unveröffentlicht) endlich eine prominente Bühne.  Es geht um “die schwierige Kultur des Pluralismus”, sagt die Überschrift seiner neusten Verlautbarung. Wie fein, da muß doch jeder mitziehn, nicht? Jeder darf seine Gedichte veröffentlichen, also auch jeder “Freiheits”-Kolumnist.

Nicht genug damit. “Zum Breivik-Vorwurf” schreibt er noch darunter. “Die sog. Lyrikszene bzw. deren Hauptprotagonisten und Oberexegeten” bestreiten also Mollnitz/Bosselmann die Meinungsfreiheit und schlagen ihn mit der Breivik-Keule. Ist das nicht ein Skandal? Gut daß es noch ein paar Stellen gibt, an denen man dagegen anreden kann. Das tut der wackere Streiter nun unter dem Doppelnamen beim Freitag.

Er strickt das mit der gleichen heißen Nadel wie seine sog. Lyrikpolemik und wie die paar Artikel bei von mir weniger geschätzten Organen wie “Junge Freiheit” und “Blaue Narzisse”, die ich mir angesehen habe. Eine stammtischfähige Meinung (beim Freitag: “Die junge Lyrik ist niveaulos”, bei der JF 2009: “Der jüngsten Ausgabe des Politikmagazins Frontal 21 war es ein Anliegen, sich darüber zu echauffieren, daß „der Staat die Neonazis gewähren läßt“” oder hier Juni 2012: “die Linke ist am Ende”) wird mit ein paar kernigen Sätzen und reichlich Kraft-Bonmots à la “Neue Lyrik: neue Impotenz”, “Möchtegern-Lyrik”, “Multi-Preisträger”, “gleichgeschaltete Gefällt-mir-Gesellschaft”, (Lyrik);  “Demokratie und böser Nazi”, “ein Guter, ein Demokrat” (Nazis), “Möchtegern-Luxemburg”, “Bionade-Bourgeoisie”, “Befindlichkeits-, Gefühls- und Pseudolinke des satten Westens” (Linke) garniert. Weder die Meinungen noch die Schlag-Wörter sind von ihm. “Multipreisträger” z.B. kam jüngst bei einer Medienattacke des rührigen Anton Leitner vor und wurde von Mollnitz flugs per copy and paste ausgerechnet auf Thomas Kunst appliziert. Egal was, egal woher: Hauptsache es tut Wirkung bei den Stammtischen, ob rechts (JF) oder links (Freitag). (Lustig, daß er gleichzeitig im eigenen Fall jammert, wenn andere das Wort “Klarnamen” benutzen).

Und in dem jüngsten Beitrag im Freitag-Blog lästert er über den “karnevalesken Maskenball der Pseudonyme” (als hätte das Thema garnichts mit ihm zu tun) und spricht von seinen “mir größtenteils völlig unbekannten und mit Nicknames verschleierten Opponenten”. Nun ja. Wer von den Lesern des Freitag kannte bis dahin Bosselmann oder Mollnitz? Wenn jemand lautstark auftritt, muß er sich kaum wundern, daß man fragt, wer das ist. Ich und meine gutinformierten Datenbanken kannten keinen “Mollnitz”. Bosselmann schon. Nicht besonders erheblich, aber unter dem Namen erschienen in den 80er Jahren ein paar Gedichte in einer Anthologie mit Schüler-Gedichten (“Offene Fenster”) und in der FDJ-Zeitschrift “Temperamente”. Das ist lange her. Hat er die ganze Zeit geschrieben und nichts veröffentlicht? Oder wurden seine Texte abgelehnt? Oder hat er erst jetzt, angeregt von der schwächelnden Gegenwartslyrik, wieder angefangen? Wir wissen es nicht. Er raunt nur von “besonderen Gründen”, welche?

Jetzt aber hat er sein Thema und seine Rechtfertigung gefunden: Weil die Lyrikzeitung seinen wahren Namen veröffentlichte, bleibt seine Karriere als Autor aus. Drei Verlage sollen seine Gedichte zurückgeschickt haben. (Ehrlich gesagt finde ich das etwas schwach. Wenn sie die Gedichte gut finden, warum veröffentlichen sie sie nicht? Auf mich dürfen die sich nicht berufen.)

