2. Rundbrief

129.494 km² – 5.995.928 Einwohner – Hauptstadt: Managua – Bruttoinlandsprodukt: 5.723 Mio.
US$ - Grenzt an: Honduras, Costa Rica, den Pazifik und die Karibik – Bekannt für: Rum, Kaffee,
vielseitige Landschaften, insbesondere Seen, Regenwälder, Vulkane – Offizielle Sprache: Spanisch,
neben zahlreichen indigenen Sprachen, z.B. Miskito, Creol, Garifuna - Währung: Cordoba
Das ist Nicaragua! So fasst es zu mindestens Wikipedia in einer überschaubaren Tabelle
leserfreundlich zusammen.
Liebe Freunde,
Liebe Familie,
Liebe Unterstützer,
Liebe Interessierte,
Der zweite Rundbrief ist dazu gedacht, euch ein wenig näher über das Land Nicaragua und seine
Kultur zu informieren.
Natürlich könnte ich an dieser Stelle unzählige Reiseführer oder informative Internetseiten zitieren,
aber ich denke hier geht es vielmehr darum, Euch meine persönliche Sicht näher zu bringen, so wie
ich das Land Nicaragua in den letzten sechs Monaten erlebt und kennen gelernt habe.
Meine Sichtweise ist eingeschränkt und in einigen Teilen subjektiv, es kann also gut sein, dass
andere Berichte ganz unterschiedlich ausfallen.
Wie Nicaragua eigentlich überhaupt so „ist“, beziehungsweise was genau seine typische Kultur
ausmachen könnte, habe ich erst durch verschiedene Reisen durch Mittelamerika sehen können,
denn bis dahin stand Nicaragua mit seiner „Latinokultur“ für mich ohne Vergleich da.
In verschiedenen Weisen, unterscheiden sich diese Länder natürlich auch untereinander, was
beispielsweise bereits bei der Geschichte anfängt, auch wenn sie in ganz Lateinamerika so ähnlich
begann.
Geschichte:
Die Geschichte Nicaraguas ist verhältnismäßig jung und fängt wie so häufig in Lateinamerika mit
der Kolonisation der Spanier Anfang des 16 Jahrhunderts an.
Raubzüge und Versklavungen prägen das Land in dieser Zeit. Die indigene Bevölkerung, die sich in
viele verschiedene Stämme einteilen lässt, wird dabei fast komplett ausgerottet.
Heute gibt es noch vereinzelte indigen Völker, beispielsweise die Miskito oder die Rama, die in den
Regenwäldern und Naturreservaten nahe der Karibikküste leben.
Sie sprechen ihre eigenen Sprachen, leben ein anderes Leben als im Rest Nicaraguas und wollen oft
als autonom gewertet werden. In der Tat ist es alleine schon äußerst schwierig, in diese Gebiete zu
gelangen, denn sie liegen abgeschnitten in den Wäldern, Straßen dorthin gibt es so gut wie keine.
Das Vizekönigreich Guatemala, zu dem Nicaragua zu dieser Zeit gehört, ruft 1821 die
Unabhängigkeit der spanischen Krone aus und so wird auch Nicaragua am 15.09.1821 unabhängig.
Dieser Tag wird hier jedes Jahr besonders groß durch verschiedene Märsche und Veranstaltungen
gefeiert.
Nur einige Jahre nach der Unabhängigkeit Nicaraguas, bricht allerdings eine weitere geschichtlich
dunkle Ära über das Land hinein und zwar durch die lange und grausame Somoza Diktatur, die
mit dem General Somoza beginnt, und durch die Nachfolge seiner drei Söhne weitere vierzig Jahre
dauern soll.
Angst und Tyrannei bestimmen diese Zeit, in der keine freien Meinungen zu gelassen sind.
Regierungsgegner werden in den Vulkan von Masaya geworfen und 1934 lässt Somoza den
Freiheitskämpfer Augusto C. Sandino ermorden, nach welchem sich die linken Oppositionellen, die
sich später ab den 1960er Jahren im Untergrund organisieren, benennen - die „Sandinisten“.
1978 wird durch den Mord an einem liberalen Zeitungsverleger der erste große Volksaufstand
ausgelöst, der sich gegen die Diktatur richtet.
Darauf hin nimmt die sandinistische Revolution ihren Lauf. 1979 wird der dritte Diktator aus der
Somoza Familie gestürzt und Daniel Ortegea, einer der Revolutioniere, führt von da an die
Regierung an.
Allerdings beginnt nur wenig später, Anfang der Achtziger der Bürgerkrieg, in dem die Sandinisten,
gegen die Contra-Rebellen, die stark von den USA unterstützt werden kämpfen.
Nach langwierigen Verhandlungen, werden die Contra-Rebellen entwaffnet und es werden neue
Wahlen vorbereitet, die Ortegas Partei, die FSLN gewinnt.
Auch heute noch sind die Nicaraguaner sehr stolz auf ihre gelungene Revolution, auch wenn sie
spürbar an den Kräften des Landes gezehrt hat.
