Als den "Sohn von Kohl" betrachten ihn zunächst die
meisten Menschen, die ihn kennenlernen: Walter Kohl ist der ältere Sohn des vor fast zwei Jahren verstorbenen früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl. Walter Kohl hat bereits 2011 in seinem Buch Leben oder gelebt werden über das Verhältnis zwischen ihm und seinem Vater geschrieben.
Auf rund 270 Seiten schreibt er, wie er schon unter den Prioritäten seines Vaters gelitten hattte, als dieser noch ein Lokalpolitiker war. Für Helmut Kohl war die wahre Heimat seine Partei, die CDU. Die Familie war der Hafen, in den er zwischen den Terminen einlief.
Hannelore Kohl war die Managerin der gesamten Familie, sie regelte alles selbstständig und hielt die Unbilden eines normalen Lebens von ihrem Mann fern. Sogar den Job als Wahlkampfmanagerin füllte sie aus. Helmut Kohl nutzte den Freiraum, um seine eigene Karriere voranzutreiben. Wie man weiß, mit Erfolg. Er ignorierte die berechtigte Angst seiner Familie, Opfer eines Anschlags zu werden und wischte auch die Versuche seines Sohnes Walter, mit ihm über die alltäglichen Diffamierungen zu sprechen, die ihm schon als Kind wegen der von seinem Vater getroffenen Entscheidungen entgegenschlugen, mit dem Satz "Du musst stehen!" vom Tisch. Das Signal hinter diesen wenigen Worten war eindeutig: Helmut Kohl hatte nicht vor, seinem Sohn beizustehen und zu ihm zu halten. Dem Sohn wurde mit diesem Ausspruch deutlich, dass er alles, was ihn belastete, ohne die Unterstützung seines Vaters aushalten musste.
Walter Kohl spürte immer wieder sehr genau, dass er nicht danach beurteilt wurde, was oder wie er war, sondern nur nach dem, was man ihm wegen seines Vaters zuschrieb. Der einzige Anker war seine Mutter Hannelore Kohl. Sie spürte, wenn es einem ihrer Söhne nicht gutging und versuchte, immer für sie da zu sein. Gegen ihren Mann konnte sie jedoch nichts ausrichten. Walter Kohl beschreibt, dass sie ihm auch dann nicht widersprach, wenn sie eine seiner Reaktionen oder Entscheidungen für falsch hielt.
Ein einschneidendes Erlebnis im Leben Walter Kohls war ein Gespräch mit hohen Polizeibeamten, das 1976 stattgefunden hat. Er war damals 13 Jahre alt und wurde im Beisein seiner Mutter darüber in Kenntnis gesetzt, dass im Falle seiner Entführung ein maximales Lösegeld gezahlt werden würde. Sollten die Täter mehr als fünf Millionen Mark für seine Auslieferung fordern, würde die Bundesrepublik Deutschland nicht zahlen. Jedem im Raum war klar, was dann mit der Geisel Walter Kohl passieren würde. Und Walter Kohl war klar, dass diese Vereinbarung zuvor mit seinen Eltern besprochen worden war und diese sie akzeptiert hatten. In dem Kind Kohl setzte sich das Gefühl fest, nicht wichtig zu sein und keinen Wert zu haben.
Walter Kohl hat sich viele Jahre in einer Opferrolle gesehen. Ein Leben im Opferland hat er das selbst genannt. Erst nach langer Zeit verstand er, dass er selbst es war, der sich in diese Position begeben hatte. Es lag an ihm, sich zu ändern und zu versuchen, seinem Vater gegenüber den Weg der Versöhnung einzuschlagen. Dass der Vater die Hand zur Versöhnung ausschlug und seinem Sohn die Vermutung bestätigte, mit ihm nichts mehr zu tun haben wollen, ist eine tragische Facette in dieser schwierigen Beziehung.
Tragisch für den jungen Walter ist auch, dass er zufällig dem damaligen Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer begegnete und dieser ein offenes Ohr für ihn hatte. Eine großartige und bewegende Erfahrung, dass da jemand, der so viel älter war, auf Augenhöhe mit ihm sprach. Doch kurz darauf wurde Schleyer von der RAF entführt und ermordet.
Das Verhältnis zwischen Helmut und Walter Kohl ist eine Geschichte der Entfremdung und des stetigen gegenseitigen Unverständnisses. Helmut Kohl schaffte es 2001 nicht einmal, selbst zum Telefonhörer zu greifen und seinem Sohn die traurige Nachricht vom Selbstmord der Mutter mitzuteilen. Statt dessen übernahm Kohls Büroleiterin Juliane Weber diese sehr persönliche Aufgabe.
Walter Kohl schreibt, er habe mit dem Thema "Sohn vom Kohl" abgeschlossen und losgelassen. Er schreibt auch, dass er sich auf einem guten Weg sieht. Nach allem, was in seinem Buch über den Vater und Politiker Helmut Kohl zu lesen war, bleiben auch nach der letzten Seite Zweifel.
2013 erschien Walter Kohls zweites Buch Leben, was du fühlst. Auch hier beschäftigt er sich mit der ungewöhnlichen und belastenden Familiensituation im Hause Kohl. Sie wird ihn vermutlich sein Leben lang begleiten.
