3 Beispiele wie mit Fernwärme die urbane Wärmewende gelingen kann

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3 Beispiele wie mit Fernwärme die urbane Wärmewende gelingen kannFoto: Anthony Delanoix/ unsplash.com

Wie kann die urbane Wärmewende gelingen? In großen Städten ist nicht viel Platz für erneuerbare Energien und gleichzeitig ist der Energiebedarf pro Fläche sehr hoch. Wir müssen Lösungen finden für eine umwelt- und klimaschonende Wärmeversorgung der Zukunft. Das kann so aussehen, wie z.B. das Zukunftshaus der degewo in Berlin. Aber alle Gebäude in der Stadt können wir nicht auf diesem Weg sanieren. Die Fernwärme kann hier eine gute Lösung sein bei der die Stadt als Energiesenke des ländlichen Raums dient, als Ausgleich für Überschüsse von Solar- und Windstrom. Fernwärme kann aber noch viel mehr. Sie bietet die z.B. die Möglichkeit verschiedene Energieträger einzubinden um die jeweils optimale Quelle zu nutzen. Von den Berliner Energietagen hatte ich drei Beispiele mitgenommen, die ich hier gerne genauer vorstellen möchte. 

Bedeutung der urbanen Wärmewende

Städten haben heute besondere Herausforderungen zu bewältigen. Sie wachsen deutlich an, in Berlin rechnet man z.B. bis 2030 mit einem Wachstum der Bevölkerung um 7,5 Prozent. In der EU und in Deutschland lebt mittlerweile der überwiegende Teil der Bevölkerung in Städten. Städte gehören heute zu den Hauptverursacher des Klimawandels. Dies ist eine der weiteren Herausforderungen, die Bewältigung des Klimawandels. Dazu gehört vor allem die lange überfällige Wärmewende in der Stadt, denn in Deutschland wird 56 Prozent der Endenergie für Wärme aufgebracht.

Während im Stromsektor jeder Prozentpunkt mehr an erneuerbaren Energien bejubelt wird, herrscht im Wärmemarkt fast Stillstand. Wärme wird in Deutschland fast ausschließlich durch fossile Energien erzeugt. In den Städten, um zum Thema zurück zu kommen, ist der Anteil häufig noch geringer. Können wir in Städten eigene Konzepte für eine klimafreundliche Wärmeversorgung entwickeln, ohne die Abhängigkeit aus dem Umland zu erhöhen? Gibt es ganzheitliche Konzepte für Quartiere oder ganze Stadtteile? Ist die Wärmewende möglich bei zu billigen fossilen Brennstoffen und fehlendem politischen Lenkungswillen? Das sind einige Fragen, die vielleicht mit aktuellen Projekten beantwortet werden können. Dazu müssen wir nicht einmal nach Dänemark schauen, das vermutlich am weitesten ist durch den starken Ausbau der Wärmenetze. Auch in Deutschland und Österreich gibt es Beispiele und Ideen für das Gelingen der urbanen Wärmewende.

Auf den Berliner Energietagen Anfang Mai 2017 wurden in der Veranstaltung „Urbane Wärmewende“ drei verschiedene Städte mit unterschiedlichen Konzepten und Lösungen für die urbane Wärmewende vorgestellt. Jede Stadt hat ihre eigenen Herausforderungen und damit eigene Lösungen entwickelt. Diese Beispiele haben gemeinsam, dass sie eine klimaneutrale Wärmeversorgung mit Wärmenetzen aufbauen.

Ein Klima- und Energiekonzept für Berlin

Urbane Wärmewende EnergietageUrbane Wärmewende bei den Berliner Energietagen 2017

In Berlin, um gleich direkt vor der Haustür anzufangen, gibt es schon viele kleinere Projekte. Diesen fehlt aber die Skalierbarkeit und die große Wirkung. Ändern soll sich das durch das Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK) 2030 vom Juni 2030. Es ist praktisch eine Art Fahrplan für den Weg zur Klimaneutralität bis 2050. Dazu muss Berlin die Energieeffizienz steigern, den Energieverbrauch reduzieren und die benötigte Energie mit erneuerbaren Energien erzeugen. Im Handlungsfeld Energieversorgung wird der Ausbau der KWK, der Kohleausstieg, die Erhöhung des Anteils Erneuerbarer Energien in Gas und Fernwärme und die Flexibilisierung des Gesamtsystems mit Speicher und intelligenter Verknüpfung von Erzeugung und Verbrauch genannt.

