In Zeiten wie diesen, in denen man sich jedesmal bevor man eine Star Wars News Site aufruft die bange Frage stellen muss: Was hat Disney wohl jetzt wieder vermasselt?, lohnt vielleicht ein Blick auf die möglichen Konsequenzen, die das Erscheinen von Episode VII (die ist noch nicht eingestellt, oder?) auf das bestehende Expanded Universe haben könnte.
Willkommen also zu den 4 Vs über den Umgang des neuen Filmes mit bestehenden Büchern und Comics:
V wie Verwenden:
Die erste Möglichkeit ist, dass Episode VII das bestehende erweiterte Universum verwendet wie es ist und sich nahtlos in dieses einfügt.
Beispiel: es wird entscheiden, dass der neue Film zwischen dem dritten und dem vierten Band der “Fate of the Jedi” Reihe spielen soll. Michael Arndt weiß (bzw, liest nach oder fragt Pablo Hidalgo), welche Personen sich wo und in welche Gemütszustand am Ende von “Abyss” und am Beginn von “Backlash“ befinden und passt sein Drehbuch genau daran an. Niemand stirbt, der in späteren Geschichten noch gebraucht wird und keine Person und kein Ereignis wird eingeführt, die bzw. das Konflikte mit früheren oder späteren Geschehnissen haben könnte.
Ein solches Szenario mag es theoretisch geben, realistisch ist es jedoch nicht. Zum einen, deshalb, weil ich immer noch davon ausgehe, dass die Drehbücher zur Sequel Trilogie auf Entwürfen von George Lucas beruhen und wenn dem so ist, dann sind diese nicht nur zweifellos älter als die FoTJ Reihe, sondern vermutlich sogar älter als das gesamte EU (vielleicht mit Ausnahme der ersten Bücher aus den späten 70er und frühen 80er Jahren).
Und selbst wenn dies nicht so wäre, warum sollte sich Disney freiwillig eine solche Einschränkung auferlegen? Selbst Clone Wars hat mehrfach bewiesen, dass man nicht sehr zimperlich mit dem Expanded Universe umgegangen ist und bei Disney habe ich ohnehin mehr und mehr den Eindruck, dass man alles Star Wars-mäßige, das vor dem 30.10.2012 entstanden ist (vielleicht mit Ausnahme der Filme selbst) am liebsten irgendwo vergraben und vergessen würde.
Und schließlich gibt es noch das – durchaus nachvollziehbare – Argument, dass Leute, die SW bisher nur von Clone Wars her kennen, bzw. wenig bis gar keine Bezugspunkte zum EU haben mit einer solchen “sklavischen” Hörigkeit gegenüber dem was es schon gibt durchaus ihre Probleme haben könnten und sich fragen, wer eine bestimmte Person ist, woher sie kommt und wie es zu dieser Geschichte kam.
Also nein, dieses V können wir wohl abhaken. Aber wie wäre es mit dem:
V wie Vermeidung:
Hier vermeidet man Konflikte mit dem EU dadurch, dass man die neuen Filme in einer Zeit spielen lässt, die Buch- und Comicmäßig noch eine weiße Fläche auf der Landkarte sind – also nach “Crucible” und vor Legacy.
Dazu passt ganz gut, dass vor kurzem das Gerücht auftauchte, dass die Kinder und Enkelkinder von Han und Leia die Hauptrolle im neuen Film spielen werden. Und na bitte: wir haben Jaina und wir haben Allana, die, wenn man die Geschichte etwa 50 Jahre nach Episode IV spielen lässt auch schon alt genug ist, um selbst in die Ereignisse eingreifen zu können.
Der Charme dieser Variante ist, dass man Unstimmigkeiten mit dem EU damit tatsächlich weitgehend aus dem Weg gehen könnte, das Problem jedoch, dass es eben nur weitgehend ist, denn man bräuchte eben eine Jaina und eine Allana und nicht Lieschen Müller und Klaus Unrat als die Kinder und Enkel von Han und Leia. Nach wie vor müsste man gewisse Grundpfeiler des erweiterten Universum berücksichtigen, auch wenn der Aufwand neue Fans an die Saga heranzuführen wesentlich geringer wäre. So könnte man im Opening Crawl zu Episode VII erwähnen, dass Jaina eine voll ausgebildete Jedi ist und sich Han und Lia um ihre Enkelin kümmern, ohne zu erwähnen wer deren Vater ist oder was mit ihm geschah. Wer mehr wissen will, der soll die Bücher kaufen denn Bücher kaufen bringt Umsatz!
Ehrlich gesagt glaube ich auch nicht so recht an diese Variante. Einerseits wieder weil es in GLs Skizzen mit Sicherheit keine Jaina und keine Allana gibt und andererseits weil ich nicht glaube, dass die neuen Filme SO lange nach Episode VI spielen werden, sondern früher.
