Tag 2, Sonntag, 27.05.2012
Ben Poole
Großbritannien ist ein Land, aus dem schon viele Bluesgitarristen hervorgegangen sind, die später zur Weltelite gehörten. Um den Nachwuchs braucht man sich dort auch keinerlei Sorgen zu machen. Namen wie Clare Free, Chantel McGregor, Joanne Shaw Taylor, Markus Bonfanti, Oli Brown, Danny Bryant, Aynsley Lister oder Ian Parker und noch etliche mehr belegen dies.
Den Namen Ben Poole sollte man unverzüglich ebenfalls in diese Liste einreihen. 2011 wurde er für drei British Blues Awards nominiert und war der Vertreter seines Landes bei der 2.European Blues Challenge in Berlin am 17.März 2012.
Soeben ist seine erste CD „Everything I Want“ auf den Markt gekommen. Von dieser präsentiert er heute live eine Reihe Titel. Erstaunlich wie stilsicher und wie gewandt der 25- jährige Ben Poole mit Gitarre und Stimme umzugehen weiß. Gespielt wird in Powertrio- Art mit Alan Taylor am Schlagzeug und Barry Pethers am Bass. Tolle Vorstellung einer sympathischen Band an diesem frühen Pfingstsonntagnachmittag.
The Hackensaw Boys
Who the hell are The Hackensaw Boys? Zugegebenermaßen hatte ich von dieser Formation noch nie zuvor gehör, bis sie im Line-up von Schöppingen auftauchten. Banjo, Fiddle, Gitarren, Kontrabass und ein aus Konservendosen zusammengestelltes Schlagwerk.
Wenn mich nach der konzertanten Live- Performance dieser Band nun nach Stilrichtung oder Ähnlichem fragt, kann ich nach wie vor nur mit den Schultern zucken, denn einfach zu beschreiben ist dies nicht. Roots Music, Country Music, Americana, Blues, Cajun? Irgendwie von allem etwas und auch wiederum nicht. Aber lässt man das Schubladendenken aus dem Hirn und lässt die Musik einfach auf den Körper wirken, wird man nach kurzer Zeit feststellen, dass man unwillkürlich angefangen hat zu „zappeln“. Es ist Musik, de einfach gute Laune macht, in die Beine geht und die sechs Interpreten könnte man so wie sie dort auf der Bühne stehen ohne größere Umschweife in einen Westernfilm stecken. Alles in allem wieder ein neuer und bunter Farbtupfer bei diesem Festival.
Delta Moon
Vielen ist diese Band aus Atlanta, Georgia noch vom 2010er Festival in Schöppingen im Ohr. Das Typische an dieser Formation ist, dass gleich zwei hochwertige Slidegitarristen am Werk sind. Tom Gray und Mark Johnson ergänzen sich hier perfekt in ihrem Spiel. Unterstützung finden die Beiden durch Darren Stanley am Schlagzeug und Franher Joseph am Bass. Geboten wird heute eine Reise durch das Gesamtrepertoire der Band, darunter natürlich auch einige Songs der neuen CD „Black Cat Oil“. Im Großen und Ganzen wieder einmal ein gelungener Auftritt dieser Band, bei deren relaxter Musik und dem ein oder anderen kühlen Bierchen es sich auf der weitläufigen Wiese sicher gut aushalten lässt. Denn es steht uns noch so einiges in Haus und das wird es in sich haben.
Kenny Neal
Was bisher bloße Vermutung war, stellt sich alsbald als die erste Stufe zum puren (positiv gemeinten) Wahnsinn dar. Denn was der Mann aus Baton Rouge, jetzt ansässig in Palo Alto vom ersten Ton an auf die Schöppinger Bühne zaubert, ist wieder einer dieser Kracher, die man so schnell nicht vergisst. Unterstützt wird er hierbei von seinen Brüdern Frederick Neal an den Keyboards und Darnell Neal am Bass. Am Schlagzeug sitzt Bryan Morris. Allesamt sind das vollblutige musikalische Powerpakete, die ihre Instrumente sicher auch im Schlaf beherrschen.
