Wie haben wir Biermanns legendäre „Drahtharfe“ geliebt, jene ersten, bei Klaus Wagenbach veröffentlichten Balladen, Lieder und Gedichte aus eigener Feder! Sein entschiedenes „Warte nicht auf bessre Zeiten“ und die „Ausbürgerung“ aus dem verhassten DDR-Staat nach seinem berühmten Kölner Konzert 1976 machten den Liederdichter zur Identifikationsfigur des Zorns. Pegasus bleibt auch im Umgang mit den Texten anderer ungezähmt und bissig. Getreu seinem einst als Heine-Professor an der Universität Düsseldorf verkündeten Motto: „Eine Nachdichtung kann nie so gut sein wie das Original – wohl aber besser!“ heftet er dem trostlos durch abendliche Winterkälte trottenden Gaul des Amerikaners Robert Lee Frost in seiner deutschen Fassung von „Stopping By Woods On A Snowy Evening“ etwas an, was es im Original nicht gibt: einen Refrain. Dem Russen Bulat Okudshava dichtet das Schlitzohr gar die gesamte dritte Strophe des bekannten Liedes „Ach die erste Liebe“ dazu. Was als melancholisches Liebeslied beginnt, wird bei Biermann zum bitterbösen politischen Gesang, der die Entwicklung vom Verräter aus Schwäche bis zum Mörder skizziert. / Dorothea von Törne, Die Welt
Wolf Biermann: Fliegen mit fremden Federn. Hoffmann und Campe, Hamburg. 528 S., 26 Euro.