Was uns zum nächsten V bringt:
V wie Verwüstung:
Hier spielt die neue Trilogie irgendwo während der Post-ROTJ Hochblüte des EU – z.B. während der “Legacy of the Force” Reihe. Es kommen zwar Figuren vor, die es im EU (“zufällig”) auch gibt, sie heißen jedoch anders, sehen anders aus und verhalten sich auch anders. Andererseits gibt es aber auch nichts, das nicht geschickte Autoren “retconnen” könnten. Hieße also Jaina Solo tatsächlich Lieschen Müller, so könnte man in einem Roman erklären, dass sie diesen Namen während einer bestimmten Mission trug und dass sie nur deshalb im Film blond und blauäugig (statt brünett und braunäugig) war, um besser undercover operieren zu können.
Puristen werden zwar zunächst meckern aber im Grunde lässt sich alles noch irgendwie hinbiegen, sodass da gesamte EU Gefüge nicht in sich zusammenfällt.
Ich halte diese Möglichkeit für nicht unrealistisch, denn einerseits erhalten die Schreiber der Drehbücher damit doch eine weitgehende Freiheit, andererseits entsteht aber auch nicht die Gefahr, rund zwei Drittel der vorhandenen SW Literatur von heute auf morgen komplett zu entwerten. Denn diese Möglichkeit ist bei unserem vierten V enorm gegeben:
V wie Vernichtung:
Hier wird agiert, als gäbe es kein EU: Han und Leia haben nur einen Sohn und hatten auch nie zwei weitere Kinder. Luke ist mit einer türkisen Twi’lek verheiratet und hat ein Mischlingskind. Chewie ist noch am Leben und das obwohl der Film zeitlich nach “Vector Prime” spielt. Alles Dinge, die sich praktisch nicht “retconnen” lassen.
Für Disney ist diese Variante auf dem ersten Blich die Einfachste und Attraktivste: man braucht sich um nichts zu kümmern, kann Georges Entwürfe verwenden oder auch nicht und die Geschichten so aufsetzen, dass Leute die nur die bestehenden Filme kennen (oder vielleicht nicht einmal diese) problemlos einsteigen können. Auf der anderen Seite läuft man hier aber enorm Gefahr, bestehende Fans der Saga (und davon gibt es nicht wenige) komplett zu vergraulen, die über die Jahre und Jahrzehnte viel Zeit und viel Geld in ihr Hobby investiert haben und nun plötzlich feststellen müssen, dass all das (ausgenommen vielleicht einige wenige Werke, die den neuen Filmen zufällig nicht widersprechen) mehr oder weniger wertlos und non-cannon ist. Disney sollte sich sehr genau überlegen, ob sie diesen Weg gehen wollen, denn das (Laser)schwert, das sie dabei führen ist ein höchst zweischneidiges!
Natürlich sind diese vier Varianten nicht wirklich trennscharf. Denkbar (und aus Disney Sicht gar nicht unpraktisch) wäre eine Mischung aus Verwüstung und Vernichtung (vielleicht mit mehr Gewicht bei der Verwüstung). Und selbst wenn man sich entschließen sollte, komplett reinen Tisch zu machen, gäbe es theoretisch Wege, dem daraus folgenden Dilemma zu entkommen. So könnten der Konzern beispielsweise einen Roman in Auftrag geben, in dem die Rakata kurz nach den Ereignissen von Episode VI in die Galaxis zurückkehren und die Macht auf eine Art und Weise missbrauchen, die dazu führt, dass sich das Raum-Zeit Kontinuum spaltet, in einen Ast, der das bestehende EU umfasst (und damit am Leben lässt) und in einen, der die neuen Filme (und viele neue Bücher und Comics) enthalten kann. Ja ich weiß, das war jetzt ein bisschen zu sehr Star Trek…
Oder es erscheint ein Roman, in dem erklärt wird, dass sämtliche Ereignisse, ab dem Angriff auf Endor nur eine (zugegebenermaßen sehr lange) Vision von Palpatine waren, der nun weiß was er tun muss, um die Rebellion, die Jedi und die Nachkommen von Han, Luke und Leia zu vernichten bzw. gar nicht erst entstehen zu lassen. Auf diese Weise hätte man dann auch gleich die zwei Hauptbösewichte für die neue Trilogie, denn Sidious und Vader wären ja noch am Leben. Auf der anderen Seite bräuchte man dann aber wohl auch neue Schauspieler für die großen Drei, wenn man direkt an der OZ anschließen wollte.
Beide Möglichkeiten werden so nicht passieren, ich wollte nur recht plakativ ausführen, dass sich irgendwie immer alles richtigstellen lässt, auch wenn es vielen (vermutlich inklusive mir) nicht gefallen würde.
Worauf ich letztlich hinauswill ist, dass sich Disney besser bewusst sein sollte, dass sie mit dem Kauf von Lucasfilm nicht nur 6 Filme, sondern buchstäblich ein ganzes Universum erworben haben und dass es langfristig wohl keine gute Idee ist, möglichst viel von dem was es schon gibt, zu zerstören, einzustellen und zu entwerten.