Ich zweifle nicht, daß es Leser für seine Gedichte gibt. Ein paar sind unter dem Namen Mollnitz leicht im Netz zu finden. Ich finde die nicht so stark und schon gar nicht in dem messianischen Gestus des Freitag-Artikels. Obwohl mit “Potenz” als Opposition zu der von ihm beschworenen Impotenz (nicht in sexueller Hinsicht, sondern als aktivistisch-kraftmeiernde Geste) hat es in meiner Wahrnehmung schon zu tun. Aber ich mag nicht über unpublizierte Gedichte rechten. Wenn er seine Grenzer-Lyrik gut findet, soll er sie doch veröffentlichen, warum nicht beim Freitag? Er mokiert sich über die Auswahl bei der Wasser-Prawda, vergißt aber hinzuzufügen, daß er diese Gedichte ja selbst hingeschickt hat. Vielleicht hat er so wenig, daß er auch die schwächeren mitschickte? Auch das wissen wir nicht.

Damit wollen wir uns nicht befassen. Noch ein paar Blicke auf die Polemik gegen die “sog. Lyrikszene”.  Die habe sich also aufgeregt. Was für Mollnitzens Gewicht zu sprechen scheint. Umso mehr, als nicht irgendjemand, sondern “deren Hauptprotagonisten und Oberexegeten” gegen ihn Front machten. Leider vergißt er hinzuzufügen, wer das eigentlich war. Kein einziger Name, nirgends. Der gleiche blinde Fleck wie in dem sog. Pamphlet, über dessen Resonanz er sich wundert. Dort hatte er immerhin “Eisenhans” benannt, wir konnten das Pseudonym nicht knacken, er soll schon im Lyrikjahrbuch veröffentlicht haben, aber ein “Hauptprotagonist und Oberexeget”? Das kann bezweifelt werden.

“Erhebliche Turbulenzen, große Betroffenheit” konstatiert Mollnitz. Papperlapapp, Großrederei. Ein paar Leserbriefe beim Freitag, ein paar Kommentare bei der Lyrikzeitung oder in kleinen Facebookkreisen, mehr war gar nicht. Er muß es dem bedeutenden Mollnitz erst zurechtmachen.

Was gesagt werden muß. Was mit und gesagt werden muß. Nur mit und, keine Begründungen. (Eich, nicht Grass). Die sogenannte Polemik strotzt gleichermaßen von Kraftmeierei wie von Unkenntnis. Er tut, als könne er die Lyrik aus den Angeln heben, kennt sie aber gar nicht*. Spricht von einem Leipziger Blog und einem Leipziger Verlag, der Verdienste hat, aber kaum ein Zentrum “der Lyrikszene” genannt werden kann. Da gibt es auch in Leipzig andere kleine Verlage, etwa die Connewitzer Verlagsbuchhandlung…, aber nichts davon. Zu schweigen von den wichtigen Verlagen in Berlin und anderswo. Die Freitag-Autorin, die darauf reagierte, hat völlig recht. Kann man von einer Redaktion verlangen, daß sie die Substanzleere bemerkten? Offenbar nicht. Jetzt aber schafft er es, alles so hinzustellen, als läge es nur an der Enthüllung seiner Identität. Nein, es war ein schlechter Artikel, der nur bei Ignoranten Zustimmung fand. Er wäre auch schlecht, wenn er von, sagen wir mal Sahra Wagenknecht (“Möchtegern-Luxemburg”) oder, jetzt keinen Namen nennen… einem Redakteur der FR oder SZ geschrieben worden wäre. (Der Wahrheit die Ehre: es gibt dort keinen, der so uninformiert über Lyrik schreibt!).

Mit Personennamen hält er sich zurück (einzig bei der Freitag-Autorin weiß er sich anzubiedern). Ein Ortsname allerdings wird sehr oft genannt. Ganze 7 mal kommt der Name der Stadt Greifswald vor. Es scheint sich hier um ein Zentrum der Lyrik zu handeln. Der Artikel erwähnt “eifrige Recherchen eines Greifswalder Literaturwissenschaftlers”, der scheint wichtig zu sein. Zumal er, “was ich nicht wusste, sowohl gegenüber dem Greifswalder Verlag, der Greifswalder Online-Zeitschrift als auch wohl gegenüber der Junglyriker-Szene allgemein als eine Art administrierender Bewerter oder mindestens Mentor fungiert, hochgeschätzt, hochagil, hochempfindlich.” Sagt Mollnitz.

