Die 37 Übungen der Bodhisattvas – verfasst von Gyalse Togme Zangpo – stellen den gesamten Pfad jener dar, die im Sinne des Mahayana nach Befreiung streben. In kurzen Merkversen zusammengefasst, kann man sie als leichtverständliche Übung mit in den Alltag nehmen. Diese fünf Seiten zum Download am Ende des Posts sind im Layout von Visitenkarten, wodurch man diese Sinnsprüche auf passende Kärtchen ausdrucken und ständig bei sich tragen kann. Am Ende dieses Posts findet ihr auch eine Praxisanleitung in „Vier Sitzungen“, durch die ihr euren Geist verwandeln und nachhaltiges Glück für alle Wesen schaffen könnt.
Die Struktur des Textes
Hier nun ein kurzer Überblick über die Struktur der 37 Übungen der Bodhisattvas. Der Text besteht aus drei Teilen:
- Einführung in die Sicht,
- die eigentliche Praxis und
- als Abschluss die Zusammenfassung und Bedeutung des Textes.
Zu Beginn wird dem Bodhisattva des allumfassenden Mitgefühls – Avalokiteshvara – in Form einer Anrufung gehuldigt. Gleichzeitig wird darin auch die Sicht dargelegt. Diese Sicht beschreibt die wahre Natur der Phänomene – den natürlichen Zustand des Geistes – frei von den acht Extremen.
Darüberhinaus findet man die Triade von Sicht, Meditation und Verhalten bereits in Vers 1 und durch die Anrufung wird dies in ihrer Essenz ausgedrückt. Die Sicht ist, dass alle Phänomene ohne Kommen und Gehen sind, d.h. alle Erscheinungen sind wechselseitig bedingtes Entstehen. Das Objekt der Meditation ist das Wohlergehen aller fühlenden Wesen. Das Verhalten drückt sich im beständigen respektvollen Verneigen mit Körper, Rede und Geist aus, was bedeutet, dass sich Praktizierende des Bodhisattva-Pfades nicht über andere erheben, sondern mit den drei Toren dienen.
Die eigentliche Praxis besteht aus zwei Abschnitten:
- vorbereitende Übungen und
- der Hauptteil der Praxis.
Die ersten sieben Verse stellen die vorbereitenden Übungen (Ngöndro) dar. Zunächst erfolgt ein Aufruf zu einer sinnvollen Nutzung dieser menschlichen Geburt. Danach verweist Togme Zangpo darauf, dass es wichtig ist, die gewohnte Umgebung aufzugeben und in Abgeschiedenheit zu meditieren. Auch sollen weltliche Aktivitäten aufgegeben und schlechte Gesellschaft gemieden werden. Um wirklich Befreiung zu erlangen, soll man sich einem spirituellen Freund anvertrauen und Zuflucht zu den Drei Juwelen nehmen.
Der Hauptteil der Praxis beginnt mit der Darstellung der drei Arten von Wesen mit geringer, mittlerer und höchster Erkenntnisfähigkeit. Diese Verse 8 bis 10 handeln vom Aufgeben der unheilsamen Taten, dem Streben nach höchster Befreiung und dem Erzeugen des Erleuchtungsgeistes. Die Verse 9 und 10 behandeln daher auch das wünschende und strebende Bodhicitta.
Anschließend beschreibt Togme Zangpo im Vers 11, wie man sich selbst gegen andere austauscht. Dies ist die Praxis des Tonglen. Dabei werden die weltlichen Dharmas als Praxis herangezogen und zum Pfad gemacht. Beginnend mit Verlust, Leid, Schande und Kritik zeigt Togme Zangpo auf, dass auch Undankbarkeit, Herabsetzung, Verlust oder Wohlstand zur Schulung des Geistes eingesetzt werden können. Auf diese Weise wird die Selbstverherrlichung durch das Festhalten an irrealen Ich-Vorstellungen bereinigt.
In den Versen 20 bis 24 gibt Togme Zangpo Hinweise, wie man Objekte der Anhaftung und Ablehnung als Pfad nutzen kann, wie man im natürlichen Zustand jenseits von Konzepten ruht und wie Objekte der Anhaftung und Ablehnung als illusionär betrachtet werden.
Von Vers 25 angefangen bis Vers 30 wird das tätige Bodhicitta – der handelnde Erleuchtungsgeist – in den Vordergrund gestellt. Großzügigkeit, Disziplin, Geduld, Fleiß, meditative Sammlung und Weisheit sind die Paramitas, jene Handlungen, die jenseits von weltlichen Bezügen sind.
