24. November 2010, Vom Kranksein erzählen, 9.13 Uhr

Von Guidorohm

Vom Kranksein erzählen, vom Nasenbluten berichten, darüber könnte ich ein Gedicht schreiben, dachte ich, vom Rot im schneeweißen Tempo künden, die Welt ist ein Tuch, darauf Kontinente aus Dunkelrot treiben, also legt man den Kopf an das Tuch und horcht auf Stimmen, die sich in einer fernen Gasse verlieren, auf Schritte, die das Kopfsteinpflaster bespielen, ein Schnarchen vielleicht, ein Atemzug, nichts ist zu hören, nichts ist zu sehen, da bleibt nur die Erinnerung an ein Gedicht, das nie geschrieben wurde, trotzdem sitzt man da und denkt darüber nach, denkt, alles soll Fläche sein für eine Geschichte, alles Hintergrund für eine Erzählung, vom Kranksein also erzählen, vom warmen Toilettensitz erzählen, von den wiederkehrenden Visionen, den Gesichtern, die sich ins Hirn drückten, da waren plötzlich der tote Vater, Tante E, die ist längst tot, die soff sich heiter ins Erdreich hinab, ich will noch tiefer fallen, schien sie beständig zu rufen, dann sind da Gesichter, die ich überhaupt nicht mehr zuordnen kann, auch Gesichter, die im kollektiven Gedächtnis spuken, was macht Jim Thompson hier, komm her Philippe Noiret, duzen Sie mich nicht, fährt er mich an, ich schweige und lasse ihn ziehen, vom Kranksein erzählen, denke ich, auch das müsste man, das wird dir noch vergehen, höre ich die dunkle Stimme aus dem Erdreich, ich sehe nicht hin, gehe zum Fenster, starre das Himmelsgrau an, zwischen Wolken will ich einst liegen, da ist wieder die Stimme, sie ruft, du nicht, wir alle müssen Wurmfraß werden, ich nicht, flüstere ich zum Himmelsgrau hinauf, ich werde kein Wurmfraß sein, sondern ein gewandelter Rohm, nur eine andere Erzählform, da war der Mensch, nun ist er Futter, pah, ruft die Stimme aus dem Grab mir zu, verklär die Welt dir nur, das tu ich, sage ich, das tu ich gern, ich schüttele mich, denke, vielleicht hat der Durchfall dein Hirn etwas geschwächt, ich greife nach einem Buch und lese mich hinab in all die Gassen und Straßen dieser Buchstabenkarte, ich winke, bis bald, meine werten Leserinnen und Leser, bis bald, ich schiebe eine schweren Vorhang zur Seite und …