27. Brüllend und das Maul voll Suff

Beim Stichwort Poesiealbum ist Google noch westdeutsch-rückständig und listet seitenweise die so genannten 19.-Jahrhundert-Alben, die es auch im 21. noch gibt. (In meiner Kindheit nannte man sie Pohsie, leider hatten sie nur Mädchen). Seit 1967 aber hat das Wort durch Bernd Jentzsch eine neue Bedeutung angenommen. Das ist nun mehr als 40 Jahre her, man sollte es mal registrieren. (Wikipedia ist da aktueller. Das kommt, weil da noch Menschen arbeiten!)

Poesiealbum war und ist ein Heft mit 32 Seiten Gedichte neuer und alter, deutscher und Weltlyrik. Bald nähert es sich der Zahl 300 – 300 Dichter sind schon eine stolze Sammlung. Wer so alt ist wie ich, kann sie alle haben (ich habe als Schüler mit Nummer 1 begonnen). Der Preis von 90 Pfennig von 1967 bis Anfang 1990 machte das Sammeln leicht. Im Wendefrühjahr wurden sie teurer, aber es half nicht, die Reihe ging ein. Seit 2007 gibt es sie wieder. Wer nicht so alt ist, könnte immer noch alle Hefte ab Wiedererscheinen 2007 sammeln, auch das wird mal eine Sammlung. Mit Namen wie Peter Huchel, Ezra Pound, Ernst Jandl, Seamus Heaney, Wolfgang Hilbig, Boris Pasternak oder Inger Christensen sitzt man immer noch in der ersten Reihe. (Nur schade, daß in die illustre Reihe noch nicht wieder wie „früher“ Neulinge aufgenommen werden. Vielleicht kommts ja wieder! Es würde die Reihe abrunden und auch für junge Schreiber und Leser noch interessanter machen. Pietraß, was ist?))

Auch Lavant-Einsteiger kommen auf ihre Kosten. 2010 bekam sie ihr Heft mit der Nummer 289. Magische und böse Zeilen kann man dort lesen: „Nicht rosenrot, nicht himmelblau, / ich bin für Schwefelfarben!“ „Gott, sag das nicht nach,/ sag keins der lauen Worte dieser Frommen!/ Ich will ja nicht in ihren Himmel kommen!“ „Wenn sie mich zu einem Bündel schnüren,/ bis die Hände nimmermehr sich rühren,/ und die ganze Wut im Mund gesammelt/ nichts als ausweglose Flüche stammelt/ rundherum um deinen hohen Namen.“ „Hau jetzt ab samt deiner Nüchternheit!/ Dieses Schiff wird nie verständig werden –/ melde oben bei dem Bootsverleiher,/ daß wir brüllend und das Maul voll Suff/ seine Sterne aus der Hölle holen.“ Rimbaud redivivus!

Poesiealbum kostet 4 Euro und ist in guten Buchhandlungen oder beim Verlag erhältlich. www.poesiealbum-online.de



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