„Über Lyris willst du schreiben? Tja, da bist du zu spät gekommen“: Der Jerusalemer Kreis versammelt die letzten deutschsprachigen Autoren aus der Generation Paul Celans (…)
Der 1922 geborene Autor und Bildhauer Manfred Winkler kommt wie Shmueli ebenfalls aus der Bukowina, aus Putila, und wie Shmueli veröffentlicht er Lyrik beim Aachener Rimbaud-Verlag. Mit seiner Frau Herma wohnt er in den Bergen bei Jerusalem. Von dort aus schafft er es ebenfalls nicht mehr zu den Treffen. In den Kriegsjahren verlor er sowohl im Zuge der Deportationen der Deutschen als auch der „Umsiedelungen“ der Kommunisten seine gesamte Familie. 1959 erst machte Winkler Aliyah, wanderte nach Palästina aus, denn so lange dauerte es, bis ihm erlaubt war, aus Rumänien auszureisen, wo er zehn Jahre lang lebte, arbeitete und schrieb. Mit einem Mantel und einem Hut, beschreibt Herma Winkler ihren Mann, wie in Europa, so ist er hier angekommen. Und dann so in den Kibbuz Beit Alfa gefahren. Ein Bild für die Götter sei das gewesen.
Jeckes wurden die korrekt gekleideten deutschen Einwanderer damals genannt – manche vermuten, es käme von dem Wort Jacke. Im Kibbuz blieb Winkler nur ein Jahr. Die Erfahrungen, die er im Ostblock mit dem Kommunismus machte hätten ihm gereicht. In Jerusalem besuchte er den Sprachkurs Ulpan, der den Einwanderern in kürzester Zeit ein alltagstaugliches Hebräisch beibrachte, und nach wenigen Monaten schrieb er sein erstes hebräisches Gedicht. Und gewann sofort Preise. Manches macht, dass ich auf Deutsch schreibe, manches, dass ich auf Hebräisch schreibe, sagt er. Alles ist irgendwie in Verbindung. Und jetzt werde ich dir vorlesen, was ich erlebt habe, als ich hier ankam. Nix, nämlich. Alles und nix.
Was er vorliest, ist ein Auszug aus einem Brief an seinen Freund, den siebenbürgischen Autor Hans Bergel. Die Korrespondenz der beiden wird demnächst im Berliner Verlag Frank & Timme erscheinen: „1962 erschien der erste selbstständige Lyrikband (auf Hebräisch). Er war innerhalb von 6 Wochen vergriffen. Im Alter von 40 Jahren wurde ich zu einer Art Wunderkind der hebräischen Literatur. Trotz der fast unsäglichen Schwierigkeiten waren es die glücklichsten Jahre meines Lebens, nicht allein das Gefühl der Freiheit beherrschte mich, sondern auch die Gewissheit, endlich in einem Land Boden unter den Füßen zu haben. Ich war ununterbrochen inspiriert. Die äußeren und inneren Schwierigkeiten wirkten befruchtend auf mich. Die Dynamik, die das Land beseelte und vorantrieb, machte mich besessen.“ / Luise Boege, Freitag