Der Bosnienkrieg hat die Welt von 1992 bis 1995 in
Atem gehalten. Unvergessen sind die grausamen Gemetzel wie in Srebrenica, die nicht nur gegen Soldaten, sondern auch gegen Zivilisten gerichtet waren und von den anwesenden Blauhelm-Soldaten der Vereinten Nationen nicht gestoppt wurden. Erst das Ende 1995 geschlossene Friedensabkommen von Dayton beendete den Kriegszustand.
2001 macht sich Juli Zeh auf den Weg nach Bosnien-Herzegowina. Ihr einziger Begleiter: ihr Hund Othello, der wie sie unterwegs eine Menge auszuhalten hat.
In ihrem 2002 erschienenen Buch Die Stille ist ein Geräusch: Eine Fahrt durch Bosnien beschreibt Juli Zeh, wie sie versucht, die selbst gestellten Fragen zu beantworten. Eine davon heißt: Wer hasst wen und wie sehr? Es ist eine Frage, die ihr dabei helfen soll, den wahren Hintergründen, die den Krieg ausgelöst haben, auf den Grund zu gehen. Die Antworten, die sie von den Menschen, denen sie auf ihrer Reise zufällig begegnet, haben eine Gemeinsamkeit: Die Erklärung der Weltpresse, dahinter habe ein ethnischer Konflikt gestanden, wird ganz überwiegend für Unsinn gehalten. Die genannten Gründe könnten jedoch nicht unterschiedlicher sein.
Das Land ist zerstört, manches wurde wieder aufgebaut, anderes blieb in Trümmern. Mittendrin ist die deutsche Schriftstellerin Juli Zeh, die ihre Reise so beginnt wie jemand, der im Freibad auf dem Zehn-Meter-Brett steht und sich kurz vor dem Sprung einen Ruck gibt: ziemlich kurzentschlossen und - so scheint es - ohne größere Vorbereitungen. Wie wenig Bosnien-Herzegowina als touristisches Ziel gilt, merkt sie bereits im Reisebüro an der Reaktion der Angestellten: "Was wollen Sie da? Da ist doch Krieg!" Der Versuch, bei einem der größten deutschen Autovermieter für einen Monat ab Sarajevo einen Pkw zu mieten, scheitert an den horrenden Kosten: 3.500 $ werden verlangt. Vermutlich geht man in dem Unternehmen davon aus, dass man das Fahrzeug angesichts des Reiseziels auf die Verlustliste setzen muss.
Der Roadtrip beginnt zunächst mit einer Zugfahrt, die von Wien über das slowenische Maribor nach Zagreb führt. Dort bekommt sie von einem Freund eines Freundes eine Kurzinfo in bosnischer Staats- und Gesellschaftskunde und Verhaltenstipps. Später, auf dem Weg nach Sarajevo, erfindet sie eine neue Sprache, um mit den Kommunikationsschwierigkeiten fertig zu werden: Endepol ist eine Mischung aus Englisch, Deutsch und Polnisch, erweist sich im Laufe der Reise aber nicht immer als zuverlässige Verständigungshilfe. Sie macht Halt in Jajce, einer Kleinstadt, deren Bevölkerung sich infolge des Bosnienkrieges neu zusammenstzte. Weitere Stationen sind Mostar, Sarajevo, Pale, Fojnica, Čapljina, Tuzla, Srebrenica, Travnik, Banja Luka, Zagreb und einige kleinere Orte, die hier praktisch unbekannt sind. Innerhalb Bosnien-Herzegowinas legt sie die Strecken mit einem Auto zurück. Die Namen der meisten Städte, die sie besucht, sind hier durch die damalige Berichterstattung in den Nachrichten bekannt.
