26. März 2012, Über die Kunst des Romanschreibens, 5.47 Uhr

Kaffee, Zigarette. Es ist so eine Sache mit den Vorgaben, die man sich setzt, in meinem Fall mit den gesetzten Zielen des Romanschreibens, denn eigentlich arbeite ich ja an einem neuen Stück, das ich aber beständig vor mir herschiebe, weil ich mir denke, Zeit, ich habe Zeit, ich bin noch in der Entwicklerphase, die mich von Stuhl zu Stuhl und von der linken Seite zur rechten Seite des Bettes treibt. Nicht schreiben, sondern tagträumen, das ist es, was ich momentan tue und das ist nicht die schlechteste Tätigkeit. Man sitzt versonnen auf dem Balkon, Autos rauschen wie kleine Motorboote über den Asphaltfluss, man hört die Bremse eines LKW, die an das Ausatmen eines Drachen erinnert, und ich hebe den Kopf und frage mich, woher ich denn eigentlich weiß, wie so etwas klingt, das Ausatmen von Drachen, bis mir einfällt, dass mir das von Hollywoodfilmen gelehrt wurde. Den Kopf im Nacken dringe ich in die Welt des zu schreibenden Romans vor, überlege mir Titel, weil die Titel, wenn sie erst existieren, mir das bereits fertige Produkt im Kopf erschaffen können. Das sind die schönen Stunden, die wunderbaren Minuten im Leben meines Schriftstellerdasein, die Entwickleraugenblicke, in denen ich mich an die Hauptperson hänge und ihr folge, ganz wie in einem Film, denn Filme spielen in meiner gesamten Entwicklung eine wichtige Rolle. Ich las es bei Philip K. Dick, der einst in einem Interview erzählte, er sei immer ganz erstaunt, was passiere, weil er ein Abschreiber sei, einer, der den Film, der in seinem Kopf ablaufe, nur beschreibe. So, oder so ähnlich, geht es mir auch. Es sind kleine Kindskopfträumereien. Plötzlich ist man dort, man sieht sich erstaunt um, bewundert die gigantische Tanne, die neben dem Haus des Helden steht, da streift er einen plötzlich, man will schon etwas rufen, ist aber zu erstaunt, weil man ihn erkennt und sich nun an seine Fersen heftet. Detektivarbeit. Nur nicht auffallen. Man drückt den imaginären Hut in die Stirn, räuspert sich, meist zu laut, und folgt der zu observierenden Person, die, man weiß es ja nicht vorher, in einen Wagen steigen könnte. Und jetzt? Was tun? Woher bekommt man ein Taxi? Wie bezahlt man es? Darüber muss man sich keine Sorgen machen, denn man ist ja Gott, der dieses Universum hier erst erschaffen hat. Man schnippt mit den Fingern, blinzelt mit den Augen und sitzt bereits in der Manteltasche seines Opfers. Man kann tun, was man will, denn man erschafft sich und den Film im Kopf, auch wenn er ein Eigenleben zu führen scheint, kann man jederzeit eingreifen …
Ich muss mich unterbrechen, denn soeben ist die Seraphe aufgestanden, sie stand mit einem missmutigen Gesichtsausdruck neben mir und flüsterte: “Ich kann nicht mehr schlafen.” Es klappert in der Küche, denn sie bereitet sich ihren Morgencappuccino, den sie in gewohnter Cowboyhaltung, mit den Füßen auf dem Tisch, trinken wird. Sie sitzt dort, ein Buch in Händen, schlürft, gähnt und liest. Ein ganz normaler Morgen im Schriftstellerhaushalt. Ich denke, ich werde jetzt noch ein wenig am Roman arbeiten; ich werde also ein wenig die Augen schließen und darauf achten, was geschieht, werde es stichwortartig notieren und später in Sprache gießen. Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen sonnigen Montag.



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