Agnes Miegel und „politische Lyrik“
Von Axel Kutsch
Die Agnes-Miegel-Gesellschaft veranstaltet am 11. und 12. März 2011 im niedersächsischen Bad Nenndorf wieder ihre Agnes-Miegel-Tage. Ein zentraler Programmpunkt wird dabei ein Vortrag über jüngere Diskussionen um die Dichterin sein. (agnesmiegel.wordpress.com)
Die aus Ostpreußen stammende und vor allem durch Balladen bekannt gewordene Autorin steht wegen ihrer Nähe zum Nationalsozialismus und Verehrung Adolf Hitlers immer wieder im Kreuzfeuer der Kritik. So wurden inzwischen mehrere Schulen, die ihren Namen trugen, umbenannt.
Agnes Miegel (1879 – 1964) gehört zumindest mit ihren Balladen, die abseits der Moderne entstanden sind, zum Kanon der deutschsprachigen Poesie. Aber es gibt auch eine andere literarische Seite der Dichterin, die gerade in jüngerer Zeit für heftige Debatten gesorgt hat – ihre hymnische Hitler-Lyrik, die einen nicht auszulöschenden Schatten auf das Gesamtwerk wirft. So widmete sie dem Schlächter in ihrem Lobgesang „An den Führer“ aus dem Jahr 1940 unter anderem folgende Zeilen: “Übermächtig/Füllt mich demütiger Dank, daß ich dieses erlebe,/Dir noch dienen kann, dienend den Deutschen/Mit der Gabe, die Gott mir verlieh!“
Die beschwichtigenden Worte der Agnes-Miegel-Gesellschaft, daß man den „grenzdeutschen Patriotismus“ der Dichterin auch heute nicht mit einem Bekenntnis zur nationalsozialistischen Ideologie verwechseln dürfe, wirken wenig stichhaltig, wenn man sich einige Fakten aus finsterer Zeit vor Augen führt: 1933 Mitglied der NS-Frauenschaft und Unterzeichnung des Gelöbnisses treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler, 1939 Entgegennahme des HJ-Ehrenzeichens, 1940 Mitglied der NSDAP. Trotzdem kein Bekenntnis zur NS-Ideologie? Da ist eher der Wunsch der Vater des Gedankens.
Ob es jedoch angesichts der in mehreren Gedichten bekundeten Verehrung für den Diktator und der wohl kaum zu leugnenden Verstrickung in den Nationalsozialismus angebracht ist, mancherorts posthum zur Jagd auf Agnes Miegel zu blasen, scheint mir fragwürdig. Gewiß – ihre Hitler-Hymnen sind widerwärtig. Aber müßten wir dann nicht auch den Stab über Gottfried Benn brechen, der sich den Nazis im April 1933 mit seiner ominösen Rundfunkrede „Der neue Staat und die Intellektuellen“ regelrecht an den Hals geworfen hat?
Benn hat sich allerdings wenig später ins Schneckenhaus der inneren Emigration zurückgezogen, während des Teufels Dichterin eifrig an ihrer Schriftstellerkarriere bastelte. Da sie jedoch keinem direkt geschadet hat und weder rassistische noch judenfeindliche Äußerungen von ihr bekannt sind, sollte man sie nicht in die Hölle moralischer Verdammnis katapultieren. Sie war eine Mitläuferin wie viele Deutsche, von denen ein nicht geringer Teil nach dem Ende des 2. Weltkriegs in Justiz, Kultur, Politik oder Wirtschaft Karriere gemacht hat – eine Mitläuferin mit dem Schatten ihrer literarischen Hitlerverehrung. Der bleibt.