Juli Zeh verbringt körperlich anstrengende Wochen in Bosnien-Herzegowina. Eine für Touristen geeignete Infrastruktur gibt es nicht, Unterkünfte findet sie unterwegs eher zufällig, ihre Ernährung ist - gelinde gesagt - ungesund. Sie lässt sich treiben und entschließt sich oft spontan, die eine oder andere Richtung einzuschlagen. In den größeren Städten erlebt sie eine andere Stimmung als in den kleinen Ortschaften: Während die Städter sich offen geben und abends gepflegt durch das Zentrum flanieren, ist in den Kleinstädten und Dörfern der Wiederaufbau noch nicht weit gekommen und der Krieg in den Köpfen der Menschen noch deutlich präsenter.
Da Juli Zeh als Deutsche zur sog. "intrenational crowd" gehört, ist das Orgaisieren eines SFOR-Ausweises kein Problem. Dieser Ausweis erweist sich etliche Male als Türöffner. Das schützt sie aber nicht vor der fast allgegenwärtigen Gefahr, Opfer einer Mine zu werden. Besonders bewusst wird ihr das, als auf einer Bergkuppe bei Mostar einen großes aus Steinen gelegtes "H" irrtümlich als Zeichen für "Helikopter" interpretiert. Erst bei näherem Hinsehen wird Zeh klar, dass es sich um ein großes "M" handelt und sie sich mitten in einem abgesperrten Minengebiet befindet.
Lesen?
Die Stille ist ein Geräusch: Eine Fahrt durch Bosnien ist in mehrerer Hinsicht ein lesenswertes Buch. Juli Zeh hat keinen der üblichen Reisebrichte geschrieben, sondern ihre Beobachtungen notiert: über die Menschen, das, was der Krieg mit ihnen gemacht hat und nicht zuletzt über sich selbst. Sie haucht auch dem, was auf den ersten Blick tot wirkt, noch Leben ein und verzichtet bei aller Empathie darauf, von ihrem vom Krieg geschundenen Reiseland ein Bild des Entsetzens zu zeichnen. Lesen!
Die Stille ist ein Geräusch: Eine Fahrt durch Bosnien ist in der mir vorliegenden Ausgabe bei Schöffling & Co. erschienen. Die Taschenbuchausgabe kostet 10 Euro, die epub- oder Kindle-Edition 9,99 Euro. Das gebundene Buch ist nur noch antiquarisch zu bekommen.
Atem gehalten. Unvergessen sind die grausamen Gemetzel wie in Srebrenica, die nicht nur gegen Soldaten, sondern auch gegen Zivilisten gerichtet waren und von den anwesenden Blauhelm-Soldaten der Vereinten Nationen nicht gestoppt wurden. Erst das Ende 1995 geschlossene Friedensabkommen von Dayton beendete den Kriegszustand.
2001 macht sich Juli Zeh auf den Weg nach Bosnien-Herzegowina. Ihr einziger Begleiter: ihr Hund Othello, der wie sie unterwegs eine Menge auszuhalten hat.
In ihrem 2002 erschienenen Buch Die Stille ist ein Geräusch: Eine Fahrt durch Bosnien beschreibt Juli Zeh, wie sie versucht, die selbst gestellten Fragen zu beantworten. Eine davon heißt: Wer hasst wen und wie sehr? Es ist eine Frage, die ihr dabei helfen soll, den wahren Hintergründen, die den Krieg ausgelöst haben, auf den Grund zu gehen. Die Antworten, die sie von den Menschen, denen sie auf ihrer Reise zufällig begegnet, haben eine Gemeinsamkeit: Die Erklärung der Weltpresse, dahinter habe ein ethnischer Konflikt gestanden, wird ganz überwiegend für Unsinn gehalten. Die genannten Gründe könnten jedoch nicht unterschiedlicher sein.
Das Land ist zerstört, manches wurde wieder aufgebaut, anderes blieb in Trümmern. Mittendrin ist die deutsche Schriftstellerin Juli Zeh, die ihre Reise so beginnt wie jemand, der im Freibad auf dem Zehn-Meter-Brett steht und sich kurz vor dem Sprung einen Ruck gibt: ziemlich kurzentschlossen und - so scheint es - ohne größere Vorbereitungen. Wie wenig Bosnien-Herzegowina als touristisches Ziel gilt, merkt sie bereits im Reisebüro an der Reaktion der Angestellten: "Was wollen Sie da? Da ist doch Krieg!" Der Versuch, bei einem der größten deutschen Autovermieter für einen Monat ab Sarajevo einen Pkw zu mieten, scheitert an den horrenden Kosten: 3.500 $ werden verlangt. Vermutlich geht man in dem Unternehmen davon aus, dass man das Fahrzeug angesichts des Reiseziels auf die Verlustliste setzen muss.
