36. Umsonst und Draußen Stuttgart 2015
Vater hat ja noch ein paar Tage Kinderfrei und nutzt natürlich gerne die Zeit, sich umzuschauen, auf Veranstaltungen herumzutreiben und mit dem Ein oder Anderen ein Bierchen zu heben
Was liegt also näher, sich das 36. Umsonst & Draußen an der Universität in Stuttgart genauer zu anzuschauen?
Was ist das Umsonst & Draußen?
„Umsonst & Draußen“ ist ein nichtkommerzielles Musik-Festival auf der Uniwiese Pfaffenwald. Das Festival kostet keinen Eintritt, sondern finanziert sich selbst über den Verkauf von Essen und Getränken. Während der drei Veranstaltungstage treten zahlreiche Bands auf. Das Festival fand 1980 zum ersten Mal statt. Alle arbeiten umsonst, die Bands spielen gegen Kostenerstattung, viele Firmen und Läden beliefern das Festival zum Selbstkostenpreis, und wenn die Schlangen an den Bier- oder Saftständen zu lange werden, heißt es warten oder mithelfen.
Vater war also vor Ort und hat sich das Spektakel gegönnt. Neben einem guten Musikprogramm gab es zahlreiche Infostände zu diversen Themen. Allen voran hat es mir in diesem Jahr besonder gut gefallen dass das brandaktuelle Thema „Flüchtlinge“ aufgegriffen wurde. So gab es in einem der Zelte einen Programmpunkt an dem Erfahrungen von Flüchtlingen mit und von Flüchtlingen selbst erläutert und erzählt wurden und wo man eingeladen war sich an der Diskussion zu beteiligen. Ich denke dass es immens wichtig ist einen persönlichen Kontakt zu den Betroffenen herzustellen um sich seine eigene Meinung bilden zu können. In den Medien und durch die Politik nehmen wir in unserem Alltag Schlagwörter auf, deren wir uns unbewußt bedienen. Daher ist der persönliche Austausch mit den Menschen ein immens wichtiges Gut und wertvolles Werkzeug zur eigenen Meinungsbildung. Ich war jedenfalls fasziniert, schockiert und bewegt von den Worten und Berichten die diese Menschen zu erzählen hatten. Von Leid, von Tod, von Familie, Arbeit, Träumen und Flucht aber ebenso dem Verhalten von uns Mitbürgern und Institutionen.
Aber nicht nur ein buntes Unterhaltungsprogramm an Vielfalt und Diskussionen war dort vorzufinden, auch zahlreiche Aktivitäten für Kinder. Es gab ein Kinderprogramm, ein eigens für die Kinder eingerichtetes Zelt und eine Kinderwerkstatt wo fleißig gemalt, gebastelt und gespielt wurde. Nervigen Eltern war der Eintritt nicht gewährt so dass die Kinder vollkommen frei und ungestört spielen konnten. Und das finde ich mal richtig, richtig cool 😀
Aufgrund der Temperaturen liessen sich die Kids (und nicht nur die) es sich auch nicht nehmen eine riesengroße Plane zu bewässern und auf dieser den Berg hinunterzurutschen. Toll!
Das Festival bietet also ein buntes, vielfältiges Publikum das von Toleranz und gegenseitigem Respekt lebt. Es gibt keine „lauten“ Kinder, habe ich so für mich festgestellt – es gibt fröhliche, lauthals lachende und manchmal weinende Kinder. Aber es hat gezeigt dass ein nebeneinander Von Eltern, Kinderlosen, und Kindern selbst absolut kein Problem darstellt.
In unserer Gesellschaft wird es aber leider viel zu häufig zu einem Problem gemacht!
Nunja – Musik gab es auch noch…und was für welche!
Wo soll ich denn nur anfangen? Am Freitag war ich leider noch nicht da, also picke ich mir ein paar Bands von Samstag und Sonntag heraus die bleibenden Eindruck auf mich hinterlassen haben.
Penny Power macht deutschen Power Pop. Irgendwo zwischen emotional und hau-drauf singt, rappt, spricht, ruft und erzählt Penny echte Geschichten aus dem Leben. Der Einfluss liegt irgendwo zwischen Pop, Disco, Hip Hop und Elektro. Jedenfalls animiert es zum Kopf nicken, lauschen und zappeln der Beine.
We are Rinah! Kiez’n’Roll vom feinsten. Die Musik macht echt Laune. Fröhliche Rockmusik mit Balkaneinflüssen. Definitv ein gute Laune Faktor.
Piloten und Piraten machen eine Mischung aus Reggae, Rap, Blues, Funk und Soul. Warum verdammt, hat mir noch nie jemand von der Band erzählt? Sie hat mich eingeladen zum schmunzeln, lächeln, träumen, Kopf nicken, Hüften bewegen und nachdenken. Die Band bringt eine geballte Power auf die Bühne und hatte zumindest mich, vom ersten Moment in ihrem Bann! Wahnsinnig gut! Ihre EP habe ich mir sofort im „Aus-dem-Auto-heraus-Verkauf“ hinter der Bühne ergattert.
Staatspunkrott ist was für Jungs und Mädels unter uns (so wie mich) die es auch mal etwas deftiger mögen. Melodischer Punkrock mit Abgehfaktor und laut muss es sein! Schade dass ausgerechnet bei dieser Band die Wolkendecke zuzog und sich massive Gewitter über dem Festivalgelände entluden so dass das Festival für einige Zeit unterbrochen werden musste. Ich hätte gerne mehr gehört.
The Prosecution – mein absolutes Highlight. Ska-Punk-Rock geballt und wortstark auf der Bühne. Genau das richtige für Freunde der schnell gezupften Tanzmusik! Das war der absolute Knaller – ich finde überhaupt keine Worte die diese Power, diese Melodien, dieses Charisma der Band wieder geben. Das muss man einfach erleben. Melodisch, geile aber auch sozialkritische Texte. Gitarren, Trompeten, Posaunen und eine wahnsinnig einprägende Stimme. Vom ersten Moment weg tanzen die Beine quasi von selbst – und ich bin normalerweise echt ein steifer Hund! Die Platte war natürlich im Anschluss Pflicht!
Fazit des Festivals. Ein unglaublich buntes und vielfältiges Festival wo sich tolle Bekanntschaften schliessen lassen, bunte Vögel zu sehen sind und wo jeder so individuell sein darf wie er möchte. Wo jeder Mensch sein darf, eingeladen und herzlich Wilkommen ist. Solltet ihr mal in den Genuß kommen wollen das Festival zu besuchen und eure Kinder mitznehmen, sind auf jeden Fall Ohrschützer für Kinder empfehlenswert wenn ihr mit ihnen vor die Bühne wollt.
Vielen Dank den neuen Bekanntschaften, vielen Dank all den Helfern und vielen Dank an all die Initiativen die vor Ort waren.
Vielen Dank den Bands und vielen Dank den Flüchtlingen beim Forum Migration für das teilhaben an euren Erfahrungen!
Vielen Dank an das gesamte Orga-Team!
Bis zum 37. Umsonst & Draußen
Bilder vom Festival gibt es hier!
- festival piloten und piraten The Prosecution umsonst & draußen