Leben oder gelebt werden ist bei Integral erschienen und kostet als gebundenes Buch 18,97 Euro, als Taschenbuch, epub- oder Kindle-Ausgabe 9,99 Euro sowie auf Audio-CD 13,95 Euro.
meisten Menschen, die ihn kennenlernen: Walter Kohl ist der ältere Sohn des vor fast zwei Jahren verstorbenen früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl. Walter Kohl hat bereits 2011 in seinem Buch Leben oder gelebt werden über das Verhältnis zwischen ihm und seinem Vater geschrieben.
Auf rund 270 Seiten schreibt er, wie er schon unter den Prioritäten seines Vaters gelitten hattte, als dieser noch ein Lokalpolitiker war. Für Helmut Kohl war die wahre Heimat seine Partei, die CDU. Die Familie war der Hafen, in den er zwischen den Terminen einlief.
Hannelore Kohl war die Managerin der gesamten Familie, sie regelte alles selbstständig und hielt die Unbilden eines normalen Lebens von ihrem Mann fern. Sogar den Job als Wahlkampfmanagerin füllte sie aus. Helmut Kohl nutzte den Freiraum, um seine eigene Karriere voranzutreiben. Wie man weiß, mit Erfolg. Er ignorierte die berechtigte Angst seiner Familie, Opfer eines Anschlags zu werden und wischte auch die Versuche seines Sohnes Walter, mit ihm über die alltäglichen Diffamierungen zu sprechen, die ihm schon als Kind wegen der von seinem Vater getroffenen Entscheidungen entgegenschlugen, mit dem Satz "Du musst stehen!" vom Tisch. Das Signal hinter diesen wenigen Worten war eindeutig: Helmut Kohl hatte nicht vor, seinem Sohn beizustehen und zu ihm zu halten. Dem Sohn wurde mit diesem Ausspruch deutlich, dass er alles, was ihn belastete, ohne die Unterstützung seines Vaters aushalten musste.
Walter Kohl spürte immer wieder sehr genau, dass er nicht danach beurteilt wurde, was oder wie er war, sondern nur nach dem, was man ihm wegen seines Vaters zuschrieb. Der einzige Anker war seine Mutter Hannelore Kohl. Sie spürte, wenn es einem ihrer Söhne nicht gutging und versuchte, immer für sie da zu sein. Gegen ihren Mann konnte sie jedoch nichts ausrichten. Walter Kohl beschreibt, dass sie ihm auch dann nicht widersprach, wenn sie eine seiner Reaktionen oder Entscheidungen für falsch hielt.
Ein einschneidendes Erlebnis im Leben Walter Kohls war ein Gespräch mit hohen Polizeibeamten, das 1976 stattgefunden hat. Er war damals 13 Jahre alt und wurde im Beisein seiner Mutter darüber in Kenntnis gesetzt, dass im Falle seiner Entführung ein maximales Lösegeld gezahlt werden würde. Sollten die Täter mehr als fünf Millionen Mark für seine Auslieferung fordern, würde die Bundesrepublik Deutschland nicht zahlen. Jedem im Raum war klar, was dann mit der Geisel Walter Kohl passieren würde. Und Walter Kohl war klar, dass diese Vereinbarung zuvor mit seinen Eltern besprochen worden war und diese sie akzeptiert hatten. In dem Kind Kohl setzte sich das Gefühl fest, nicht wichtig zu sein und keinen Wert zu haben.
Walter Kohl hat sich viele Jahre in einer Opferrolle gesehen. Ein Leben im Opferland hat er das selbst genannt. Erst nach langer Zeit verstand er, dass er selbst es war, der sich in diese Position begeben hatte. Es lag an ihm, sich zu ändern und zu versuchen, seinem Vater gegenüber den Weg der Versöhnung einzuschlagen. Dass der Vater die Hand zur Versöhnung ausschlug und seinem Sohn die Vermutung bestätigte, mit ihm nichts mehr zu tun haben wollen, ist eine tragische Facette in dieser schwierigen Beziehung.
Tragisch für den jungen Walter ist auch, dass er zufällig dem damaligen Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer begegnete und dieser ein offenes Ohr für ihn hatte. Eine großartige und bewegende Erfahrung, dass da jemand, der so viel älter war, auf Augenhöhe mit ihm sprach. Doch kurz darauf wurde Schleyer von der RAF entführt und ermordet.
Das Verhältnis zwischen Helmut und Walter Kohl ist eine Geschichte der Entfremdung und des stetigen gegenseitigen Unverständnisses. Helmut Kohl schaffte es 2001 nicht einmal, selbst zum Telefonhörer zu greifen und seinem Sohn die traurige Nachricht vom Selbstmord der Mutter mitzuteilen. Statt dessen übernahm Kohls Büroleiterin Juliane Weber diese sehr persönliche Aufgabe.
Walter Kohl schreibt, er habe mit dem Thema "Sohn vom Kohl" abgeschlossen und losgelassen. Er schreibt auch, dass er sich auf einem guten Weg sieht. Nach allem, was in seinem Buch über den Vater und Politiker Helmut Kohl zu lesen war, bleiben auch nach der letzten Seite Zweifel.
2013 erschien Walter Kohls zweites Buch Leben, was du fühlst. Auch hier beschäftigt er sich mit der ungewöhnlichen und belastenden Familiensituation im Hause Kohl. Sie wird ihn vermutlich sein Leben lang begleiten.
Leben oder gelebt werden ist bei Integral erschienen und kostet als gebundenes Buch 18,97 Euro, als Taschenbuch, epub- oder Kindle-Ausgabe 9,99 Euro sowie auf Audio-CD 13,95 Euro.