27. November: Zwei schräge Vögel (DEFA 1989)

27. November: Zwei schräge Vögel (DEFA 1989)

In unserer Bildungsveranstaltungsreihe „DEFA-Filme zwischen Staatsauftrag und Kunst“ zeigen wir am 27. November um 19.30 Uhr in der Wirkstatt (Gützkower Straße 83, 17489 Greifswald) den Film „Zwei schräge Vögel“. Der Eintritt ist frei. Getränkeversorgung gewährleistet.

Das DEFA-Lustspiel erlebte seine Premiere am 12. September 1989 in Cottbus. Regisseur Erwin Stranka (*1935), welcher sich zunächst in Historienfilmen („Husaren in Berlin“ 1971, „Die gestohlene Schlacht“ 1972) probierte, drehte ab Mitte der 70er Jahre überwiegend Gegenwartsfilme.


Einen großen Publikumserfolg erlangte er bereits 1974 mit der Romanverfilmung „Zum Beispiel Josef“. Es folgten „Die Moral der Banditen“ (1976), „Sabine Wulff“ (1978), „Die Stunde der Töchter“ (1981), „Liane“ (1987) u.v.a. Nach einem Schlaganfall 1990 zog sich Stranka aus dem Filmgeschäft zurück.

„Zwei schräge Vögel“ (1989) ist eine kabarettistisch gefärbte Komödie voller Spitzen gegen den Schlendrian in der DDR-Wirtschaft. Sie zählt zu den ersten Glasnost-Filmen der DEFA und war zugleich ihr letzter großer Publikumserfolg im heiteren Genre.

INHALT:

„Die Neigung der Menschen, kleine Dinge für wichtig zu halten, hat sehr viel Großes hervorgebracht.“ Soviel vom altdeutschen Großmeister des Aphorismus, Georg Christoph Lichtenberg. Was er natürlicherweise zu seiner Zeit nicht ahnen konnte, nämlich wie wichtig heutzutage die kleinen Dinge sind, gehört für die beiden Typen Kaminke und Frank zur alltäglichen Selbstverständlichkeit. Sie kennen sich aus in so superkleinen Dingen wie Chips, Modulen, cad cam, sind zu Hause in der Computerwelt. Ihre Diplomarbeit an der altehrwürdigen „Adam-Ries-Universität“, mit der sie ein einheitliches System der Fehlersuche und Fehlerkorrektur für Computersoftware vorlegen, beeindruckt nicht nur die Professoren, sondern auch japanische Konzerne. Der Weg dieser beiden unzertrennlichen Freunde in die Gefilde hoher Wissenschaft, des Erfolges kurz: in eine erfolgreiche Kariere, scheint unaufhaltsam. Jedoch sind Kaminke und Frank dafür nicht programmiert, schon gar nicht für Sprüche wie „Der Sozialismus braucht jeden, aber keiner weiß wo.“ Und so fertigen sie ihr „Abschiedsgeschenk“ für die Uni, fahren ein Computerprogramm zu Schrott – und werden daraufhin in die finsterste Provinz geschickt. 

