Der Dichter Du Fu war befreundet mit Li Bai und sie werden oft in einem Atemzug genannt. Wie viele andere Menschen mit Herz beklagte er die unstete Zeit mit ihren vielen Scharmützeln und es sind von ihm einige Gedichte gegen die Unmenschlichkeit des Krieges bekannt.
(…)
Er verband Gedanken über die Natur mit seinem eigenen Los, auf eine natürliche Weise, so wie in dem Gedicht:
Der Fluss ist grün | am Himmel Vögel weiß
Gebirge blau | und Blüten grad erglüh‘n
Nun diesen Lenz | auch ihn seh‘ ich vergeh’n
An welchem Tag | wird sein mein Heimkehrjahr?
Die ersten zwei Zeilen beschreiben eine Szene: der Fluss, vielleicht der Große Fluss, der Yangtze, ist grün, und Kraniche oder Reiher ziehen am Himmel vorbei. Kraniche werden oft auf Faltschirmen oder Rollbildern abgebildet. Wie für ein Plakat werden die Farben eingesetzt: Grün, Weiß, Blau und Rot. Kühle Farben und eine warme.
(…)
Ist der Anfang eine große breite, hohe, deutliche Skizze, so ist auch das Ende groß und breit, aber tief im Gefühl.
Für „Fluss“ kann man auch „Bucht“ lesen. Die Zeichen für die Farben „Grün“ und „Blau“ sind eigentlich „jadefarbig“ und „Farbe der Natur“; beide können sowohl Grün als Blau bedeuten. „Am Himmel“ nicht im Original, wo es heißt: „ziehen vorbei“, wodurch es auch Wasservögel sein könnten, aber die Bewegung geht von dem Fluss unten, zu den Vögeln, zu den weiten Bergen die naturgemäß trübe gefärbt sind, hin zu einer inneren Welt der Gedanken. / Jan Kellendonk, lokalkompass.de
Nachtrag
Dank Internet findet man bei Regionalzeitungen Übersetzungen chinesischer Gedichte! Verzichtet auf was ihr könnt (Rainer Kirsch). Ich sage danke. Und suche. Eine Ausgabe der 300 Tang-Gedichte findet man bei buchhandel.de nicht. Immerhin dieses:
Im Zeitmass des Mondes. I. Frühling
Eine Auswahl chinesischer Lyrik vom 3. bis zum 13. Jahrhundert
(Stiftung Lyrik Kabinett) ISBN: 978-3-9807150-2-7
geheftet
27 S. – 21,8 x 14,7 cm
Ebenso eine Auswahl für Sommer und Herbst, je 4 Euro.
Wer das ganze will, ist auf die chinesische und englische Sprache angewiesen. Und auf hunderte Enthusiasten (vor allem in diesen beiden Sprachen), die in wenigen Jahren gewaltige Materialmengen angehäuft haben. Welch ein Gewinn an Freiheit.
Zu diesem Gedicht weiteres Material:
Jueju, No. 2 of 2 (The River’s Blue, The Bird a Perfect White)
Du Fu
江碧鸟逾白 山青花欲燃今春看又过
何日是归年
jiāng bì niǎo yú bái
shān qīng huā yù rán
jīn chūn kàn yòu guò
hé rì shì guī nián
Wort-für-Wort-Übersetzung:
River blue bird exceed white
Hill green flower about to ignite
This spring see again have
What day be return year
Nachdichtung:
The river’s blue, the bird a perfect white,
The mountain green with flowers about to blaze.
I’ve watched the spring pass away again,
When will I be able to return?
This poem is volume (juàn) 228, no. 21 in the Complete Tang Poems (quán táng shī). It is translated on p. 439 of Owen, and p. 86 of Hinton, and as poem 94 in Watson, p. 112, and poem CCCVII in Hung, p. 244.
Günter Eich, selber studierter Sinologe, übersetzt so:
Fremde
Nie war der Fluß so grün, das Weiß der Vögel weißer,
So blau der Berg, das Rot der Blüten heißer,
Und doch vergehts, das Jahr, gleich allen, wies auch brennt,
Und niemand ist, der mir den Tag der Heimat nennt.
In: Lyrik des Ostens: China. München: dtv 1962, S. 92
(vorher bei Hanser, 1958)