Seit meinen Teenagertagen lebe ich mit Depressionen. Fast zwanzig Jahre. Die meiste Zeit über ging meine Stimmung rauf und runter. Wie das Wetter. Es gab natürlich finstere Abschnitte, aber auch sehr sonnige Phasen, in denen ich unglaublich unbeschwert und glücklich war. Also nicht einfach gut gelaunt, sondern richtig glücklich mit mir und der Welt - wie der erste richtig warme Frühlingstag nach einem langen Winter. Mit zunehmendem Alter und Lebenserfahrung sind diese Phasen immer seltener und weniger golden geworden - obwohl ich alles habe, was ich mir jemals wünschen könnte. Viel mehr hat sich mein emotionales Innenleben irgendwo bei neblig und trüb eingependelt mit gelegentlichem Nieselregen und ab und zu kommt auch mal die Sonne durch. Ich bin absolut zufrieden und gut drauf. Aber im Hinterkopf schaffe ich es einfach nicht mein Gedankenkarussell abzustellen: Sorgen um meinen Job, um meine beruflichen Pläne, Familienplanung, Geld, Gesundheit. Es gibt kein Entkommen. Die Gedanken sind immer da.
Als Ben und ich also in der Silvesternacht mit einem panisch zitternden Momo in unserem Schlafzimmer im Dunklen sassen, habe ich beschlossen, dass ich dieses Jahr glücklich sein werde. Ich erinnere mich, dass ich mit ungefähr siebzehn in einer Zeitschrift einen Artikel über Glück gelesen habe, in dem stand, dass Glück oft einfach nur eine Entscheidung ist. Ich kann meine Situation nicht ändern, aber ich kann sehr wohl beeinflussen, wie ich darüber denke. Für mich bedeutet das konkret: Ich kann nicht in die Zukunft sehen und ich kann die Vergangenheit nicht ändern. Ich kann nicht wissen, ob ich nächste Woche meinen Job verlieren werde, wie meine Karriere in zehn Jahren aussieht, wie ich mich als Mama mache, ob ich Familie und Beruf elegant unter einen Hut packen oder einfach im nächsten Jahr an einer tödlichen Seuche dahinsiechen werde. Egal, wie viele Sorgen ich mir mache - ich werde es nie wissen. Also kann ich auch einfach aufhören, mich zu sorgen und lieber eine nette Zeitschrift lesen.
Ich werde wieder anfangen, das Magische in kleinen Momenten zu suchen. Mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und nach Gelegenheiten zu suchen, mich selbst glücklich zu machen. Morgens aufwachen und mich entscheiden, glücklich zu sein. Meine Kollegen zum Lunch einladen, anstatt darüber traurig zu sein, dass wir so einen miesen Teamspirit haben. Mich über ein neues, duftendes Duschgel freuen, anstatt viel zu viel Geld für einen teuren Pullover auszugeben. Abends Yogaübungen machen, anstatt stundenlang in den Untiefen von Netflix nach einem unterhaltsamen Film zu suchen. Lustige Bücher lesen, anstatt mir über traurigen Geschichten über Krebs und sexuelle Belästigung den Kopf zu zerbrechen. Laute Musik beim Putzen hören und mit dem Staubwedel durchs Haus tanzen. Öfter mal wieder eine Klatschzeitschrift lesen, anstatt wie automatisch durch mein Handy zu scrollen. Mich selbst nach der Arbeit noch spontan auf einen Prosecco einladen. Oder auf eine Pediküre. Oder beides. Vielleicht fange ich ein Dankbarkeitstagebuch an. Oder kritzle jeden Tag eine kurze Notiz zu einem positiven Erlebnis in meinen Filofax. Oder poste im Blog einen positiven Wochenrückblick. Irgendetwas, um mein Innenleben zu reflektieren und zu steuern.
Während ich diese Zeilen schreibe, kämpfen sich ein paar Sonnenstrahlen ihren Weg durch den Nebel. Und obwohl sie gleich wieder im trüben Grau versinken, kommt es mir vor wie ein gutes Zeichen. Ich mache jetzt einen Spaziergang mit dem Hund und danach werde ich im Kamin ein Feuer anzünden und meine Wäsche bügeln. Und darüber glücklich sein.