26. Andeu­tung statt Gemälde, Collage statt Ge­schlos­sen­heit

Wer Kraus’ Gedichten zum ersten Mal begegnet, ist geneigt, sie ihres Voka­bulars wegen für unüber­setzbar zu halten. Das Gedicht „genfer see“ etwa leitet er­war­tungs­gemäß den Blick übers Wasser, über Schiffe und Möwen. Doch nicht von Booten ist die Rede, sondern von „pardune“, „bilge“, „tartane“, „schlenge“ – keine Neo­logis­men, sondern maritimes Fach­vokabular, wie die Landratte googelnd ent­schlüsselt. Um sich am Ende zu fragen, wie wichtig die neu gelernten Bedeu­tungen über­haupt sind. Ob die Ent­schleuni­gung des Lese­prozes­ses durch Rätsel­wörter das Ziel ist. Und was für eine Rolle die Tatsache spielt, dass Elisabeth von Österreich auf der Genfer Ufer­promenade von dem bettelarmen Luigi Lucheni mit einer Feile erstochen wurde. Zwar düstert ein „totmann“ und eine Leiche wird auf­ge­bahrt. Dennoch spielen die histo­rischen Hinweise eher Versteck als Zeigefinger. Distanz statt Drama, Andeu­tung statt Gemälde, Collage statt Ge­schlos­sen­heit: das versteht sich, als Regel des poeti­schen Ver­fahrens, heute von selbst. Statt der bis zum Über­druss betex­teten kaiserlichen Ikone weitere Verse an den Rocksaum zu heften, lenkt die Autorin das Interesse auf Wörter, die wie fremd­artige Schwimm­körper gegen­einander klackern („möwengepudel / kostal vor der bilge“).

Auf Verständlichkeit seien ihre Texte nicht aus, sagt Dagmara Kraus. Viel­mehr seien sie „laut ge­schrie­ben“ und soll­ten auch laut gelesen werden. / Gisela Trahms, Poetenladen

Dagmara Kraus
kummerang
Gedichte
Berlin: kookbooks 2012
80 S., 19,90 €



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