2. November 2010, Über Metaphysik und Zwerge, 5.57 Uhr

Kaffee, Zigarette, ich müsste eigentlich noch einen Film besprechen, zumindest liegt die Hülle hier, sie sonnt sich im Süden der linken Schreibtischhälfte, ein französisches Filmchen, archaisch, gut, Tante Daniele, aber ich schiebe es immer wieder auf, so wie man ständig die Dinge vor sich her schiebt, woher soll ich denn die Zeit nehmen, obwohl ich die Zeit habe, da würde die Seraphe jetzt widersprechen, vielleicht würde sie aber auch sagen, woher nimmst du dir das Recht, mich in deinen Texten Dinge sagen zu lassen, die ich so nie gesagt habe, weil das Leben zur Theaterbühne geworden ist, ja, meine werten Leserinnen und Leser, es ist schon seltsam, wenn das Leben zum Rohmaterial für das Geschriebene wird, vielleicht ist dies die reinste Form eines so undurchschaubaren Begriffs wie Metaphysik, da schießt mir mein Traum der letzten Nacht in den Kopf, ersann mein schlummerndes Hirn mir doch eine Figur, ein Wesen, eher einen tatsächlichen Mensch namens Alfred, der, Sie würden ihn kleinwüchsig nennen, an der Welt der Großwüchsigen litt, eben weil er seine eigene Größe nie hinterfragte, er stiefelte durch eine Fußgängerzone dahin, dachte, ich soll die wohl alle am Arsch lecken, denn warum sollte er auch anderes denken, wo sie ihm doch alle ihre Ärsche ins Gesicht hielten, er unterbrach sich im Marsch, verschnaufte, stand vor einer Bank, auf der riesige und unansehnliche Frauen gigantische Kuchenstücke in sich schaufelten, da soll mir nicht schlecht werden, dachte Alfred, und so weiter und so fort, ein merkwürdiges Träumlein über die Sichtweise, denn auf die Sichtweise kommt es an, sich einmal in alle Sichten einarbeiten, das ist die Aufgabe des Schriftstellers, Erzählers, Autors, Gott und Fuck, nennen Sie den Typ doch wie Sie wollen, mal muss er in die Rolle eines Stuttgarter Polizisten, mal in die Rolle eines Stuttgarter Demonstranten, er wird seine Wahrheiten schon fleißig einsammeln können, immer hinein mit den Wahrheiten ins Körbchen, dann schüttet man sie aus und zimmert sich einen Text daraus, vielleicht, vielleicht auch nicht, das kommt wahrscheinlich ganz auf die metaphysische Muskulatur des Schriftstellers, Erzählers, Autor an, ich sagte bereits, nennen Sie den Typ doch wie Sie wollen, ja, und dann schafft er sich sein eigenes Weltstück, kein Weltfluchtstück, denn das Weltfluchtstück führen die Realitätenhändler auf, denn wenn er am Morgen erwacht, dann hebt sich der Vorhang, er betritt auf leisen Sohlen die Bühne, leiser Applaus ist zu hören, denn man will die anderen Spieler noch nicht wecken, er greift sich seine Zigarette, tritt auf den Bühnenbalkon und raucht der Welt eine Zigarette vor, so hat die Welt noch niemanden rauchen sehen, er schreitet zurück, schenkt sich einen Becher mit Kaffee ein, er hört ein Räuspern aus dem Publikum, er setzt sich an den Schreibtisch, Sie wissen schon, der Schriftsteller, Erzähler, Autor, er öffnet eine Datei, beginnt zu schreiben, er schreibt: Kaffee, Zigarette, ich müsste eigentlich noch einen Film besprechen, zumindest liegt die Hülle hier, sie sonnt sich im Süden der linken Schreibtischhälfte, ein französisches Filmchen, archaisch, gut, Tante Daniele, aber ich schiebe es immer wieder auf, so wie man ständig die Dinge vor sich her schiebt, woher soll ich denn die Zeit nehmen, obwohl ich die Zeit habe, da würde die Seraphe jetzt widersprechen, vielleicht würde sie aber auch sagen, woher nimmst du dir das Recht, mich in deinen Texten Dinge sagen zu lassen, die ich so nie gesagt habe, weil das Leben zur Theaterbühne geworden ist, ja, meine werten Leserinnen und Leser, es ist schon seltsam, wenn das Leben zum Rohmaterial für das Geschriebene wird.



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