35. Eldenaer Jazz Evenings 2015

Von Lyrikzeitung

Seit nunmehr dreieinhalb Jahrzehnten folgen sowohl Newcomer als auch Pioniere und längst etablierte Größen des Jazz der Einladung nach Eldena. Sie begegnen einander auf Augenhöhe und lassen sich gerne von der besonderen Atmosphäre des Auftrittsorts inspirieren. Keinem bestimmten Genre des Jazz verpflichtet, möchten wir mit jeder neuen Ausgabe der Eldenaer Jazz Evenings ein unkonventionelles und genreübergreifendes Programm bieten. Wir definieren Jazz mit Neugier und Offenheit. Neu interpretierte Jazzstandards gehören für uns ebenso nach Eldena wie zeitgenössische, innovative Strömungen jenseits des Mainstreams.

Dem aufmerksamen Jazzfan wird im Programm der diesjährigen Jazz Evenings aufgefallen sein, dass ein „Schwerpunkt“ des Festivals das „Blech“ ist. Denn was wäre der Jazz ohne das „Blech“, den „Brass“? Zu den charakteristischsten Instrumenten des Jazz gehören zweifellos Trompete, Saxophon, Posaune und Klarinette. Sie alle prägten im ausgehenden 19. Jahrhundert, neben der obligatorischen Rhythmusgruppe, den Klang der Brass Bands, welche gemeinhin als Ursprung des Jazz gelten. Bis heute geben Blasinstrumente im Jazz sinnbildlich den Ton an und das spiegelt sich auch im diesjährigen Festivalprogramm wider: Das LandesjugendJazzOrchester M-V widmet sein Programm bedeutenden Tenorsaxophonisten des Jazz. Die Saxophonisten Silke Eberhard und Wanja Slavin, die vier Posaunisten des Vertigo Trombone Quartets um Nils Wogram sowie der Trompeter Sebastian Studnitzky werden ihren Instrumenten auf unterschiedlichste Art und Weise die vielfältigsten und unglaublichsten Klangfarben entlocken. Die Warschauer Band Jazzpospolita, ein beeindruckender Vertreter der äußerst lebendigen polnischen Jazzszene, setzt indes auch ohne Bläser in seinen Reihen frische Akzente.

Freitag, 3. Juli 2015

Landesjugendjazzorchester M-V & Lutz Büchner
Lutz Büchner (ts)
Michael Leuschner (cond/arr)

Das Landesjugendjazzorchester (LaJazzO) steht synonym für den besten Jazznachwuchs aus ganz Mecklenburg-Vorpommern. Als Projekt des Landesmusikrates M-V e. V. gibt es – gefördert vom NDR und dem Bildungsministerium M-V – den talentiertesten jungen Jazzern unseres Landes eine hervorragende Plattform für gemeinsames Musizieren. Musiker im Alter von 14-26 Jahren haben hier die Möglichkeit, unter professioneller Anleitung das musikalische Zusammenspiel in einem Jazzorchester und die Grundlagen der Improvisation zu erlernen. Vielen, heute erfolgreichen Musikern, diente das Orchester bereits als Sprungbrett.
Unter der Leitung des Trompeters und Jazzdozenten Michael Leuschner ist das LaJazzO zu einem beeindruckenden Klangkörper, einem musikalischen Aushängeschild für Mecklenburg-Vorpommern herangereift und ist regelmäßig im Programm der Festspiele M-V vertreten. Höchste Zeit also, das LaJazzO nach Eldena einzuladen.
Gemeinsam mit dem Solisten Lutz Büchner, einem der profiliertesten Saxophonisten Deutschlands und Mitglied der NDR Bigband, begibt sich das junge Ensemble auf einen Streifzug durch die Jazzgeschichte und präsentiert Werke berühmter Tenorsaxophonisten von Coleman Hawkins bis Michael Brecker. Als besonderen Höhepunkt wird das LaJazzO ein Arrangement von Steve Grey aus dem Archiv der NDR-Bigband zu Gehör bringen.

