35. Märtyrer-Kult

Friederike Pannewick erforscht die arabische Literatur – und findet darin nicht nur eine große, hierzulande kaum bekannte ästhetische Kunstfertigkeit, sondern auch gesellschaftliche Einstellungen von aktueller politischer Brisanz. Etwa in diesem Gedicht:

Ein Körper liegt da, hingeworfen zwischen Bergpfaden,
Raubtiere streiten sich um ihn.
Blut überzieht die Erde mit Purpur und macht den Ostwind
Schwer vom Duft des Moschus.
Ein Lächeln umspielt seine Lippen, voll Spott
Über dieses niedere Dasein.

Der palästinensische Dichter Abd ar-Rahim Mahmud verherrlichte den Tod eines Märtyrers 1937, im Kampf gegen jüdische Einwanderer, die in Palästina ihren eigenen Staat gründen wollten. Damals entwickelte sich in der arabischen Welt eine intensive Verehrung für Männer, die für eine gerechte, aber aussichtslose Sache ihr Leben opfern. Der Märtyrer-Kult hält bis heute an, ob in Afghanistan oder Tunesien. Die Wurzeln dafür hat Pannewick, Professorin an der Universität Marburg, im 7. Jahrhundert gefunden. Damals erhob Hussein, der Enkel des Propheten, Anspruch auf Mohammeds Nachfolge und wurde von einer Übermacht seiner Gegner getötet.

“Diese Situation passte wunderbar, strukturell gesehen, für eine Situation wie die der Palästinenser Anfang des 20. Jahrhunderts, als die zionistische Siedlungsbewegung stark wurde und auch gegen das britische Mandat ein fast aussichtsloser Kampf geführt wurde. Also der Märtyrer als eine Figur, die einer sehr stark in die Enge getriebenen Gruppe die Hoffnung gibt, in irgendeiner Form, und sei es transzendental, zu einem Sieg zu kommen, obwohl die politische Situation nahezu aussichtslos ist.”

/ Matthias Hennies, DLR



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