In scheinbar jeder nicaraguanischen Stadt findet man Hauswände und Gebäude, die mit
revolutionären Parolen besprüht sind - „Die Revolution lebt“ - „Wir kämpfen weiter an der Front!“ -
„Wir sind alle Söhne Sandinos!“
Generell ist Politik jedoch ein heikles Thema, was man (gerade als Ausländer), in der Öffentlichkeit
vielleicht eher nicht ansprechen sollte.
Ende dieses Jahres, werden neue Präsidentschaftswahlen statt finden. Daniel Ortega kandidiert
erneut, wofür er das Gesetz ändern ließ. Angeblich steht das ganze Volk hinter ihm, so soll es zu
mindestens aussehen. Spricht man sich der Regierung kritische gegenüber aus, kann einem das
allerdings einige Nachteile bringen. Internationale Wahlbeobachter will Ortega für die Wahlen nicht
zu lassen.
Kultur:
Die „typische Nica-Kultur“, insofern man eine Kultur überhaupt auf wenige Merkmale reduzieren
kann, ist fröhlich, entspannt und herzlich.
Gefeiert wird viel und gerne, was man alleine schon an den unzähligen Feiertagen erkennen kann,
die sich durch das Jahr schleichen, gerne aber auch schon mal spontan beschlossen werden.
So wird nicht nur der Tag der Mutter, der Unabhängigkeitstag oder der Geburtstag Matagalpas groß
gefeiert, ebenso werden beispielsweise für den Tag des Mais oder das Fest der Erde die Straßen mit
Bühnen und Essensständen geziert.
Gegessen wird gerne, ausgiebig, in großen Mengen und bei jeder nur möglichen Gelegenheit.
Gallo Pinto (ein Reis und Bohnengemisch) und Tortilla gelten dabei als Grundnahrung und werden
sowohl zum Frühstück, als auch zum Mittagessen und man stelle sich vor, ebenso zum Abendessen
verspeist. Dazu gibt es dann gerne Crema und Guajada, ein sehr salziger Käse, frittierte Bananen,
ein bisschen Kohl und ein ordentliches Stück Fleisch.
Essen abzulehnen, wenn man es geschenkt oder angeboten bekommt, ist die unhöflichste Geste, die
man einem Nicaragua einer Person gegenüber nur machen kann. Denn leider ist es nicht
selbstverständlich, dass man überhaupt etwas zu Essen hat und somit ist das Teilen des Wenigen,
eine große Sache. Ich fand es am Anfang schwierig, die kleinen Kekse oder Chips anzunehmen, die
die Kinder mir oft in der Pause schenken und dabei zu wissen, dass es vielleicht das einzige ist, was
sie sich für den Tag leisten können.
Der weltberühmte Flor de Cana Rum, der Stolz Nicaraguas, darf bei einer gelungen Fiesta natürlich
nicht fehlen.
Am Ende jedes Festes kann man dann die ganze Feiergesellschaft tanzen sehen, sehr ausgelassen
und gekonnt. Scheinbar jeder hier besitzt mehr als nur Rhythmus und ich finde es immer wieder
beeindruckend, wenn sogar schon die kleinen Kinder ihre Hüften so schnell und ohne Mühe in alle
möglichen Himmelsrichtungen bewegen können.
Die Lieblingsmusik der Nicaraguaner scheint eindeutig „Reggaeton“ zu sein, mit seinem
unverkennbaren Beat, aber auch romantisch, kitschige Schnulzen oder akustische Gitarrenmusik,
werden immer gerne gehört.
Die Nicaraguaner sind alle sehr religiös, zum größten Teil katholisch. Die evangelischen Kirchen
sind sehr streng hier und verbieten viel, was hier bei den Katholiken nicht der Fall ist.
In fast jedem Bus sind christliche Sprüche zu finden, wie zum Beispiel:
„Herr beschütze diesen Bus und seine Passagiere.“ oder „Gott ist Liebe und Liebe ist Gott“.
Es ist normal, dass Prediger in einen Bus einsteigen und den Mitfahrenden aus der Bibel vor lesen
oder etwas über Gott erzählen.
Wenn man an einer Kirche vorbei fährt, dann bekreuzigt man sich und wenn man sich voneinander
bis zum nächsten Tag verabschiedet, sagt man stets „Si Dios quiere“, wenn Gott will, sehen wir uns
morgen wieder. Auch vor dem Unterricht in der Schule wir gebetet und die Bibel ist eines der ganz
wenigen Bücher, die man in Nicaragua bekommen kann.
Hand in Hand mit dem Glauben geht allerdings so häufig auch der Aberglaube, der hier noch sehr
weit verbreitet ist. Schicksale oder auch Krankheiten sind ebenfalls von Gott bestimmt und wenn
man wieder gesund wird, dann ist es, weil Gott einem dazu verholfen hat.
Grundsätzlich beklagt man sich gerne mal über seine „Wehwehchen“ und Kopfschmerzen scheinen
hier bei vielen eine Art Dauerzustand zu sein. Gegen alles mögliche gibt es verschiedene bunte
Pastillen, die man zu jeder Zeit in der Handtasche bei sich trägt.
Das Gesundheitssystem in Nicaragua ist allerdings noch sehr stark verbesserungsbedürftig.
