Elizabeth Stride und Catherine Eddowes, das sogenannte „Doppelereignis“ (Double Event, nach einem Ausdruck, den eine anonym an die Polizei geschickte Postkarte, angeblich vom Mörder, benutzt hatte). Beide Prostituierte wurden in der gleichen Nacht, nicht einmal eine Stunde und eine Meile voneinander entfernt, vermutlich durch Jack the Ripper getötet.
Die Morde an Polly Nichols und Annie Chapman hatten zu Unruhe im East End geführt. Ein Mob stürmte das Polizeistation an der Commercial Road, weil man dachte, der mutmaßliche Mörder wäre dort. Ohne wirklichen Verdacht wurde der jüdische Schuhmacher John Pizer, genannt „Leather Apron“ (Lederschürze) festgenommen, einzig aus dem Grund, dass er ein wegen einem Messerdelikt vorbestrafter Jude war. Das Gerücht ging um, die Morde seien jüdische Ritualmorde, und es kam zu antisemitischen Demonstrationen. Als die Nacht des 30. September vorüber war, hatten die Judenfeinde weitere Munition bekommen.
Elizabeth Stride
Elizabeth Stride wurde 1843 als Elizabeth Gustafsdotter in Schweden geboren. Bereits mit 21 Jahren war sie bei der Göteborger Polizei als Prostituierte registriert, war zweimal wegen Geschlechtskrankheiten behandelt worden und hatte eine Totgeburt. 1866 zog sie nach London um, vermutlich als Dienstmädchen bei einer Familie. Sie heiratete den Schiffszimmermann John Thomas Stride drei Jahre später. Elizabeth und ihr 13 Jahre älterer Mann betrieben einige Jahre lang ein Kaffeehaus im East End. Doch 1877 landete Elizabeth im Arbeitshaus, nachdem sich das kinderlose Paar vermutlich getrennt hatte. Sie verdiente sich fortan ihren Lebensunterhalt mit Näharbeiten, Putzen und Gelegenheitsprostitution. Dabei lernte sie sogar jiddisch, vermutlich, weil sie auch für Juden arbeitete. Sie lebte mit einem Hafenarbeiter zusammen, aber verließ ihn wenige Tage vor ihrem Tod.
Ihr Spitzname war Long Liz, dieser entstammte wohl entweder ihrer Größe, ihres langen Gesichts oder dem Namen Stride (engl. für langer Schritt).
Catherine Eddowes
Catherine Eddowes wurde 1842 in Wolverhampton als eins von zehn Geschwistern geboren. Mit 13 verlor sie ihre Mutter, mit 15 ihren Vater. Sie bandelte um 1862 mit einem ehemaligen Soldaten, Thomas Conway, an, und das Paar bekam eine Tochter und zwei Söhne. Doch Catherine begann, zu trinken und verließ ihre Familie 1880 und zog nach Whitechapel. Sie lebte mit einem neuen Lebensgefährten in einer Armenunterkunft und verdiente sich die Miete durch Gelegenheitsprostitution. Die Trennung von Conway muss unschön gewesen sein, denn um den Kontakt zu Catherine zu vermeiden, bezog Conway seine Armeepension unter falschem Namen und hielt die Wohnorte ihrer Söhne vor ihr geheim. Catherine trug jedoch noch immer seine Initialen als Tätowierung auf ihrem Unterarm.
Catherine wurde als klein (etwas über 1,50m), dunkelhaarig und dunkeläugig beschrieben. Sie soll intelligent gewesen sein, aber auch ein unkontrolliertes Temperament gehabt haben. Außerdem sang sie ständig.
Die Nacht des Doppelereignisses
Elizabeth Stride wurde den Abend über immer wieder mit mutmaßlich verschiedenen Männern gesehen. Zwei Arbeiter, die sie mit einem Mann sahen, warnten sie gegen 23 Uhr sogar davor, ihr Begleiter sei „Leather Apron“, also der mutmaßliche Mörder. Etwa eineinhalb Stunden später sah Israel Schwarz Elizabeth in der Toreinfahrt zum Dutfield’s Yard in der Berner Street, dem späteren Tatort. Sie sprach mit einem Mann, der daraufhin versuchte, sie in die Toreinfahrt zu ziehen und sie dann zu Boden schleuderte. Auf der anderen Straßenseite stand ein weiterer Mann, der Schwarz als „Lipski“ beschimpfte. Israel Lipski hatte im Jahr zuvor eine Frau ermordet, und sein Name war ein Schimpfwort für Juden. Schwarz ergriff die Flucht, und der zweite Mann folgte ihm noch eine Weile.
