30. November 2010, Über Sport, Mord und andere kriminelle Tätigkeiten, 5.52 Uhr

Von Guidorohm

Kaffee, Zigarette, der erklärt mich doch für verrückt, denkt man sich, und sage es auch zu Remus, der sich derweil am Balkongeländer entlang hangelt, Morgensport, keucht der Remus, der Atem klebt ihm wie eine Wolke vor dem Maul, er kann kaum noch sprechen, will mir aber irgendwie klar machen, der Sport sei eine wichtige Angelegenheit für den menschlichen Körper, klar doch, pah, schau dir doch mal die Sportler an, sage ich zu Remus, ich muss mich über das Geländer beugen, der Remus versucht zu mir nach oben zu sehen, da kannst du nicht mal dein Gegenüber richtig ansehen, sage ich zu ihm, sieh dich doch mal an, jämmerlich, ich lasse ihn hängen und geh in die Wohnung zurück, jetzt erst mal einen Kaffee, denke ich, der Rechner läuft hoch, das Bild flackert auf, Mails abrufen, Alfred Harth hat ein hinterlassen, Winke, Winke, ich betrete mein Gesichtsbuch, wer ist denn so online, denke ich, online, jaja, online, wir sind online oder offline, am Ende dann DEADLINE, Toth, da heißt einer Toth, kann doch kein Zufall sein, ich will es gerade dem Remus erzählen, denn die Seraphe schläft noch, die will ich jetzt nicht einfach wecken, obwohl das natürlich schon ne Meganachricht ist, der Toth ist online, das würde ich ihr schon gern erzählen, stürme aber auf den Balkon, weißte wer online ist, brülle ich in die Nacht hinaus, mpfh, antwortet der Remus, jaja, denke ich, Sport macht aus den Menschen Schwachköpfe, also lasse ich ihn weiter tüchtig den Körper ertüchtigen, am Ende wird er als hirnloser Zombie vor meiner Tür stehen, ich kann es ihm ja auch noch später erzählen, so eine Nachricht kann zur Not auch warten, wäre doch was für WIKILEAKS, müsste es nur als Geheimdokument deklarieren, überhaupt müsste ich meine ganze verdammte und verfluchte SauLiteratur in WIKILEAKS unterbringen, da müsste nur genug Brisantes drin stehen, ich könnte mir ja ein Lager im Keller erfinden, darin sitzen die deutschen Literaturkritiker, gefesselt und sabbernd, also ganz so wie man sie aus ihrem Alltag kennt, jaja, das könnte klappen, oder ich spiele denen Gerüchte über die Nachbarschaft zu, ich überlege, was der Remus so treibt, ob der noch an seinem Balkon hängt, ist ja mein Balkon, nicht seiner, der lebt hier zur Kopfuntermiete, der kann schneller hier raus fliegen, als ich mir das träumen kann, und weil ich jetzt meinen Remus neben mir haben will, gebe ich ihm eine Klaps auf die Schulter, mpfh, sagt der schon wieder, was soll das heißen, so kann ich dich nicht gebrauchen, sage ich ihm, und im nächsten Augenblick überfalle ich ihn mit einen Sturzbach aus Worten, Anfängen, die abbrechen, und überhaupt, fahre ich ihn an, die Iris Nebel hat sich eingesperrt, draußen ist es viel zu kalt, ne Arschkälte ist das, das hält doch keine Sau aus, heule ich auf, er beruhigt mich, da ist er wieder, der alte Remus, ich spendier ihm einen Kaffee, wir schlürfen und sabbern, grinsen blöd ins Zimmer rein und reden schon von der nächsten Zigarette, denn die kommt bestimmt, kein Sport mehr, ermahne ich den Remus, er sichert es mir feierlich zu, guter Remus, sage ich, guter Remus, auf die Art werden wir beide auch alt.