„Zur Bewährung in die Produktion“, wie es in der administrativen Sprachregelung heißt, nach Finsterberg-Dodeleben. Dort sagen sich nicht nur die sprichwörtlichen Füchse „Gute Nacht“, sondern seit langem auch die Mitarbeiter für Software-Entwicklung des „VEB Stirnräder“. Dort übt man sich fleißig im „Büro-Mikado“: wer sich zuerst bewegt, hat verloren. Jeder macht, was er will, keiner macht, was er soll, aber alle machen mit. Einer der dortigen „Provinzfüchse“ erklärt ihnen die Sachlage: „In der Spitze sind wir halt nur Durchschnitt. Aber dafür sind wir im Durchschnitt Spitze.“ Die beiden unzertrennlichen Freunde lernen aber noch andere sonderbare Dinge kennen. Erfahren von „U-Booten“ und „schwarzen Husaren“, die betriebsinternen Bezeichnungen für alte, längst abgeschriebene schrottreife Maschinen und Arbeitskräfte, die es eigentlich nicht gibt. Mit ihnen wird gelegentlich die Produktion betrieben, wenn auch nicht optimal die Planziffern, so doch der Schrottplan erfüllt. Dabei könnte es im „VEB Stirnräder“ ganz anders laufen, da in einer verschlossenen Halle eine computergesteuerte CWX 8000 Universal steht, mit der präzis und effektiv produziert werden könnte. Aber wenn das Wörtchen „Wenn“ nicht wäre! Noch immer ist dafür kein Computerprogramm entwickelt. An die Weisungen der auswärtig stationierten Kombinatsdirektoren hat man sich gewöhnt, und Papier ist geduldig. Die Mitarbeiter lassen alles seinen Gang gehen, machen sich längst kein Köpfchen mehr, denn sie meinen: Erledige das Minimum und hoffe auf das Beste.

Kaminke und Frank, ob ihrer Kaderakten und ihres sonderlichen Benehmens als „schräge Vögel“ rubriziert, sind Spezialisten für Computerprogrammierung, aber die Betriebsleitung sagt’s unmissverständlich: „Computer sind für sie tabu!“ Die „Bewährungshelfer“ haben anderes mit ihnen vor, beschäftigen sie mit der „Optimierung des Materialzuflusses“, in gutem Provinzdeutsch: als Transportarbeiter. Das jedoch kann man mit diesen beiden nicht machen. Sie sind aus anderem Holz geschnitzt, als das, was man in Finsterberg-Dodeleben vor dem Kopf zu tragen pflegt. Und sie starten ihren cad-cam-Clou, das „Unternehmen Sommersprosse“, wenn man so will: ein „trojanisches Pferd“ für Finsterberg-Dodeleben. Im Bündnis mit der schönen Petra, einem sommersprossigen Kind aus der thüringischen Bergwelt, züchten sie nicht nur einen Wachhund zum DDR-TV-Fan heran, hinterlassen sie nicht nur Spuren einer „wilden Orgie“ und verwirren das eingespielte Leitungsteam, sondern schlafen auch noch vor den Augen des Kombinatsgewaltigen Dr. Bauer ein. Verwirrung, Trubel, Missverständnisse en masse – das ganze deutet auf Komisches.

Erwin Stranka, einer der Gegenwartsfilmregisseure der DEFA, zu seinem neuen Film: „Ich wünsche mir die Diskussion mit denen, die meinen, so ironisch und sarkastisch könne man mit unseren ‚heiligen Kühen‘ nicht umgehen.“ Und: „Ich finde, wir müssen mal dazu kommen, einen Ton in all das zu bringen, was wir tun und denken, der es uns leichter macht, mit den Problemen, die uns umgeben, umzugehen. Ein Ton, der sie aus dieser ‚Heiligkeit‘ herauszieht, der dazu führt, auch mal eine ‚heilige Kuh‘ zu schlachten … So gesehen, habe ich nichts dagegen, wenn der Film in der einen oder anderen Sequenz übers Ziel hinausschießt und gelegentlich auch mal ungerecht ist. Einstein hat gesagt: Der Lehrer darf dem Schüler die Zunge rausstrecken, der Schüler dem Lehrer aber nicht. Warum nicht …“
Nach einem Szenarium von Diethardt Schneider entstand dieser heiter-freche DEFA-Gegenwartsfilm. In den Rollen Dieter Mann, Peter Sodann und natürlich die „schrägen Vögel“ & Co.: Matthias Wien, Götz Schubert, Gerit Kling und Simone Thomalla.

PS: Es darf nicht nur gelacht werden, denn: So alt wie wir zur Film-Zeit aussehen, werden wir nie. Oder?
(Quelle: PROGRESS Film-PROGRAMM 8-89, M. Jochen)


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