2018 – Inventur

Von Westoestlichediva

Da schaut man sich mal um, und schon ist ein ganzes Jahr vergangen, und man hat es kaum gemerkt ...

Ja, ich habe das Bloggen vernachlässigt in diesem Jahr. Ich gebe zu, es war zunächst auch eine bewusste Entscheidung. Die politische Situation in diesem Land und der ganzen Welt sowieso ist ja nun nicht gerade ein Kindergeburtstag, und nachdem ich mich über zwei Jahre lang sehr viel und sehr intensiv in meiner Arbeit, öffentlich, mit Menschen, auf Bühnen und auch schreibend damit befasst habe, hatte ich irgendwann das Gefühl, ich muss mal einen Schritt zurück treten. Ich fühlte mich ausgebrannt und alles, was ich sagte und schrieb, der ganze „Kampf gegen Rechts" kam mir vor wie ein Kampf gegen Windmühlen. „Ich lass jetzt mal andere machen", dachte ich mir, „ich konzentriere mich jetzt mal eine Weile auf neue Dinge."

Also habe ich Einladungen ausgeschlagen und Nein gesagt zu Anfragen, Texte zu schreiben, die sich mit allem beschäftigen, was meine Arbeit in den letzten Jahren bestimmt hat. Für mein eigenes Seelenheil. Man kann sich einfach nicht permanent mit Nazis befassen.

Nun denn. Das war dann aber auch nur ein Grund für diese ausgedehnte Blogpause. Seit 2015 denke ich jedes Jahr: „Dieses Jahr wird ruhiger." Und am Ende jedes weiteren Jahres muss ich dann lachen. 2018 war dann auch so ein Fall. Von wegen ruhig. Ich war wieder viel unterwegs, hab Dinge gesehen, erlebt, Menschen getroffen, gelernt, gearbeitet.

Da war zunächst einmal eine Reise nach Polen im Frühjahr. Recherche für ein neues Buch.

4 Wochen lang fuhr ich mit meinem kleinen Mietauto durch den Norden und Osten des Landes, schaute mir Dörfer an und kleine Städte, ließ mir Geschichten von Menschen erzählen, schaute mir Bilder in Museen an und vor allem die wunderschöne Landschaft. Notizbücher füllten sich, Bilder prägten sich ein, Geschichten wuchsen.

Kaum zu Hause, ging es dann schon weiter. Ich hatte das unfassbare Glück und Privileg, als eine von 28 Resident Writers zum International Writing Program der Universität von Iowa eingeladen worden zu sein.

Drei Monate lang verbrachten wir im amerikanischen Mittelwesten, schrieben, lasen, schlossen Herzensverbindungen, reisten gemeinsam, unterrichteten an der Uni, lasen vor, hielten Vorträge, lebten den Traum aller Schriftsteller. Ich habe all die Erfahrungen und Bilder aus Iowa noch nicht verarbeitet. Zu viel, zu intensiv, zu glücklich war die Zeit, um schon jetzt Revue zu passieren und sie in die Kiste mit Erinnerungen zu packen.

Befreundete Autoren, die in der Vergangenheit schon an dem Program teilgenommen haben, sagten mir alle: „Es hat mein Leben verändert!" Ich glaube, ich kann das unterschreiben.

Nun bin ich seit 4 Wochen wieder zurück in Hamburg und frage mich, wo das Jahr eigentlich geblieben ist. Ja, ich wollte längst weiter sein mit dem Schreiben eines neuen Buches. Ich hatte so viele Ideen und Pläne. Aber wie meine Oma immer so schön sagte: „Der Mensch macht Pläne und Gott lacht." Also - es ist so wie es ist, und ich gehe jetzt wieder an die Arbeit.

Zum Thema „neues Buch" sei noch eine Sache gesagt. Kürzlich traf ich eine befreundete Autorin zum Kaffee. Sie arbeitet auch gerade an ihrem neuen Buch, kämpft aber genau wie ich jeden Tag mit sich selbst und den Erwartungen der anderen, weil es vermeintlich nicht schnell genug geht. „Letztens fragte mich ein Journalist, ob ich überhaupt noch schreibe!", erzählt sie und wir regen uns kurz ein bisschen über diese Unverschämtheit auf.

Liebe Leute: Ja, ich schreibe noch. Auch meine Freundin schreibt noch. Ununterbrochen sogar. Aber - um jetzt nur mal von mir zu sprechen: In 2 Jahren hatte ich knapp 100 Lesungen aus meinem ersten Buch. Ich hatte das Glück und große Privileg, sehr viel reisen zu können, dem Buch sei dank. Zwischendurch habe ich Bücher übersetzt, Artikel geschrieben und Workshops geleitet. Alles viel Arbeit. Bücher schreiben braucht Zeit. Und auch ein bisschen Ruhe. Also schenkt euch doch bitte solche Kommentare in Zukunft und gönnt uns die Zeit, die es eben braucht.

In diesem Sinne - Frohe Weihnachten für alle, und ein glückliches und ruhiges (haha) 2019!