Die Krankenhäuser sind in einem sehr schlechten und zurückgebliebenen Zustand, mal abgesehen
von der mangelnden Hygiene. Selbst wenn man als akuter Notfall ins Krankenhaus kommt, kann es
sein, dass man trotzdem noch einige Stunden warten muss, bevor man behandelt wird.
Medikamente und verschiedene Behandlungen, sind oft unbezahlbar für den Durchschnitts
Nicaraguaner, weshalb viele schlicht weg nicht zum Arzt gehen können.
Die schlechten Zähne, die die meisten und leider auch schon enorm viele Kinder haben, hängen
auch mit mangelnder Bildung zusammen, genauso wie das starke Übergewicht vieler Nicaraguaner.
Zum einen wissen sie oft nicht, was gut oder schlecht für die Gesundheit ist, zum anderen fehlen
ihnen aber auch die finanziellen Mittel um etwas zu ändern.
Leider gehen immer noch nicht alle nicargaunischen Kinder in die Schule, weil sich viele Eltern die
anfallenden Kosten für Hefte oder Bücher nicht leisten können oder weil sie ihre Kinder zum
arbeiten schicken.
Die Arbeitssituation ist äußerst schlecht. Es gibt nur recht wenig Arbeit, die Gehälter sind niedrig
und selbst wenn man studiert hat, garantiert einem sein Abschluss keine Arbeit.
Ich war zum Beispiel sehr erschrocken, als ich erfahren habe, dass ich über das weltwärts-
Programm Unmengen an Geld im Monat erhalte, deutlich mehr als die Lehrerinnen an meiner
Schule.
Was die Nicaraguaner nicht besitzen ist ein angemessenes Bewusstsein für die Umwelt.
Zwar betonen sie gerne und häufig, wie wunderschön und einzigartig die Natur ihres Landes ist und
dass man gut auf sie aufpassen muss, was sie allerdings nicht daran hindert, ihren Müll einfach so in
eben genau diese wunderschöne Natur zu schmeißen. Es ist normal, dass man eine leere Cola
Flasche, Chipstüte oder ähnliches, aus dem Busfenster, Autofenster oder einfach so auf die Straße
schmeißt. Ich erinnere mich an eine Szene, in der wir mit einer kleinen Fähre von der Karibikküste
nach „Corn Island“(eine Insel in der Karibik) fuhren. Neben mir saß ein kleiner Junge, vielleicht so
um die vier Jahre alt. Er aß Reis mit Bohnen, aus einem Plastik Einwegbehälter. Als er fertig ist,
drückt er es seiner Mutter in die Hand, die ihn nur genervt zur Reling schickt, er solle es ins Meer
schmeißen. Genau das tat er dann auch.
Mit der Zeit habe ich dieses Land immer ein Stückchen weiter kennen lernen und erfahren können.
Es hat mich so einige Male überrascht, dieses Nicaragua; zum Lachen oder zum Nachdenken
gebracht. Es hat ein Stück weit meinen Horizont verschoben, mir neue Ansichten und Lebensweisen
näher gebracht und vor allem hat es mir gezeigt, dass Wertungen immer nur relativ sein können.
Dass sie oft nur wenig weiter helfen und das „Anders“ nicht gleich „Falsch“ bedeutet.
Es ist ein pragmatisches Leben, was die Nicaraguaner Tag für Tag aufs Neue führen. Es bietet
wenig Raum um an die Zukunft zu denken, viel mehr gilt es das Hier und Jetzt zu meistern und zu
genießen. Es wird nicht geplant und trotzdem regelt sich mit der Zeit immer alles schon irgendwie
von selbst- mal mehr, mal weniger.
Man ist stolz auf sein Land und auf das was man hat, auch wenn es noch so wenig ist. Besonders
stolz aber ist man auf die Familie. Zu sechst, zu acht oder zu zehnt wohnt man mit der ganzen
Familie auf engstem Raum zusammen; Privatsphäre gibt es nicht. Alles wird geteilt und nach dem
Motto „Mi casa es tu casa.“ (Mein Haus ist dein Haus), sind Gäste und Besucher zu jeder Zeit
herzlich willkommen.
Die Nicaraguaner sehen es als eine Beleidigung an, wenn man ihr Land als „arm“ bezeichnet und
beklagen tut man sich nur über misslungene Ernten oder Krankheiten.
Kleine Schwindeleien werden nicht als Lüge gezählt; alle sehen sich als Poeten und Dichter, wenn
sie auf der Straße über die Schönheit des Lebens reden.
Man hat Geduld und grundsätzlich wird Warten nicht als Zeitverschwendung angesehen.
Man hat eine positive Einstellung dem Leben gegenüber; denn das Leben wird als ein Geschenk
Gottes gesehen und alles was geschieht und passiert, ist von Gott so gewollt. Es gibt also immer
einen Grund. So durchlebt man jeden Tag „tranquilo“ (ruhig) und erfreut sich an den kleinen
Dingen und Augenblicken, die in einer schnellen, modernisierten westlichen Welt häufig übersehen
werden.
Grüße aus Matagalpa
Maren

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