Vers 31 ruft auf, den Dharma nicht nur äußerlich zu praktizieren, sondern seine Bedeutung auch zu verinnerlichen. Nur dadurch lassen sich auch die eigenen Fehler, die durch Verwirrung entstanden sind, auch nachhaltig beseitigen. In Vers 32 spricht Togme Zangpo vom Verhalten in der Mahayana-Sangha und verweist in Vers 33 darauf, dass man auch an Wohltätern nicht anhaften soll. In den Versen 34 bis 36 wird daran erinnert, das verletzende Worte und negative Emotionen aufzugeben sind und das Streben zum Wohle der anderen durch beständige Achtsamkeit zu betonen ist. Als Abschluss der Bodhisattva-Übungen wird im Vers 37 die Bedeutung der Widmung hervorgehoben.
Betrachtet man die 37 Verse von Togme Zangpo, dann erkennt man von Vers 1 bis Vers 8 die Ebene der Pratimoksha (Hinayana) – der individuellen Befreiung – praktiziert. Von Vers 9 bis Vers 37 übt man sich im Mahayana.
Der Abschluss der Verse von Togme Zangpo besteht aus der Zusammenfassung und der Bedeutung des Textes, die insgesamt fünf Abschnitte umfassen:
- die Gründe für das Verfassen des Textes,
- Aufzeigen, dass die Übungen fehlerfrei sind,
- den eigenen Stolz bezwingen und um Verzeihung bitten,
- das Heilsame aus dem Verfassen dieses Textes dem Erlangen der Erleuchtung widmen und
- die vier ausgezeichneten Faktoren (Inhalt, Zweck, Autor und Ort) im Schlusswort.
„Vier Sitzungen“
Nachdem ihr die 37 Übungen der Bodhisattvas auf Visitenkarten (Avery Zweckform; 85×54) ausgedruckt habt, löst die einzelnen Karten heraus und sortiert sie einmal der Reihe nach.
Wenn ihr die Praxis der „Vier Sitzungen“ ausführt, beginnt immer mit der ersten Karte „Begrüßung – Namo Lokeshvaraya!…“ und setzt dann mit der Karte „Das heilige Versprechen“ fort. Ersetzt bei dieser Karte das letzte Wort durch „…praktizieren“. So schafft ihr eine ausgezeichnete Grundlage für die Praxis. Zieht danach eine Karte aus den 37 Übungen heraus und macht das Thema dieser Karte für diesen Tag oder diese Woche zu eurem individuellen Entwicklungsthema.
Teilt euch den Tag in vier Abschnitte – morgens, mittags, abends, vor dem Einschlafen – ein. Lest das auf der Karte beschriebene Thema gut durch und versucht diesen Sinn im folgenden Praxisabschnitt bei allen euren Handlungen zu verwirklichen. Am Ende des Abschnitts nehmt euch kurz Zeit und lasst ihn Revue passieren. Was ist euch nicht so gut gelungen? Was ist euch gut gelungen? Fasst den festen Entschluss, Unheilsames aufzugeben und bereits entstandenes Heilsames zu vermehren. Am Ende des Tages nach der letzten Sitzung reflektiert den gesamten Tag ein letztes Mal und widmet abschließend dann den Verdienst dieses Praxistages. Verwendet dafür die Karte „Mögen alle Wesen durch die Tugend,…“
Ihr könnt euch dann für den nächsten Tag ein neues Thema vornehmen oder länger bei dem bisher gewählten Thema bleiben. Versucht jedenfalls alle 37 Übungen über einen bestimmten Zeitraum zu praktizieren, ohne an einer festzuhalten und eine andere gar nicht auszuüben. Wer mag, kann natürlich die Praxis durch die Rezitation des Mani-Mantras begleiten. Wer diese Praxis 37 Jahre oder 37 Monate oder 37 Wochen oder 37 Tage ausführt und so alle 37 Übungen der Bodhisattvas vollständig praktiziert, wird in Abhängigkeit von der individuellen Kapazität bestimmt das Glück jenseits der Extreme erlangen oder zumindest für alle heilsam und nützlich sein!
Download – BodhisattvaÜbungen_VisitenkartenFormat
…und schreibt auch einmal etwas von euren Erfahrungen…!