Allen voran natürlich Kenny, der neben Gesang und seinem phänomenalen Gitarrenspiel ebenso auf der Mundharmonika zu überzeugen weiß. Swamp Boogie, Swamp Blues… here we go!!
Begeistert bin ich und zwar absolut. Der absolute Höhepunkt an diesem Pfingstsonntag. Denke ich jetz erst einmal.
Die letzte Umbaupause.
Lucky Peterson
Kann das vorherige Konzert von Kenny neal noch getoppt werden. Bei Lucky Peterson kann man sich nicht unbedingt sicher sein. Ich habe diverse Berichte über seine Konzerte gelesen und gehört und das Meinungsspektrum lief weit auseinander.
Ich nehme es gleich vorweg: An diesem Abend werden noch ganze drei Raketenstufen gezündet werden, die uns Zuschauer ganz tief in das Bluesall katapultieren werden.
Stufe eins: Ein langer, hagerer, kahlköpfiger Typ spaziert mit einer lässig umgehängten Telecaster ebenso lässig auf die Bühne. Der Schlagzeuger nimmt hinter seiner Schießbude Platz, der Bassman stöpselt das Kabel ein. Irgendwie wissen alle Drei, wann es los geht. Und es geht los. So richtig. Kein geringerer als Shawn Kellerman greift hier in die sechs Saiten und knallt uns seinen elektrisierenden Blues um die Ohren.
Und wieder die Frage: Wenn das schon so klasse anfängt, kann das denn noch gesteigert werden?
Leute, wahrlich ich sage euch: Es kann.
Und zwar mit Stufe zwei.
Lucky Peterson betritt die Bühne und begibt sich schnurstracks zu seinem Arbeitsplatz hinter der Hammondorgel. Die dort bereit gestellte Sitzbank gefällt dem Meister nicht, ein galanter Fußtritt gegen das Möbel, welches smart nach hinten wegkippt und das Problem ist gelöst.
Lucky scheint in Bestform zu sein, er traktiert die Tasten, röhrt in das Mikrofon. Wer jetzt noch nicht bescheid weiß, dem ist nicht mehr zu helfen. Dieser Mann strahlt eine Energie aus, die ausreicht, uns alle wieder aufzuladen, die nach fast zwei Festivaltagen etwas ausgepowert sind.
Plötzlich – mitten im Spiel – springt er vom Orgelpodest auf die Bühne und schnappt sich seine schwarze Gibson SG. Ohne Umschweife beginnt er einen neuen Titel, die Band schein das zu kennen und stellt sich sofort darauf ein. Wenn man bei Lucky Peterson mitspielt, muss man flexibel sein. Äußerst flexibel. So gehet es weiter. Ein Titel nach dem anderen. Wir erleben ein gigantisches Bluesmedley., das zwischenzeitlich seitens Mr. Peterson’s auch im Bad in der Menge vollführt wird.
Dann Stufe drei. Lucky Peterson sagt Kenny Neal an. Der erscheint mit einer Harmonika in der Hand. Die Session kann starten. Und ab jetzt ist alles eben mehr als perfekt. Was die fünf Musiker uns nun bieten, verdient das Prädikat „besonders wertvoll“. Blues vom Allerfeinsten. Von mir aus braucht das jetzt gar nicht mehr aufzuhören. Die meisten vor der Bühne denken sicher so wie ich.
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Doch irgendwann ist dann doch Schluss. Ein krönender Abschluss für ein wieder einmal gelungenes Festival. Jetzt erst einmal nach Luft schnappen, nachdem dieser Bluesorkan vorüber gezogen ist. Davon gibt es reichlich in dieser lauen Nacht.
Das Festivalgelände leert sich allmählich, man trifft sich wieder zum Abschlussplausch auf dem Campinggelände, das eine oder andere Bier wartet. Und dann heißt es Abschied nehmen. Bis zum nächsten Jahr. Bis zum 22. Grolsch Bluesfestival in Scöppingen.
Dank nochmal an die Veranstalter und wie immer ganz besonders an Richard Hölscher, der auch dieses Jahr wieder ein tolles Händchen bei der Programmgestaltung bewiesen hat. Bis denne dann.
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