19. Wustmann über Schittko

Ich sortier mal die Pros und Contras in Wustmanns übersichtlich gegliedertem Text:

Pro Contra

Clemens Schittko ist ein bissiger Zeitgenosse, zumindest in seiner Lyrik.

Er teilt gerne aus, gegen den alltäglichen bundesdeutschen Politirrsinn,

gegen das, was sich Literaturbetrieb schimpft,

ja sogar gegen die Lyrik selbst, die heute in der Masse so dröge und langweilig ist.

Wenn auch Schittko längst nicht dessen Qualität erreicht,

so ist man von der Grundhaltung doch an Bukowski erinnert, der einmal in einem Lyrikseminar saß und auf die Frage des Dozenten, warum er denn so still sei, antwortete: „Ich habe hier bisher nur Stuss gehört.“

Schittkos Stil ist simpel, seine Strukturen versuchen gar nicht erst, undurchschaubar zu sein. Das macht ihn sympathisch. Er schwimmt gegen den Strom des zwanghaften Verkomplizierens.

… man könnte meinen, er wäre mit einer Zeitmaschine direkt aus den 70ern gekommen, in denen der Alltagsduktus der Lyrik ein mitunter beachtliches Publikum bescherte.

Schittkos Lyrik ist immer auch böse Realsatire an der Grenze zur Anklage und manchmal darüber hinaus (stellenweise etwas zu plakativ, zu starrsinnig links,

aber das mag man diesen Versen verzeihen – es ist ein Austeilen, das Spaß macht, weil nur wenige es sich trauen).

… Diesen Vers kann man als Anspielung auf den Komplexitäts- und Verschlüsselungswahn sehen.

Und treffender als in diesem kann man die aktuelle deutsche Lyrikszene kaum aufs Korn nehmen: „Lyrik, die ihre Abnehmer mit ihren Anbietern verwechselt.“

Und auch der hier ist nett: „Lyrik, die nur noch als kopflastiger Spam-Mail-Text die Chance hat, / von der Literaturwissenschaft kanonisiert zu werden.“

Einen großen Nachteil allerdings hat dieses Langgedicht „Eine neue Lyrik“: Es richtet sich über weite Strecken an die Lyrikszene. Wer sich mit dieser nicht befasst bzw. die immer wieder aufkochenden Debatten nicht verfolgt, wird zu vielen der

herrlichen Frotzeleien kaum einen Zugang finden.

Ob das ironische Absicht ist ?

Gerrit Wustmann, cineastentreff

Ich würd manchen Akzent anders setzen, klar. (Es gibt auch zwanghaftes Versimpeln). Aber wär ich der Autor, würd ich den Kritiker ohrfeigen, der diese Verse nett findet (oder mit Fried und Bukowski vergleicht). Als ich: lob ich das starrsinnig Linke an Schittkos Gedicht, weil und obwohl es satirische Verse sind.

Clemens Schittko: Und ginge es demokratisch zu. sUkUltUr Verlag. 1 €*

*) Meine Erfahrung: Wenn man 10 Stück nimmt und weiterteilt, besorgt es auch die gute Buchhandlung.



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