Achja, danke. Obwohl ich gern auf dieses Lob verzichte. Er wußte es nicht, jetzt weiß er es aber? Den Beweis bleibt er auch schuldig. Das ist die Mollnitz-Masche. Viel behaupten, dann bleibt schon was hängen. (Nein, er braucht sich nichts drauf einzubilden, so machen es alle Anschwärzer). Ich kenne den Greifswalder freiraum-Verlag, sein Gründer studiert an dem Institut, bei dem ich angestellt bin. Aber “administrierender Bewerter oder mindestens Mentor”, das ist totaler Mumpitz. Sowohl für den Verlag als auch selbstredend für “die Junglyriker-Szene”. Ich kenne etliche junge Lyrikerinnen und Lyriker und lese viele, mit einigen bin ich befreundet, jungen und älteren. Aber Mentor? Administrierender Bewerter gar? Bloße aus der Luft gegriffene Behauptungen in ehrabschneidender Absicht: das darf man jetzt beim Freitag, ich nehme es zur Kenntnis. Dieser Mensch ist ein Verleumder, der allgemeine Behauptungen über “die Lyrik-Szene” mit Zitaten aus Leserkommentaren (“Breivik-Vorwurf”) so mischt, als hätte “die Lyrikszene” unter der heimlichen Führung eines Greifswalder Literaturwissenschaftlers ihm und dem Pluralismus im Land übel mitgespielt. (Der PR-Chef der JF reibt sich die Hände, wenn er das liest: “Dass einer, nachdem er aus besonderen Gründen literarisch fünfundzwanzig Jahre schwieg und sich auf Tagebuch und Presse beschränkte, dass so einer sein Schreiben wieder aufnimmt und Texte durchreicht, ohne zu den diversen Zirkeln und Duzgemeinschaften der „Szene“ zu gehören, konnte man noch als die unerhörte Frechheit eines dreisten Dilettanten abtun; aber dass der auch noch von der „Jungen Freiheit“ kam, diesem schlimmen Blatt, das ging nun gar nicht!”)

Ich bitte um Verständnis, daß ich nicht auf der gleichen Bühne spielen möchte wie dieser Lyrikkenner, und daher hier antworte.

*) In einem Blog versucht “Mollnitz” das in dem ersten Pamphlet Versäumte nachzuholen und zitiert Nora Bossong “eine Autorin, die ohne Zweifel über eine lyrische Stimme verfügt”. Hohes Lob wird verteilt: “Ihr Gedicht „Reglose Jagd“ (http://www.poetenladen.de/nora-bossong-lyrik.htm) dürfte zum Besten gehören, was innerhalb der letzten Jahre erschien.”  Das muß er ja in besonderer Weise wissen. Auch andere Gedichte der Autorin werden gelobt (wenn auch nur im Netz veröffentlichte). Auch hier kommt der Pferdefuß schnell zum Vorschein. Selbst diese ohne Zweifel guten und sympathischen Gedichte werden nun zum Zeugnis des Ungenügens der jungen Lyrik:

Wesen des Dargestellten ist wiederum die Statik, eine kleine, ptolemäisch anmutende Welt, wenngleich offenbar gegenwärtig und modern, herausgehalten aber aus dem Fluss, dem Panta-Rhei des biographischen und geschichtlichen Geschehens.

Genau das ist für neue Lyrik symptomatisch. Sie hält sich heraus aus den Strömungen der Zeit, so abstinent und fern, dass ihr auch deren Unterströmungen einerlei sind oder verborgen bleiben, die gefährlichen wie die verheißungsvollen, denn sie schreibt bewusst aus dem Außerhalb.

Mit Verlaub, so las mans auch in den Zeitungen von SED und FDJ. Fast wörtlich sogar. Was wir schon ahnten. Auch Peter Huchel wurde vorgeworfen, daß er sich “wie ein englischer Lord” (Hager) heraushalte. Genau, Huchel: Mollnitz steht nicht an, Bossong mit Huchel zu vergleichen. Ach ja, richtig, sie bekam ja jüngst den nach Huchel benannten Preis.**

**) Aber ich gebe zu: hätte er dem Freitag diesen Text angeboten, die Blamage wäre kleiner gewesen.



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