Die katalanische Tageszeitung ARA gibt zusammen mit dem Verlag Edicions 62 in diesem Herbst eine 42-bändige Buchreihe »Els millors poetes catalans del segle XX« [›Die besten katalanisch(sprachig)en Dichter des 20. Jahrhunderts‹] heraus. Begleitend dazu wurde für die Ausgabe vom 11. 9. eine 44-seitige Lyrik-Sonderbeilage mit Beiträgen renommierter Journalisten, Schriftsteller und Literaturwissenschaftler gedruckt.
Jede Woche erscheint ein Band zum Preis von 9,90 Euro (wer die ganze Reihe bestellt, erhält 20% Rabatt, Abonnenten der Zeitung sogar 30%). Zum Auftakt wurde die sehr bekannte Antologia general von Josep Maria Castellet und Joaquim Molas neu aufgelegt. Es folgen 41 Bücher von 33 Autor/inn/en (bei besonders bedeutenden sind es auch mal zwei Bände).
Eine bemerkenswerte Marketing-Idee: Beim Erwerb der gesamten Reihe kann die/der Käufer/in ohne jegliche Zusatzkosten einer Schule ihrer/seiner Wahl eine komplette Sammlung schenken.
Ob dadurch wirklich mehr Lyrik gelesen werden wird? Ein wenig auf jeden Fall, glaube ich, denn wer sich – und sei es aus Prestige- oder Allgemeinbildungsgründen – ein paar Bände sagen wir mal Maragall, Riba, Espriu, Ferrater oder Maria-Mercè Marçal ins Regal stellt (und erst recht, wenn es die ganze Reihe ist), die/der wird dann doch vielleicht eher mal hineinschauen, vielleicht einfach ein Gedicht, das ihr/ihm noch in Gedächtnis ist, nachschlagen oder suchen usw.
Schön finde ich aber darüber hinaus den kultur- und literatursoziologischen Aspekt. Lyrik wird hier offensichtlich weder als marginale Erscheinung gehandelt (obwohl de facto auf zeitgenössischen Poesie-Lesungen in Barcelona oder Lleida im Schnitt kaum mehr Zuhörer anzutreffen sind als in Berlin oder Regensburg) noch als Goldschnitt-Paraphernalium des Bildungsbürgertums oder als Schulpflichtlektüre.
[Natürlich kann man auch Einwände formulieren. Zum Beispiel, dass hier wohl letztlich ein politischer Wille dahintersteckt. Das stimmt, aber dazu kann ich sagen, dass im Koordinatensystem der katalanischen Identität die Lyrik von jeher eine große Rolle gespielt hat (wie natürlich die Sprache überhaupt). Außerdem finde ich es immer noch besser, sich über Gedichte zu definieren als über gewonnene Schlachten. Oder dass die Sammlung nur Autoren umfasst, die bereits gestorben sind. Da denke ich, dass die Herausgeber bewusst die Rangelei vermeiden wollten, die dort (nicht anders als hierzulande) losgegangen wäre.]
Alles in allem eine tröstliche Angelegenheit im Vergleich zu dem, was in #113 vom September vermeldet wird. Und vielleicht kontert die SZ-Bibliothek nun mit den besten oder bekanntesten deutschsprachigen Dichter/inne/n des 20. Jahrhunderts?