Konkreter wird es im Forschungsprojekt „Urbane Wärmewende“. Dort werden einige wichtige Punkte als Strategieelemente und Maßnahmen genannt:

  • Emissionsfaktoren der Erzeugung verbessern durch Festschreibung des Umstieg von Kohle, bzw. Öl auf Gas und Erneuerbare Enerigen, durch Nutzung von Klimaschutzvereinbarungen des, einer Wärmeplanung oder ein Wärmegesetz, sowie bundespolitische Aktivitäten
  • Urbane Fernwärme als Flexibilitätsinstrument nutzen, u.a. mit flexibler KWK, PtH, Wärmespeicher, verstärkte Integration von Niedertemperaturerzeugung etc.
  • Dezentrale Erneuerbare Energien fördern, z.B. durch Masterplan Solarcity, oberflächennahe Geothermie, nachhaltige Biomassenutzung
  • Verbrauch senken in Neubau und Bestand mit der Vorbildrolle öffentliche Hand, integrierten Quartierslösungenn Informations- und Beratungsangeboten, Maßnahmenbündel für erhaltenswerte Bausubstanz und Maßnahmenbündel Sozialverträglichkeit

Das ist alles nur ein kleiner Anfang. Aber Beispiele wie das degewo Zukunftshaus, der Möckernkiez mit einer modernen ökologischen Energieversorgung von Naturstrom oder die Power-to-Heat Anlage von Vattenfall sind gute Beispiele für den Weg, der in Berlin eingeschlagen wird.

Power to Heat für eine klimaneutrale Fernwärme in Berlin

Ein wesentlicher Punkt für die urbane Wärmewende wird die Fernwärme sein. Mit Fernwärme kann relativ leicht ein großer Teil der Wärmeversorgung auf andere Energieträger umgestellt werden. Ein Beispiel für die Umstellung der Fernwärme in Berlin hat bei den Berliner Energietagen Dr. Andreas Schnauß von Vattenfall Europe Wärme AG präsentiert. In seinem Konzept ergänzt Power-to-heat mit Elektrokessel die Kraft-Wärme-Kopplung mit Wärmespeichern. Dies bedeutet, dass bei einem Überangebot aus Solar- und Windstrom dieser genutzt wird für die Wärmeversorgung. Bei einem knappen Angebot an Wind und PV im Stromnetz wird die Wärme hingegen über die KWK-Anlagen bereitgestellt.

Mit dieser Art der Sektorkopplung kann der Wind- und Solarstrom aus dem Umland in der Stadt genutzt werden. Vattenfall wird 2020 die Wärmelieferung des Kohlekraftwerks Reuter durch Elektrokessel ersetzen, mit einer Leistung von 100 MW, bzw. 120.000 kWh thermischer Energie. Die Vorteile sind enorm:

  • Lastmanagement von 30.000 Wärmepumpen in EFH im Winter
  • Erhöhung der Stromaufnahmefähigkeit in Schachlaststromzeit um ca. 10%
  • Raum für Sektorkopplung im Verkehr auf Verteilnetzebene
  • Flexibel in 5-6 Minuten bereit für die Reaktion bei Windspitzen
  • leicht zu koordinieren zwischen Netzbetreiber und Betreiber der Fernwärme
  • einsetzbar für höheren Temperaturbedarf in Bestandsgebäuden

München will 100% erneuerbare Fernwärme bis 2040

Ganz anders ist der Ansatz für die urbane Wärmewende in München. Die Stadtwerke München haben das erklärte Ziel der Fernwärme-Versorgung mit 100 Prozent erneuerbarer Energien bis 2040 zu schaffen. Der größte Anteil dabei soll aus der Tiefengeothermie stammen. Dies ist aber nur ein Teil der Strategie der Stadtwerke. Sie kümmern sich genauso um lokale, dezentrale Lösungen für einzelne Gebäude oder Quartiere, bzw. um die Sektorkopplung mit Power-to-Heat oder Power-to-Gas. Wärmenetze werden jedoch als das Rückgrat für die Wärmewende im Ballungsraum betrachtet. Wärmenetze sind häufig bereits schon vorhanden und recht gut ausgebaut.

Bis 2025 möchten die Stadtwerke München vier weitere Geothermie-Anlagen bauen. Drei Anlagen mit einer thermischen Leistung von mindestens 28 MW sind bereits in Betrieb.

Die Tiefengeothermie hat den Vorteil, dass sie dauerhaft verfügbar und damit grundlastfähig ist. In der Region München befindet sich tief unten in der Erde, bei über 2.000 bis 3.000 Meter Tiefe, ein großes Heißwasservorkommen. Die Wärme mit einer Temperatur von 80 bis über 100 Grad Celsius lässt sich sehr gut für die Wärmeversorgung nutzen. In einem Fall kann sogar zusätzlich Strom erzeugt werden.