Jazzpospolita
Stefan Nowakowski (b)
Wojtek Oleksiak (dr)
Michał Przerwa-Tetmajer (g)
Michał Załęski (p/keyb)

Seit ihrer Gründung vor 5 Jahren entwickelte sich Jazzpospolita zu einem der interessantesten Phänomene der alternativen Musikszene Polens. Das hochbegabte Quartett wird zwar vom großen Erbe des polnischen Jazz inspiriert, dennoch lässt sich ihre Musik in keine Schublade einordnen. Mit den Alben „Almost Splendid“ (2010), „Impulse“ (2012) und „Repolished Jazz“ (2013) tourten die vier Musiker bereits europaweit und bestritten mehr als 150 Auftritte. Ihre einzigartigen Kompositionen, welche zwischen Tradition und Moderne changieren, machen den ganz eigenen und unverkenn- baren Sound des Cross-Genre-Quartetts aus Warschau aus. „Jazzpo“, wie sie von ihren Fans genannt werden, begeistern mit ihrer Kombination aus Jazz, Post-Rock und elektronischer Musik ein breites Publikum. Die polnische Tageszeitung Gazeta Wyborcza betitelte schon das erste Album der Band als ein großes Erlebnis – sowohl für Nujazz-Fans als auch für Liebhaber des gut gemachten, ambitionierten Alternative Rock. In Eldena werden Jazzpospolita ihr jüngstes, von der Musikkritik als bislang bestes Werk der Band bezeichnetes, Album „Jazzpo!“ (2014) präsentieren.

Eberhard/Gumpert/Roder/Griener
Silke Eberhard (sax)
Ulrich Gumpert (p)
Jan Roder (cb)
Michael Griener (dr)

Der „Tastenderwisch“, wie Deutschlandradio Kultur den Pianisten Ulrich Gumpert unlängst bezeichnete, gehört schon fast zum Inventar der Eldenaer Jazz Evenings. Über seine Generation hinaus steht Uli Gumpert (Jahrgang 1945) stilbildend als Solitär in der Landschaft des deutschen Jazz, vor allem weil er sich nicht in feste Klangvorstellungen pressen lässt. Kein anderer Künstler trat bislang häufiger im Programm des Eldenaer Jazz Festivals auf. Das Niveau des auch in der europäischen Free-Jazz-Szene bekannten Musikers erreichen nur wenige. Gewürdigt wurde dies allerdings bislang selten, 2005 immerhin mit dem Deutschen Jazzpreis.
Neben der Arbeit mit dem Zentralquartett arbeitete Uli Gumpert in vielen seiner Projekte stets auch mit Vertretern der jüngeren Generation zusammen.
In Eldena wird Uli Gumpert in diesem Jahr von seiner „Haus“-Rhythmusgruppe begleitet: Mit Jan Roder am Kontrabass und Michael Griener am Schlagzeug spielt er mittlerweile seit über fünfzehn Jahren zusammen – so auch beim bislang letzten Auftritt des Altmeisters in Eldena 2008. Hinzu kommt Silke Eberhard.
Mit der Saxophonistin und Klarinettistin, die zuletzt 2013 mit dem Hannes Zerbe Jazz Orchester bei den Eldenaer Jazz Evenings auftrat, wirkt er fasst ebenso lang in der Formation „B3 Spezial“ und auch im Duo zusammen.

Samstag, 4. Juli 2015

Wanja Slavin Lotus Eaters
Andreas Lang (b)
Wanja Slavin (as/cl)
Tobias Backhaus (dr)
Rainer Böhm (p)

Das virtuose und umtriebige Ausnahmetalent Wanja Slavin kommt 2015 auch nach Eldena: Und zwar mit seinem Projekt „Lotus Eaters“, welches nach den Lotophagen, einem von der Welt abgewandt lebendem Volk der griechischen Mythologie benannt wurde. Die Berliner Formation lädt ein zur Reise ins Innere und in eine besondere, ja ferne Welt.
Ihr von melodischer Melancholie geprägter Klang vermittelt „Einsamkeit, Wehmut und Weltschmerz“ (Godehard Lutz). Im Gegensatz zu den Namensgebern verfallen die Lotus Eaters dabei jedoch nicht in Lethargie, sondern verwandeln ihren düsteren Weltschmerz mit kraftvoller Dringlichkeit in faszinierende Musik. Diese ist formal zwar traditionell, dennoch begegnet das Quartett dem Erbe der Jazzgeschichte mit Selbstbewusstsein. Unterschiedliche Stimmungen, Genres und Bilder werden adaptiert, um sie klug und virtuos weiterzuentwickeln. Das klingt mal nach elegischer Klangmalerei, dann aber durchaus wild und kämpferisch im Gestus einer Rockband.
Die Wanja Slavin Lotus Eaters begeben sich eindrucksvoll auf die Suche nach einer aktuellen Form des zeitgenössischen Jazz, welcher die Jazztradition nicht einfach weiterführt, sondern die Entwicklung des Jazz immer wieder um Neues und Wegweisendes bereichert. Mit diesem Konzept konnten sie bereits 2011 die Jury des internationalen BMW Jazz Award überzeugen und erhielten den 2. Preis. Darüber hinaus wurde Wanja Slavin 2014 der ECHO Jazz als „Instrumentalist des Jahres national“ in der Kategorie „Saxophon/Holzblasinstrumente“ zugesprochen.