Der Roadtrip beginnt zunächst mit einer Zugfahrt, die von Wien über das slowenische Maribor nach Zagreb führt. Dort bekommt sie von einem Freund eines Freundes eine Kurzinfo in bosnischer Staats- und Gesellschaftskunde und Verhaltenstipps. Später, auf dem Weg nach Sarajevo, erfindet sie eine neue Sprache, um mit den Kommunikationsschwierigkeiten fertig zu werden: Endepol ist eine Mischung aus Englisch, Deutsch und Polnisch, erweist sich im Laufe der Reise aber nicht immer als zuverlässige Verständigungshilfe. Sie macht Halt in Jajce, einer Kleinstadt, deren Bevölkerung sich infolge des Bosnienkrieges neu zusammenstzte. Weitere Stationen sind Mostar, Sarajevo, Pale, Fojnica, Čapljina, Tuzla, Srebrenica, Travnik, Banja Luka, Zagreb und einige kleinere Orte, die hier praktisch unbekannt sind. Innerhalb Bosnien-Herzegowinas legt sie die Strecken mit einem Auto zurück. Die Namen der meisten Städte, die sie besucht, sind hier durch die damalige Berichterstattung in den Nachrichten bekannt.
Juli Zeh verbringt körperlich anstrengende Wochen in Bosnien-Herzegowina. Eine für Touristen geeignete Infrastruktur gibt es nicht, Unterkünfte findet sie unterwegs eher zufällig, ihre Ernährung ist - gelinde gesagt - ungesund. Sie lässt sich treiben und entschließt sich oft spontan, die eine oder andere Richtung einzuschlagen. In den größeren Städten erlebt sie eine andere Stimmung als in den kleinen Ortschaften: Während die Städter sich offen geben und abends gepflegt durch das Zentrum flanieren, ist in den Kleinstädten und Dörfern der Wiederaufbau noch nicht weit gekommen und der Krieg in den Köpfen der Menschen noch deutlich präsenter.
Da Juli Zeh als Deutsche zur sog. "intrenational crowd" gehört, ist das Orgaisieren eines SFOR-Ausweises kein Problem. Dieser Ausweis erweist sich etliche Male als Türöffner. Das schützt sie aber nicht vor der fast allgegenwärtigen Gefahr, Opfer einer Mine zu werden. Besonders bewusst wird ihr das, als auf einer Bergkuppe bei Mostar einen großes aus Steinen gelegtes "H" irrtümlich als Zeichen für "Helikopter" interpretiert. Erst bei näherem Hinsehen wird Zeh klar, dass es sich um ein großes "M" handelt und sie sich mitten in einem abgesperrten Minengebiet befindet.
Lesen?
Die Stille ist ein Geräusch: Eine Fahrt durch Bosnien ist in mehrerer Hinsicht ein lesenswertes Buch. Juli Zeh hat keinen der üblichen Reisebrichte geschrieben, sondern ihre Beobachtungen notiert: über die Menschen, das, was der Krieg mit ihnen gemacht hat und nicht zuletzt über sich selbst. Sie haucht auch dem, was auf den ersten Blick tot wirkt, noch Leben ein und verzichtet bei aller Empathie darauf, von ihrem vom Krieg geschundenen Reiseland ein Bild des Entsetzens zu zeichnen. Lesen!Die Stille ist ein Geräusch: Eine Fahrt durch Bosnien ist in der mir vorliegenden Ausgabe bei Schöffling & Co. erschienen. Die Taschenbuchausgabe kostet 10 Euro, die epub- oder Kindle-Edition 9,99 Euro. Das gebundene Buch ist nur noch antiquarisch zu bekommen.