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„Rücksichtsvolles Miteinander noch im größten Gedränge – recht beeindruckendes Völkchen, diese Christen.“ evangelisch.de
© Stefan Scherer
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Dieser Satz eines offensichtlich keiner Glaubensgemeinschaft angehörenden Einwohners Dresdens hat mich bei den bisherigen Presseartikeln über den 33. evangelischen Kirchentag spontan angesprochen, denn spannt er doch einen weiten Bogen von der Gegenwart bis in die Zeit von Jesus Christus: auch damals dürften viele Einwohner des Heiligen Landes Ähnliches über Jesus und die ihm Folgenden gesagt haben: „Recht beeindruckendes Völkchen, diese Christen“.
Und auch wir, d.h. meine Frau, mein schsjähriger Sohn und ich, waren Teil des „beeindruckenden Völkchens“ in den letzten 2 Tagen. Allerdings haben wir natürlich ganz andere Schwerpunkte in den insgesamt 3 Tagen, die wir in Dresden waren, gesetzt, als diejenigen, die nicht mit einem Vorschulkind am Kirchentag teilnehmen. Aber trotzdem (oder gerade deswegen) nehmen wir wichtige Erfahrungen, Gefühle und Anregungen von dort mit – doch der Reihe nach.
Dresden an sich ist ja schon eine beeindruckende Stadt, und da mein Sohn sie noch gar nicht kannte und meine Frau die restaurierte Frauenkirche ebenfalls noch nicht gesehen hatte, reisten wir schon am Dienstag ins „Elbflorenz“.
© Stefan Scherer
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Dort mittags angekommen, haben wir erst einmal die Altstadt und die Fussgängerzone unsicher gemacht – Touristenprogramm eben. Das Elbensemble selbst ist für einen kleinen Burschen wie Max natürlich weniger interessant, doch die ehemalige Hofkirche und heutige Kathedrale und natürlich die Frauenkirche einschliesslich der für ihn ein wenig gruseligen Unterkirche haben schon erheblichen Eindruck hinterlassen.
Soll ich erwähnen, dass auch der Zug durch die neue Einkaufspassage direkt am Altmarkt erfolgreich verlief? Nun, seit dem Besuch des dortigen „Apple-Stores“ sind auch Frau und Kind der festen Überzeugung: iPad ist cool! Spätestens zu diesem Zeitpunkt war der Tag auch für Papa ein voller Erfolg (und noch war ja nicht Kirchentag…).
Der Mittwoch begann grau und mit Sprühregen – doch war vielleicht dies von höherer Stelle durchaus gewollt – dazu aber später mehr.
Wir entschlossen uns, eine grosse Stadtrundfahrt einschliesslich Auffahrt mit der Drahtseilbahn vom „Blauen Wunder“ auf den „Weissen Hirsch“ und Rückfahrt auf der Elbe zu den Elbterrassen zu unternehmen. Eine weise Entscheidung, denn der Regen hörte noch während der Busfahrt auf, und so gewannen wir einen sehr schönen Eindruck von einer wunderschönen Stadt, der allerdings die letzten 70 Jahre schlimme Wunden zugefügt haben – eine nachdenklich machende Sicht, die einem dort vermittelt wird.
Das „Blaue Wunder“ – die grosse stählerne Brücke über die Elbe – und die Auffahrt mit der Drahtseilbahn zum Villenstadtteil „Weisser Hirsch“ waren natürlich für Max besondere Erlebnisse, denn solche technischen Meisterwerke faszinieren kleine Jungen besonders (und grosse Jungen auch, wenn ich ehrlich bin), da war dann die anschliessende Fahrt auf der Elbe zurück in die Stadt sozusagen das Sahnehäubchen, auch wenn wir eines der modernen Schiffe „erwischten“ und uns so für unseren nächsten Aufenthalt in Dresden die „echte Dampfschifffahrt“ noch vorbehalten müssen.
In der Altstadt herrschte bei unserer schon reges Treiben, der Aufbau für die abendlichen Veranstaltungen war in vollem Gange und eine gewisse freudige Erwartung machte sich überall breit. Wir entschlossen uns ziemlich spontan, nicht wie geplant am Gottesdienst in einfacher Sprache auf dem Altmarkt teilzunehmen (der aber, wie der oben verlinkte Presseartikel berichtet, sehr schön gewesen sein muss), sondern wir liefen über den Fluss auf die der Altstadt gegenüberliegenden und einen faszinierenden Gesamtblick bietenden Elbwiesen, um dort den Zentralgottesdienst mit zu feiern – für uns eine gute Entscheidung, denn wir waren sehr früh da, fanden sehr gute Plätze auf dem Grashang zentral vor der Bühne und genossen ein hervorragendes Vorprogramm sowie einen sehr emotionalen Gottesdienst, der auch neben vielen bewegenden (mindestens) einen magischen Augenblick hatte (Klick):
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Keine Frage, die Menge an Menschen, die zusammen Gottesdienst feiern, die vielen Posaunen, die Musik, die Stimmung, all dies ist schon an sich anrührend und faszinierend. Aber das allein war es nicht.
