Wer Informationen über die mittelalterliche Literaturgeschichte Kleinasiens und der Türkei, vor allem über die türkische Lyrik sucht, braucht Ausdauer und Spürsinn. Lyrik-Übersetzungen aus dem Türkischen erzielen bis heute nur minimale Auflagen und fristen ein Nischendasein. Mit den Wanderderwischen Mevlana, Haci Bektasch Veli und Yunus Emre stellte der Kültürverein historische Leuchttürme türkischer Dichtkunst vor, deren Gedichtformen und -themen auch von heutigen Autoren noch aufgegriffen werden.
Für die gerade nach Kleinasien zugewanderten Turkstämme war das 13. Jahrhundert eine Zeit der politischen Unruhen, Hungerskatastrophen und Kriege. In dieser Atmosphäre entstand eine reichhaltige islamisch-mystische Literatur: Mitreißende Liebesgedichte und gewaltige lehrhafte Epen. Mevlana hinterließ der Nachwelt ein Gedicht mit über 25 000 Doppelversen in persischer Sprache und gilt als der größte der drei Lyriker.
Yunus Emre hingegen war der erste Dichter, der die türkische Sprache für die Lyrik nutzte. Zwar verwendete auch er arabisch-persische Versmaße, seine bekanntesten Gedichte jedoch folgen dem silbenzählenden türkischen Versmaß. / Stefanie Schoene, Augsburger Allgemeine