3 Wochen Indien: Warum nicht?!

Von Katerwolf

noch immer etwas tiger-gefrustet starteten wir am nächsten morgen nach bundi. das ist, grobe richtung, weiter westlich. von agra, unserer ersten etappe aus bewegten wir uns zunächst immer in südwestlicher richtung, dann langsam hoch, richtung norden und wieder gen osten, zurück nach delhi. wir haben also in etwa einen kreis beschrieben. ich weiß jetzt, warum es rundreise durch rajasthan heißt *schlau guck*.

mein magen war noch immer völlig durcheinander und ich frühstückte vorsichtig 1 scheibe toast mit gummibärchenmarmelade. leider muss ich sagen, dass dieser zustand noch etwa 1 woche anhielt und ich mich ausschließlich von toast mit butter, papaya und bananen ernährte. und von sohans wunderwaffe fresh lime soda. das ist sodawasser mit frisch ausgepresster lemone. es gab phasen, in denen sich der ganze bus davon ernährte. ich hab in den 3 wochen so viel davon getrunken, dass ich es die nächsten 5 jahre  nicht mehr brauche.

vor uns lag eine recht lange busfahrt, etwa 6 stunden. sohan war ein meister darin, uns während langer busfahrten mit geschichten über indische götter und moghul-love-storys bei laune zu halten. außerdem fungierte er zunehmend auch als philosoph und gruppentherapeut, der uns mit seinen pragmatischen weisheiten über so manchen kulturkonflikt hinwegschiffte. es gibt dinge, die ich tief in mir gespeichert habe und hoffentlich noch lange nicht vergessen werde.

so beantwortete er durchweg alle anfragen nach wasser und cola im bus sowie alle anfragen und bitten, die einen normalbürger zu genervten antworten motivieren würden, mit einem unvergleichlichen, von einer typischen handbewegung begleiteten:

„warum nicht?!“ 

absolut geniale antwort für (fast) alle lebenslagen.

hier seht ihr sohan, der gerade „warum nicht“ zum besten gibt:

beliebt waren auch seine kommentare zur farbe rosa. und all ihren variationen. denn in indien, so sohan, ist die farbe rosa die farbe für die romantische zeit, wie er es nannte. liebe machen=romantische zeit. ist das nicht wunderbar? hatte ich noch nie zuvor gehört. sobald einer aus der gruppe in dieser farbe erschien, zog sohan schmunzelnd die brauen hoch und alle wussten bescheid. eine quelle stetiger freude war das. unsere gruppe wuchs indes zu einer art familie zusammen. wir verstanden uns hervorragend. alle. okay, es gab ein paar, die sich jetzt nicht sooooo gut verstanden, aber es war ausgesprochen unkompliziert und man konnte sich auch mal aus dem weg gehen. völlig gruppentypisch entwickelte der eine oder andere eine rollenfunktion. so gab es einen überaus lustigen mitreisenden, der uns mit seinen schlagfertigen jokes stets zum lachen brachte. kommentar, nachdem er seine knapp 2 meter kunstfertig auf seinem bussitz verknotete: „wunderbar. ich sitze jetzt perfekt. hat zufällig jemand eine künstliche titanhüfte dabei?“ es gab eine teilnehmerin, auf die man immer und überall warten musste und die sich die ganze reise über von papayas zu ernähren schien. und einen besonders wissbegierigen mitreisenden. sohan sagte während der reise gefühlte 5000 mal: „hans hat eine interessante frage gestellt. sie ist für die ganze gruppe interessant.“ das wurde mit der zeit zum running gag und inspirierte uns zu albernen kommentaren und giggelattacken.

zurück zur fahrt. wir fuhren etwa 2 stunden über eine erstaunlich gut ausgebaute schnellstraße, in rajasthan eher eine seltenheit, und als wir uns fast daran gewöhnten, dass es schlaglochbedingt nicht alle 100 meter bumm bumm machte, verließen wir diese straße und fuhren mitten in die walachei. in unserer reisebeschreibung stand; nun verlassen wir die gewohnten, touristischen wege und fahren durch wenig befahrene, reizvolle abschnitte rajasthans. die straße war eine katastrophe. die landschaft aber war tatsächlich reizvoll. wir trafen mehr kamele als autos auf der straße. nach einer weile hielt der bus an der straße. das kannten wir schon. es stand wieder eine von sohans spontanen, überfallartigen familienbesuchen an. diesmal bei einer familie der bhil-kaste. auf der fahrt hatte uns sohan sehr viel interessantes über das indische kastensystem erzählt, und wir wussten, dass die bhil ursprünglich die diebes-kaste war, gesellschaftlich sehr weit unten angesiedelt. nun aber durch verschiedene staatliche programme aufgewertet und integriert. das ist eine minimalistische beschreibung der angelegenheit, das kastensystem zu erläutern, führt hier zu weit. ich sag nur: wikipedia. sohan hatte eine eigene interpretation der bhil-kaste auf lager: „früher liefen die bhil nackt herum, waren wild und töteten tiere. jetzt sind sie so wie wir.“ typisch sohan. die familie, die wir nun ganz spontan überfielen, war ziemlich baff. sie sehen, wenn überhaupt, nur ganz selten ausländer. sie waren aber, wie alle anderen auch, überaus freundlich und interessiert. man stelle sich einmal folgende situation vor, irgendwo in deutschland: eine indische reisegruppe klingelt spontan an einer fremden haustür und möchte gerne die landessitten kennenlernen. wie würde der durchschnittsdeutsche wohl reagieren? na?

nachdem ich den beiden frauen dieses foto auf dem kameradisplay zeigte, war die tochter des hauses völlig foto-motiviert und ließ sich mit allen hoftieren fotografieren. das war ein riesenspaß. ich habe versprochen, die fotos zu schicken.

nach dieser willkommenen pause ging unsere fahrt weiter, es gab viel über diese begegnung zu reden und am späten nachmittag erreichten wir bundi. bundi hat charme. etwas morbides haftet dieser stadt an.

bundi scheint auch eine klassische rucksackreisende-station zu sein. so eine, wo man eine weile hängenbleiben kann. es erinnerte mich stark an meine eigene rucksackreisende-zeit, vor gefühlten 100 jahren

romantische zeit *grins*

der palast in bundi ist fantastisch. und der stinkendste, in dem ich je war. das kommt von den etwa 5 millionen fledermäusen, die in ihm wohnen. der gestank war so bestialisch, dass ich fast in die ecke kübeln musste. tapfer schleppte ich mich durch den palast und bestaunte die unglaublich schönen wandmalereien.

am ende eines langen, ereignisreichen tages freuten wir uns an unserem besonders schönen hotel, wieder ein umgebauter stadtpalast. die gruppe marschierte mit sohan noch einmal zu einem abendlichen basar-spaziergang, ich blieb mit meinem revoltierenden magen und einer großen papaya im hotelgarten.


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