Als Kirchentagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt unter großem Beifall den 33. Deutsche Evangelischen Kirchentag eröffnete, sagte sie. „Dass wir so viele sind, liegt an der Stadt Dresden und ihren Menschen“. Und viele seien gekommen, „weil die Fragen drängen, weil es uns wirklich ernst ist mit dem Atomausstieg“. In diesem Augenblick wurde der Beifall noch lauter, und die Posauenen erklangen, um dieser Botschaft Nachdruck zu verschaffen. Ein bewegender Augenblick!
Auch die Ansprachen von 2 Katholiken haben mich bewegt, weil ich ihren Inhalt sehr überraschend fand: Da war zunächst Bundespräsident Christian Wulff, der mit Blick auf die christliche Minderheit in Sachsen betonte, dass es nicht darum geht, in der Mehrheit zu sein, sondern vielmehr darum, sich gegenseitig zu unterstützen und Mut zuzusprechen. Auch wünschte er sich stärkere ökumenische Signale und mehr Mut der Konfessionen „aufeinander zuzugehen, mehr gemeinsames Handeln und Beten“.
Der katholische Bischof Joachim Reinelt (Dresden-Meißen) sagte hierzu etwas noch viel Bewegenderes (was allerdings in der offiziellen Wiedergabe seines Grusswortes nicht enthalten ist - Klick): er wünsche sich, irgendwann einmal ein Banner zwischen der hinter ihm liegenden (evangelischen) Frauenkirche und der (katholischen) Hofkirche zu sehen, mit dem die Wiedervereinigung der Kirchen gefeiert werde: starke Worte für einen katholischen Bischof!
Aber richtig angekommen war das Herz der Christen in Dresden an einem anderen Augenblick: als Frau Göring-Eckhardt in ihrer Eröffnungsrede von dem Licht sprach, dass nun in Dresden sei, da brach plötzlich die Sonne durch den grauen Himmel und für wenige Augenblicke wandten sich alle Gesichter fröhlich lachend dem Himmel zu: 55.000 Menschen genossen die plötzliche Wärme der Frühlingssonne. Zum Weinen schön!
Der anschliessende Abend der Begegnung war für uns naturgemäss recht kurz, denn ein kleiner Junge musste nach über 12 Stunden ins Bett, sodass ich ausser der Freude, der Wärme und der Hilfsbereitschaft der vielen Menschen in Dresden hierzu wenig berichten kann – die Zeitungen sind ja voll von Berichten über die spontanen Feiern und insbesondere die Lichterkette – die wir sicherlich gerne gesehen hätten.
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Der Donnerstag (auch noch mein Geburtstag!) begann, was den Kirchentag betrifft, mit einer kleinen Enttäuschung: Naiv, wie wir so sind, kamen wir leicht verspätet zum 10:00 Uhr – Gottesdienst – und fanden deswegen keinen Eingang mehr in die völlig überfüllte Kirche. Doch, Alles im Leben hat 2 Seiten, bei wunderschönem Frühlingswetter sind wir dann noch einmal durch die Altstadt gelaufen – und trafen direkt vor der Hofkirche auf die „Vocal Prayerz“ (Vocal Prayerz). Ein ausgeprochen coole Rap-Truppe – manchmal in den Beats für jemanden wie mich etwas zu hart, aber mit Texten, die tief ins Herz gehen. Unbedingt anhören!
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Danach sind wir zum Deutschen Hygienemuseum aufgebrochen und haben dort ausgiebig am Kinderprogramm des Kirchentages teilgenommen – es war unübersehbar und für kleine Menschen praktisch unfassbar gross. Wir haben uns einige Dinge herausgesucht, und insbesondere die Mitmachaktionen und die Vorführungen der Indianer haben unseren kleinen Mann begeistert.
Dort im biblischen Dorf hatte ich übrigens ein lustiges Erlebnis der besonderen Art – wobei man bedenken muss, dass ja eines der Ziele der dortigen Aktionen war, den Kindern dort einfaches, biblisches Leben hautnah zu zeigen: als Max dort mit Hingabe seinen Brotteig ausrollte, rauschte eine Mutter mit ihrer ebenfalls etwa sechsjährigen Tochter vorbei. Die Kleine quengelte, sie wolle auch da mitmachen, doch die mit allen Insignien der modernen Kunststoffgesellschaft ausgestattete Mama (Tupperware und Jack Wolfskin dürften eigene Rabattkonten für die Dame eingerichtet haben) zog das Mädchen nur weiter mit den Worten: „Du isst jetzt erst einmal etwas Vernünftiges, und darfst Du noch das Brot da backen. Nun, was es wohl anstatt des selbstgebackenen Fladen gegeben hat? Fruchtzwerge? Jedenfalls dürfte der Lerneffekt bei der Kleinen durch den Einsatz ihrer Mutter relativ gering gewesen sein…
Max jedenfalls hat sein Brott mit Hingabe gerollt, gebacken und gegessen, er hat gegen Papa Fischememory gespielt, Nüsse geknackt, Geschichten angehört, und, und, und – bis er ziemlich platt war.