Vertigo Trombone Quartet
Andreas Tschopp (trb)
Bernhard Bamert (trb)
Jan Schreiner (b,trb)
Nils Wogram (trb)

Im Vertigo Trombone Quartet haben sich vier der kreativsten deutschen und Schweizer Posaunisten – Nils Wogram, Bernhard Bamert, Jan Schreiner und Andreas Tschopp – zusammengefunden. In Eldena präsentieren sie ihr zweites Album „Developing good habits“. Ausschließlich Eigenkompositionen spielend, löst das Ensemble mit ihrer für Posaunen eher untypischen Herangehensweise stilistische Grenzen zwischen Jazz, Klassik und freier Improvisation auf. Dabei kommen technische Brillanz, Ensemblegeist und solis- tischer Einfallsreichtum in der Improvisation zum Zuge.
Das Vertigo Trombone Quartet räumt auf faszinierende sowie herzerfrischende Art und Weise mit dem Klischee der Schwerfälligkeit der Posaune auf. Es gleicht eher einem leichtfüßigen Streichquar- tett, welches alle Besonderheiten dieses vielseitigen Blechblasinstrumentes mit einfließen lässt.
Zeitgenössische Melodiebildung, rhythmische Präzision und die Tiefe des Blues oder einer brucknerartigen Motette verschmelzen zu einem organischen Hörerlebnis. Das macht Vertigo zweifellos zu einem der originellsten Posaunenquartette weltweit, bei dem die Musik und der Einfallsreichtum im Vordergrund stehen.
2013 erhielt Nils Wogram den Albert-Mangelsdorff-Preis (Deutscher Jazz Preis) der Union Deutscher Jazzmusiker.

Sebastian Studnitzky & Berliner Camerata: MEMENTO – orchestral experience
Sebastian Studnitzky (trp/p/comp/arr)
Paul Kleber (cb)
Streicher der Berliner Camerata: Olga Pak (v), Tomoe Imazu (vla), u. a.

Jazz meets classic. Dass das funktionieren kann, haben in den letzten Jahren eine Reihe von Projekten bewiesen. Das aktuelle Programm von Sebastian Studnitzky, in welchem der Pianist, Trompeter und Komponist mit Streichern des Kammerensembles Berliner Camerata musiziert, ist besonders eindrucksvoll und geht unter die Haut.
Studnitzky ist seit jeher als Wanderer zwischen den Genres Jazz, Klassik und Elektro bekannt. Mit MEMENTO bringt er jedoch seine Vielseitigkeit und stilistische Aufgeschlossenheit eindrucksvoll auf den Punkt. Im Zusammenspiel mit Paul Kleber und dem Kammerensemble zelebriert er sein faszinierend emotionales Spiel an Trompete und Klavier und setzt sich damit wohltuend vom gängigen Klassik-Jazz-Crossover ab. Er kreiert eine Musik, die zu kantig ist für Pop, zu emotional für Jazz, zu üppig für Elektro und zu groovig für Avantgarde. Sebastian Studnitzky erhielt in diesem Jahr den ECHO Jazz als „Instrumentalist des Jahres national“ in der Kategorie „Blechblasinstrumente/ Brass“.
Wie wenige andere Instrumentalisten seiner Generation ist Sebastian Studnitzky weltweit präsent. Aktuell ist er auf den Aufnahmen von Nils Landgrens Funk Unit, Jazzanova, Wolfgang Haffner, Nightmares On Wax, Moritz von Oswald, Mezzoforte, Dominic Miller u.v.m. zu hören. Das durch junge Berliner Musiker um die Geigerin Olga Pak gegründete Kammerorchester Berliner Camerata hat sich durch sein exzellentes und erfrischendes Spiel einen ausgezeichneten Ruf und einen vorderen Platz unter den Kammerorchestern Deutschlands erworben. Das Experimentieren mit dem Repertoire, den Konzertorten und -formaten gehört zum Selbstverständnis des Orchesters.

3. & 4. Juli 2015
Klosterruine Eldena, Greifswald

Einlass: 19 Uhr, Beginn: 20 Uhr

Tageskarte: 30 Euro (erm. 22 Euro)
Festivalkarte: 45 Euro (keine Ermäßigungen)

VVK: Stadtinformation Greifswald, RESERVIX

Weiter Informationen auf http://www.eldenaer-jazz-evenings.de.