Keine halbe Stunde später, gegen 1 Uhr, wurde die Leiche von Elizabeth Stride in Dutfield’s Yard gefunden. Louis Diemschutz, der Kellner eines nahen Clubs war mit einem Karren in den dunklen Hof gefahren. Er sagte später aus, er habe den Eindruck gehabt, dass sich noch jemand in dem Hof aufgehalten habe. Das könnte der Mörder gewesen sein, denn Elizabeth war erst wenige Minuten zuvor getötet worden. Ihre Kehle wurde durchgeschnitten, aber keine weiteren Verstümmelungen wurden ihr zugefügt. Manche vermuten deshalb, dass sie kein Opfer des Ripper gewesen war. Eine weitere Erklärung könnte sein, dass Diemschutz den Mörder bei seiner Tat gestört hatte. Auf jeden Fall muss die Tat schnell gegangen sein. Elizabeth hatte noch immer ein Päckchen mit Dragees in der Hand.
Ebenfalls um 1 Uhr wurde Catherine Eddowes aus der Ausnüchterungszelle der Polizeistation Bishopsgate entlassen. Sie war um 20.30 Uhr sturzbetrunken in der Aldgate High Street gefunden worden. Sie hatte zur Freude der umstehenden Passanten erst ein Löschfahrzeug imitiert und sich dann zum Schlafen auf den Gehweg gelegt. Als sie nun die Station verließ, bog sie nicht rechts ab, auf den kürzesten Weg zu ihrer Unterkunft in der Flower and Dean Street. Stattdessen ging sie nach links, wieder Richtung Aldgate. Wahrscheinlich, um weiter zu trinken. Die Entscheidung, die sie ihr Leben kostete. Um 1:35 Uhr wurde sie an der Passage zum Mitre Square gesehen, wie sie mit einem Mann sprach. Dieser Mann war vermutlich der Ripper. Denn Catherine wurde zwischen 1:35 Uhr und 1:45 Uhr im Mitre Square ermordet.
Wenn man annimmt, dass der Mörder bei Elizabeth Stride gestört worden war und sein „Werk“ nicht zu Ende bringen konnte, konnte er dies nun nachholen. Ähnlich wie Annie Chapman wurde Catherine Eddowes‘ Kehle durchgeschnitten, ihr Bauch geöffnet und ihre Eingeweide über ihrer Schulter platziert. Ihr Gesicht wurde mit zahlreichen Schnitten entstellt. Ihre halbe Gebärmutter sowie eine Niere fehlten. Ob dazu anatomische Kenntnisse vonnöten waren oder nicht, führte bereits damals zu geteilten Meinungen unter den Medizinern.
Konsequenzen einer Nacht
Um etwa 3 Uhr wurde in der Goulston Street, etwa 500 m vom Mitre Square entfernt, ein blutiges Stück Stoff gefunden, das von Catherine Eddowes‘ Schürze stammte. Darüber war an der Wand das mit Kreide geschriebene Goulston-Graffito zu lesen: „The Juwes are the men that will not be blamed for nothing.“ Was genau es bedeutet und ob es wirklich vom Mörder stand, darüber scheiden sich die Geister. Als Commissioner Charles Warren gegen 5 Uhr vor Ort war, befahl er, das Graffito zu entfernen, aus Sorge, es würde zu antisemitischen Ausschreitungen führen.
Als die Mordopfer untersucht wurden, muss der Polizei ein Brief eingefallen sein, der wenige Tage zuvor an sie geschickt worden war. Es war der sogenannte „Dear Boss“-Brief, in dem der vermeindliche Mörder sich selbst den Namen Jack the Ripper gab. Die Polizei bekam ständig Briefe von angeblichen Mördern, doch dieser stach heraus, da er ankündigte, beim nächsten Mal seinem Opfer das Ohr abzuschneiden. Und genau das hatte der Ripper bei Catherine Eddowes zumindest versucht.
Am nächsten Tag traf in der Central News Agency eine blutbeschmierte Postkarte ein (die sogenannte „Saucy Jack“-Postkarte), in der Jack the Ripper sich zu dem Doppelmord der vorherigen Nacht bekannte. Am 16. Oktober bekam dann George Lusk, der Vorsitzende der Bürgerwehr aus Whitechapel ebenfalls unschöne Post: Ein Päckchen, das eine menschliche Niere enthielt, sowie einen Brief, der „From hell“ als Absender enthielt. Der Absender behauptete, er habe die zweite Niere gebraten und gegessen. Es wurde angenommen, dass es die Niere von Catherine Eddowes sei, was natürlich zur damaligen Zeit nicht festgestellt werden konnte.
Elizabeth Stride wurde am 6. Oktober auf dem East London Cemetary, Catherine Eddowes am 8. Oktober auf dem City of London Cemetary beigesetzt.
Quellen:
https://en.wikipedia.org/wiki/Elizabeth_Stride
https://en.wikipedia.org/wiki/Catherine_Eddowes
http://www.jacktheripper.de/opfer/stride/
http://www.jacktheripper.de/opfer/eddowes/