33. Was reimt auf Braissn?

Von Lnpoe

Eine Inspirationsquelle für Achleitner ist das Schnadahüpfel oder Gstanzl. Seine normierte Form lädt zum Spielen ein. Bekanntlich hat Artmann, offenbar von solchen Formexperimenten fasziniert, Edward Lears Limmericks [auf Limerick reimt sic, MG] übersetzt. Im Schnadahüpfel und im Gstanzl treffen, wie im Limmerick, anarchische und regulative Elemente auf einander. Sie öffnen sich dem Nonsens, der ja als solcher nur empfunden wird, weil er unseren Erfahrungen widerspricht, und werden – durch ihre Form und durch die gesungene Melodie – zum Ritual. Hinzu kommt die Vorliebe der Gattung fürs Fäkalische. Bei Achleitner klingt das so: „jo, jo dö braissn / dö frössn und schaissn / dö boan kinnans aa / owa aonö draraa“.

Den Band, der Arbeiten seit 1955 vereint, schließt eine „innviaddla liddanai“ ab, die über 55 Seiten hinweg dem Muster einer Gstanzl-Variante folgt, in der jeder zweite Vers „sagt er“ (bei Achleitner: „sogd a“) lautet. Eine Kostprobe: „mid dö schuach / sogd a / kaosd guad lauffm / sogd a / owa zeaschd / sogd a / muas das kauffm / sogd a“.

Man sieht: Avantgarde kann höchst amüsant sein. Kinder sind mit ihren Abzählreimen ganz nah dran an diesem spielerischen Umgang mit Sprache, ehe er ihnen zugunsten eines scheinbaren Tiefsinns ausgetrieben wird. Sie könnten zur Erkenntnis gelangen, dass Achleitners gesammelte Dialektgedichte zu den wichtigsten heimischen Neuerscheinungen des Jahres gehören. / Thomas Rothschild, Die Presse 5.11.

Friedrich Achleitners Band „Iwahaubbd“ versammelt Achleitners Dialektpoeme seit 1955.