25. September 2010, Eine Theorie über Leben und Tod der Radiowecker, 8.25 Uhr

Kaffee, Zigarette.
Die Seraphe bat mich darum und ich tat es, ich schlief also länger wie gewohnt, ich ließ den Radiowecker ruhen, denn schließlich muss so ein Ding, tagtäglich im Einsatz, auch einmal dem Schlaf zusprechen dürfen.
Er schläft mit offenen Augen, die jede Minute zucken, und wenn er dann nach 60 Sekunden zwinkert, hat sich etwas im linken Auge verändert, nach jeder vollen Stunde gar im rechten Auge. Seine Augen erinnern den ungeübten Beobachter an Zahlen. Welch ein seltsames Geschöpf …
Ein Nervenleiden, erklärte ich der Seraphe, das arme Wesen ist der Zeit ausgesetzt, leidet darunter, findet nie die rechte Ruhe, jede Sekunde knechtet ihn, jede Stunde erniedrigt ihn. Erst wenn wir seinen langen dürren Schwanz aus der Wandhalterung befreien, atmet er auf, die Augen schließen sich, er fällt erschöpft wie nach einem langen Lauf in sich zusammen. Leider hat das dann aber auch seinem Tod zur Folge, wir kabeln ihn vom Leben ab, weder kann er noch singen, noch Nachrichten daher sagen, wir berauben ihn seiner Vielstimmigkeit, seiner Imitationskraft, weil es den Toten gegeben ist, sich nicht mehr zu rühren; die Regungslosigkeit ist ihr liebster und einziger und natürlichster Zustand, so als hätten sie den Körper als Kokon zurück gelassen, weil sie eben schlüpfen mussten, unsichtbare Schmetterlinge, die nun über uns schweben und von Kopf zu Kopf fliegen, ohne dass wir etwas davon bemerken, denn wir sind zu sehr mit Grübeln und Hadern und Trauern und Lustsuchen beschäftigt.

Dies erklärte ich also ausführlich und mit weitschweifenden Worten der Seraphe, die aber gar nichts davon mitbekam, weil sie den kleinen Bruder des Todes spazieren führte, die ihn an der Hand nahm und mit lauten Atemzügen einen Berg hinauf stampfte, ja, so muss es gewesen sein, ihr schweres Atmen konnte einzig nur auf eine Bergtour verweisen.
Ich rief ihr also von der linken Bettseite (oder auch aus dem Tal, eben ganz wie man das sehen will) meine Theorie der Radiowecker zu. Sie lief mit geschlossenen Augen weiter, vertieft in den Anstieg, während ich mir den Restschlaf aus den Knochen schüttelte. Mein Skelett wehrte sich dagegen, es wollte viel lieber noch die Totenstarre üben, aber das verwehrte ich ihm, denn es gibt heute einiges zu schreiben, wie ich ihm erklärte.

So sitze ich nun im Diesseits, den Adler im Rücken, und tippe, während die Seraphe noch dem Gipfel entgegen stürmt.
Ich spüre eine Hand auf meiner linken Schulter, drehe mich um, aber da ist niemand. Seltsam, denke ich und schreibe weiter. Eine Zerrung vielleicht, eine körperliche Reaktion auf mein Dauersitzen und Tippen.
Das ist doch das Diesseits, denke ich.
Ich nicke mir selbst zu und schreibe rasch weiter, formuliere den einen oder anderen Satz um.
Egal, denke ich, denn auch wenn das nicht das Diesseits ist, so gibt es hier Kaffee und Zigaretten. Ich kann den Kaffee riechen, ich werde mir also meinen Becher füllen, eine Zigarette rauchen und dann …
… da ist sie wieder, die Hand …



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