Doch an meinem Geburtstag und – vor allen Dingen – an Christi Himmelfahrt wollten wir trotz der aufkommenden Müdigkeit schon noch an einem Gottesdienst teilnehmen: also auf zum ökumenischen Festgottesdienst in Fussballstadion.
Er war ausgesprochen schön, beeindruckend, überwältigend – wunderschönes Wetter, Tausende von Blasinstrumenten kamen zum Einsatz, insgesamt 10.000 Teilnehmer, wunderschöne Lieder, eine beeindruckende Tanzdarbietung und erneut ein Bekenntnis zur Ökumene. “Einheit in Gott macht glücklich… Wir sollten uns keine Schonzeit in der Ökumene gönnen und als Zeugen Christi genießen, was uns eint!“ so sagte es der katholische Bischof Joachim Reinelt.
Zuvor hatte Bischof Dr. Markus Dröge aus Berlin darauf hingewiesen, dass die ersten Christinnen und Christen sich nach der Himmelfahrt des auferstandenen Herrn nicht verlassen, sondern von Kraft erfüllt gefühlt hatten. Der Macht und der Stärke Gottes sollten auch die Gläubigen heute mehr zutrauen als den zerstörerischen Mächten dieser Welt, mahnte er die Anwesenden. „Weil ich an die Himmelfahrt Jesu glaube, glaube ich auch an die Zukunft der Ökumene. Jesus sitzt zur Rechten Gottes und ist für alle da!“, ermutigte Dröge (Klick).
Danach war dann aber tatsächlich Schluss für uns mit Kirchentag – während insbesondere die jugendlichen teilnehmer schpn das Stadion belagerten, um sich die besten Plätze für das anstehende Konzert der „wise guys“ zu sichern. Nun, wir beendeten mit einem angenehmen Essen und einer schnellen Heimfahrt unseren Ausflug zum 33. evangelischen Kirchentag in Dresden.
Was nehme ich von dort, von diesem „Massenevent“ mit:
- Beeindruckende Momente, sehr nette Begegnungen, Wärme, Herzlichkeit, Freundlichkeit – und die Magie des Augenblicks (für den Einen sicherlich Zufall, für den anderen ein kleiner Fingerzeig Gottes, frei nach dem Motto, welches auf einem T-Shirt stand: „Atheismus kann doch jeder!“).
- Kirche ist jung, jedenfalls auf dem Kirchentag: nicht nur die unzähligen Pfadfinder, die in bewunderswerter Weise die Organisation eines solchen Kirchentages mit über 120.000 Teilnehmern möglich machen, auch die Anzahl der jungen Besucher ist riesig. Wir müssen dringend daran arbeiten, diese jungen Menschen nicht nur zu den Kirchentagen, sondern auch inein in unseren Gemeinden bringen.
- Und daher auch meine Idee: ein Gottesdienst bei uns in der Region, aber vielleicht auch im Kirchenkreis für Junge und Junggebliebene mit den „VocalPrayerz“ – denn, wie heisst eine der Liedzeilen (der ansonsten deutsch rappenden Truppe): „Jesus is style!“ Auf dem Kirchentag ist dies tatsächlich so!
- Eine Stärkung meines Glaubens. Natürlich wird man immer mal schief angesehen, wenn man sich zu „den Christen“ bekennt. Doch darüber kann ich (inzwischen) sehr locker stehen. Allerdings, manchmal zweifelt man an seinem Glauben, hadert mit sich und seinem Gott. Und da ist es umso schöner, wenn es diese Augenblicke gibt, in denen man nicht nur nach der Stärke in seinem Glauben sucht, sondern wahre Lebensfreude darin findet.
Ja, vielleicht sind wir es wirklich: ein „recht beeindruckendes Völkchen, diese Christen.“
Und falls auch Sie noch ein bisschen schauen wollen: Der Kirchentag dauert noch bis Sonntag! und in vielen Gemeinden gibt es am Sonntag den Abschlussgottesdienst anszuschauen, so zB. in unserer Kirchenregion in der Kirche in Eime; raten Sie mal, wenn Sie dort finden werden. Und denken Sie ein wenig nach über das Motto des Kirchentages (und lesen Sie vielleicht einmal die vollständige Textstelle (Klick): …da wird Dein Herz auch sein.