Jan Kuhlbrodt sprach mit Asmus Trautsch über Literatur und Musik. Eine gekürzte Version steht im Poetenladen, das komplette Gespräch soll im “Poet” erscheinen. Ein Auszug:
J. Kuhlbrodt: Wenn du schreibst, wie achtest du auf den Rhythmus? Erzähl, wie es bei dir funktioniert, wie der Rhythmus sich quasi ins Gedicht schmuggelt. Ich habe zum Glück keine durchgehend traditionellen Strukturen in deinen Texten entdecken können.
A. Trautsch: Manchmal spiele ich damit. Natürlich lässt einen jedes aus der Romantik vertraute Schema der Verteilung von Akzenten, von Versmaßen, Rhythmen und Reimen die Antennen des Misstrauens ausfahren. Es ist ja gerade, wie ich finde, eine Qualität der zeitgenössischen Lyrik, Homogenität und Gleichmäßigkeit in der Form zu vermeiden. Aber natürlich kann man auch mit den Elementen der Regelmäßigkeit des Rhythmus, der Gegenläufigkeit von natürlicher Silbenbetonung usw. arbeiten. Es ist nicht so, dass ich mir wie in der Nachfolge Hölderlins bestimmte antike Versmaße vornehme, die dann als Schema über dem Gedicht stehen, das habe ich nie gemacht. Den Rhythmus zu finden, ist für mich zum großen Teil eher ein unbewusster Vorgang – oder vielleicht ein Prozess zwischen Unbewusstem und Bewusstsein.
Beim Schreiben eines Verses, bei der Tempostimmung eines ganzen Gedichts, oder, mikroskopisch, bei einer bestimmten Wortkonstruktion ist das Verhältnis von längeren Vokalen, die etwas im Klang verharren, und kurzen, auch gerade mit Konsonanten sehr stark abgekürzt wirkenden Silben, überhaupt auch von Konsonantenhäufung oder Vokalhäufung eine formgebende Kraft, die auf verschiedenen Bedeutungsebenen wirkt: Welches Bild, welche Metapher kann man z.B. durch eine bestimmte auch vom Klang getragene Wortkombination finden, wie entfaltet sich dabei der sound zwischen Vokal und Konsonant und welche Betonungen, welche Intensitätsgrade gibt es, die maßgeblich auf die Imagination zurückwirken? Manchmal merke ich erst im Nachhinein, bei einem Text, den ich geschrieben habe, wie das Verhältnis von ausklingenden Silben oder von kürzeren und abgehackten, man könnte musikalisch sagen: wie das Verhältnis von Dauerwerten und von Artikulationsweisen wie tenuto und staccato verteilt ist. …