Von Kai Pohl, junge Welt 6.9.
Der soziale Dialekt Sa-um war die Ausrufung einer neuen Sprachpraxis. Nicht die Bedeutung der Worte, allein ihr Lautbild, der Klang zählte: »Ausdruck von Begeisterung!«, »Rebellion, Gewitter, Wirbel, Kampf, Skandal, Brand …« – »Die Gedichte sollen nicht den Frauen ähneln, sondern einer fressenden Säge.« Krutschonychs Gedichte tragen Titel wie »Kriegsruf«, »Die feuchte Scham« oder »Das Gedröhn des Kaukasus«. Die Phonetik des Sa-umnischen ist keine Laut nachahmende; sie baut auf eigenständige und unerwartete Lautverbindungen.
Krutschonych, der nach seiner Aussage »vergessen hatte, sich aufzuhängen«, zog sich 1930, nach dem Freitod von Wladimir Majakowski, aus allen literarischen Tätigkeiten zurück. Seiner Poesie blieb er allerdings treu. Mit der von ihm deklarierten sa-umnischen Sprache war er der Mitbegründer einer »Phono-Logik«, die den Unsinn als den »einzigen Hebel der Schönheit«, den »Feuerhaken des Schöpfertums« ansah. Denn: »Nur der Unsinn gibt der Zukunft den Inhalt.«
* Alexej Krutschonych: Phonetik des Theaters. Herausgegeben von Valeri Scherstjanoi. Verlag Reinecke & Voß, Leipzig 2011 120 Seiten, 10 Euro. ISBN 978-3-9813470-5-0