Umstellung auf Erneuerbare Energien und Pflicht für Fernwärme in Graz durch Feinstaubbelastung

Soalrthermie FernwärmeSolarthermie für die Fernwärme in Senftenberg, Foto: BSW-Solar

Einen anderen Weg für die klimaneutrale Fernwärmeversorgung geht die Stadt Graz, Landeshauptstadt der Steiermark und zweitgrößte Stadt in Österreich mit 280.000 Einwohnern. Dort hat das Ziel der Fernwärme mit 100 Prozent erneuerbare Energien bis 2050 neben dem Klimaschutz einen weiteren Hintergrund. Durch die Lage am Rand der Alpen im Grazer Becken gibt es in Graz relativ wenig Wind und damit häufig eine Inversionswetterlage mit hoher Belastung von Feinstaub und Nox. Alleine damit muss die Stadt handeln und für eine saubere Energieversorgung sorgen. Daher besteht mittlerweile eine Pflicht zum Anschluss an das Wärmenetz bei neuen Heizungen. Aktuell sind rund 40 Prozent der Haushalte in Graz an das Fernwärmenetz angeschlossen.

Auch in Graz soll die Fernwärme langfristig auf 100 Prozent erneuerbare  Energien umgestellt werden. Bis 2030 soll die Hälfte der Wärme aus erneuerbaren Energien kommen. Heute stammt 80 Prozent der Wärme aus KWK-Anlagen. Die urbane Wärmewende in Graz hat damit erst begonnen, so Gerald Moravi von der Energie Steiermark Wärme GmbH.

Diese Ziele sollen durch eine Vielfalt an Maßnahmen erreicht werden. So ist, im Gegensatz zu den anderen Beispielen, die Abwärme von Industriebetrieben ein wichtiger Faktor für die Fernwärme. Alleine aus einer Stahlhütte werden 35 GWh pro Jahr in das Fernwärmenetz eingespeist. Hinzu kommt aktuell noch die Abwärme einer Eishalle mit rund 800 MWh im Jahr.

Big Solar Graz soll 20 Prozent des Wärmebedarfs liefern

Das große Projekt in Graz ist aber die Solarthermie mit großem Wärmespeicher. Dänemark mit der großen Anlage in Vojens ist hier explizit als Vorbild genannt. In der Überlegung war auch die dezentrale Einspeisung von Solarwärme. Doch diese hat sich als zu aufwendig heraus gestellt. Daher haben sich die Verantwortlichen für das Projekt Big Solar Graz entschieden. Eine große Solarthermie-Anlage mit einer Kollektorfläche von 450.000 m² und einer thermischen Leistung von 250 MW soll im Jahr 232 GWh Wärme liefern. Dies wäre 20 Prozent des Wärmebedarfs von Graz. Hinzu kommt noch ein riesiger Wärmespeicher mit einem Fassungsvermögen von 1,8 Millionen Kubikmeter. Als Ergänzung sorgen sechs Absorptionswärmepumpen dafür, dass das gewünschte Temperaturniveau erreicht wird.

Bisher war Dänemark bei großen Solarthermie-Anlagen weltweit führend. Nach Fertigstellung dieses Projektes, wäre in Graz dann die mit Abstand größte solarthermische Anlage der Welt.

Fazit für die urbane Wärmewende

Diese drei Beispiele zeigen, dass die Fernwärme einen wichtigen Beitrag für die urbane Wärmewende liefern kann. Doch in Deutschland sind die Rahmenbedingungen für die Fernwärme eher schlecht, besonders im Vergleich zu Dänemark. Die Energieträger für die Heizung sind von allen Energieträgern am geringsten mit Steuern und Abgaben belastet. Damit ist der Anreiz für eine Umstellung auf Fernwärme eher gering. Und von einem Anschlusszwang, wie in Graz, dürfen wir gar nicht erst öffentlich denken.

Fernwärme bietet dennoch gute Möglichkeiten die Wärmewende in die Stadt zu bringen. Vielleicht wird dieses Thema auch aufgegriffen bei den Urban Energy Talks der Stiftung Energie & Klimaschutz am 29.06.2017 in Stuttgart. Im Blog Dialog.Energie.Zukunft sind passende Beiträge zu finden, die aber noch sehr allgemein sind.

An diesem Thema möchte ich weiter dran bleiben. So, bin ich noch nicht auf die Potentiale von Niedertemperaturnetzen eingegangen. Für Beispiele und Gastbeiträge bin ich immer offen. Kennt Ihr gute Beispiele für die urbane Wärmewende oder für Experten?


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