200 Jahre Karl Marx: Philosoph, Visionär und kein Marxist

Der Sohn einer vom Judentum zum Protestantismus konvertierten Rechtsanwaltsfamilie änderte die Welt, zumindest die Vorstellung von ihr. Der brillante Intellektuelle war die einflussreichste Figur der internationalen Arbeiterbewegung im 19. Jahrhundert - und ein Mensch, ein „demokratischer Diktator".
Jahre Karl Marx: Philosoph, Visionär kein Marxist
„Eine dichte schwarze Mähne auf dem Kopfe, die Hände mit Haaren bedeckt, den Rock schief zugeknöpft. Seine Bewegungen waren eckig, aber kühn und selbstgewiss. Seine scharfe Stimme, die wie Metall klang, stimmte merkwürdig überein mit den radikalen Urteilen über Menschen und Dinge, die er fällte. Er sprach nicht anders als in imperativen, keinen Widerstand duldenden Worten. Vor mir stand die Verkörperung eines demokratischen Diktators, wie sie auf Momente der Fantasie vorschweben mochte." So sehr wie Marx mit seinen Theorien die Welt bzw. die Sicht auf diese Welt revolutionierte, so imposant und sperrig war auch seine Persönlichkeit für die Zeitgenossen, wie ein russischer Freund mit den zitierten Worten anschaulich beschrieb. Höflichkeit sowie allgemeine gesellschaftliche Manieren können schwer als Stärke von Marx bezeichnet werden. Seine harsche Kompromisslosigkeit und ätzende Kritik verstörten nicht nur seine zahllosen Feinde, sondern auch nicht selten seine wenigen Freunde. Streitigkeiten mit praktisch Jedem bzw. über praktisch Alles bestimmten sein Leben. Dabei war er zeit seines Lebens auf praktische Hilfe durch andere Menschen angewiesen.

Wirtschaftlich abhängig von Engels

In den Wirren der Revolution von 1848, aber auch im Londoner Exil war materielle Not im Hause Marx die Regel. Verachtet vom akademischen und politischen Establishment und unfähig, mit Geld umzugehen, lebten er und seine Familie immer in finanziellen Nöten. Marx häufte riesige Schuldenberge an. Manchmal konnte er gar nicht aus dem Haus gehen, weil seine Kleidung von Gläubigern gepfändet wurde. Dass Marx trotzdem immer weiter schreiben konnte, lag vor allem an Friedrich Engels, dem reichen Industriellensohn, der ihn ab 1844 politisch und finanziell regelmäßig unterstützte. Auch dass Marx nach seinem Tod nicht in die Versenkung verschwand, sondern - im Gegenteil - langsam, aber sicher zu einem ideologischen Figur der erstarkenden Arbeiterbewegung wurde, war ein Verdienst von Engels. Ohne Engels keinen Marx und erst keinen Marxismus - eine Ideologie, die der leidenschaftliche Ideologiekritiker Marx sicherlich mit sarkastischen Worten lächerlich gemacht hätte.

„Narrenhäusler um sich"

Geld beschäftigte Marx sein Leben lang - bekanntlich vor allem auch theoretisch. Den Kapitalismus wollte er in aller gedanklichen Schärfe durchdringen. Eindruck macht er heute noch. Gelesen haben sein „Kapital" wohl zwar nur die wenigsten, aber das Werk sollte sich als wirkungsmächtigstes erweisen. Im alltäglichen Leben kam er nur selten direkt mit dem großen Geld. Im 1882 besuchte er für einige Tage das Casino-Paradies Monte Carlo. Wo heute viele im Internet etwa Spielautomaten bei Gratorama suchen, nahm Marx die schönen betuchten Damen und Herren persönlich in Augenschein. Mit Verachtung sah er den Spielern zu, die den ganz großen Coup planten. „Man glaubt Narrenhäusler vor sich", schrieb er später seiner Tochter Eleanor, um dann, wie die Regel, ins Allgemein-Politische zu verallgemeinern: „Und bei alle dem, welche Kinderei solche Spielbank verglichen mit der Börse!".

Literatur:

Jonathan Sperber, Karl Marx: Sein Leben und sein Jahrhundert, München 2013.
Rolf Hosfeld, Karl Marx, Hamburg 2011.

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200 Jahre Karl Marx: Philosoph, Visionär und kein Marxist

Der Münchner Christoph Marx ist Publizist und Lektor und lebt in Berlin. Er arbeitet als Autor und Redakteur für viele namhafte Verlage und veröffentlichte bzw. verantwortete inhaltlich zahlreiche Werke, v.a. zu historisch-politischen, gesellschaftlichen, sportlichen und kulturellen Themen.Referenzliste unter Autor und Redakteur/Lektor.


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