Kaffee, Zigarette, meine Augen sind verklebt, und das, was in sie hineinfallen will, findet keinen Weg, prallt an den Wimpern ab, verheddert sich dort, strampelt wild mit den Füßen, obwohl es doch – im Licht dieser Morgensonne – gesehen werden will. Ich blinzle, es ist wie ein Flügelschlagen, der Versuch, mit den Augen zu fliegen. Ein Schleier schiebt sich ins Sichtfenster, man ist versucht Eimer und Lappen zu holen, um die Augen zu putzen. Und wenn man schon mal dabei ist, dann könnte man gleich ans Großreinemachen gehen, an den Frühjahrsputz, der das innerste nach außen kehrt. Mit einem Besen müsste man durch all die Räume des Körpers fegen, müsste Bilderunrat vor die Türe schütten, schlechte Gedanken und morsche Ideen auf einen großen Haufen werfen. Daraus ließe sich ein Feuer machen, an dem man am Abend sitzt, mit einem Glas Wein und diesem Innenleben, das an allen Ecken und Enden blitzt, weil es derart gescheuert und gewienert wurde.
Eine Stunde fehlt mir nun, sie wurde gestohlen, mit einem vorsichtigen Griff, den mein Schlaf nicht bemerkte, aus der Uhrzeit geschnitten. Zeitdiebe sind unterwegs, da kann man nur noch den – noch unaufgeräumten – Kopf schütteln, denn nun muss an diesem Tag alles ein wenig schneller gehen, denn all die Dinge, die ich in dieser einen Stunde getan hätte, müssen ins Zeitboot der anderen Stunden geholt werden. Stehe also an Deck meines Zeitbootes und starre ins offene Meer des Tages, sehe ein ertrinkendes Wort, das sich in der fehlenden Stunde in meinen Kopf setzen wollte, und dann plötzlich von den Zeitpiraten überrascht wurde, die sein Zeitschiff enterten und zum Absaufen brachten. Nun treibt es dort, wild mit den Armen rudernd. Ich lasse eines der Rettungsboote hinab, damit ich es sicher an Bord bringen lassen kann.
Der Schleier hebt sich allmählich. Ich sehe klarer, greife nach dem Kaffee, der kalt geworden ist, was nicht sein kann, hatte ich ihn doch eben erst geholt. Etwas scheint mit dem Zeitgefüge nicht zu stimmen, es ist, als würde ich von einem Zeitstrom mitgerissen werden, ich kann bereits das Rauschen eines Wasserfalls hören. Auch die Seraphe, die eigentlich in der Küche sitzen müsste, mit einem Buch und den Füßen (in alter Cowboymanier) auf dem Tisch, ist verschwunden, ich könnte sie rufen, könnte sie aber auch wieder in die Küche schreiben, hin auf ihren Stuhl, denn – so wird mir versichert – die Literatur hätte die Kraft, das Leben zu ändern, es auf den Kopf zu stellen, wenn es sein müsse; und tatsächlich befinde ich mich an der Decke, ich hebe den Blick und sehe den Boden, meinen Schreibtisch. Rasch tippe ich in die Luft und schreibe mich auf den Boden der Tatsachen zurück, denn noch ist nichts vom gestrigen Tag erzählt, von dem Film, den wir sahen und der von einem Killer handelte, der sich die Leute schnappte wie Tabletten, um sich mit ihrem Tod zu beruhigen. Nur Ruhe fand er nicht, die Polizei aber Unmengen seiner abgelegten Tablettenpackungen, junge Leute, die ihm keinen Schlaf, wohl aber ihr Leben schenkten.
Heute muss ich schreiben, will ich schreiben, drum endet der Eintrag des Tages hier an dieser Stelle, auf diese Zeitinsel.