Die Schweizerin Nelly Diener war 22, als sie ihren Mut zusammennahm und sich bei der damals noch jungen Fluggesellschaft Swissair um eine Stelle als Flugbegleiterin bewarb. Im Gespräch mit dem Direktor verschwieg sie alles, von dem sie vermutete, dass es sie in einem ungünstigen Licht erscheinen lassen könnte: ihren eigentlichen Vornamen Hedwig, der ihr zu altbacken war und dem sie ihren zweiten Vornamen Nelly vorzog; die fünf Halbgeschwister und nicht zuletzt den damals noch anrüchigen Umstand, dass ihre Eltern geschieden waren.
Pascale Marder erzählt die Geschichte von Nelly Diener aus deren Sicht und und aus der eines Reporters der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) jeweils in der Ich-Form und hält sich dabei an die historischen Fakten. Als die junge Frau 1934 als erste Flugbegleiterin Europas berufliches Neuland betrat, war das eine Sensation. Als Vorbild diente die amerikanische Krankenschwester Ellen Church, die bereits vier Jahre zuvor als weltweit erste im Service tätige Flugbegleiterin für Boeing das neue Berufsbild einführte.
Die (kurze) Geschichte von Nelly Diener ist eng mit der Geschichte des europäischen Linienflugs verknüpft und zeigt, unter welchen Bedingungen Crew und Pasagiere die Strecken zurücklegten. Diener war nicht nur dazu da, auf der Strecke Zürich - Berlin die Fluggäste zu beruhigen, wenn das Wetter mal nicht so mitspielte, sondern hat auch auf eigene Rechnung selbst geschmierte Brote und Cognac serviert. Sie tat das so charmant und umsichtig, dass die Piloten schon nach kurzer Zeit ihre Meinung, eine Frau habe an Bord eines Flugzeugs nichts zu suchen, revidierten.
Diener begegnet auf ihren Flügen vielen Prominenten und fand immer den richtigen Ton. Schon nach kurzer Zeit war sie selbst so bekannt, dass sie immer ein paar Autorammkarten bei sich trug, die sie auf Wunsch gern signierte.
Nelly Diener wurde von ihren Chefs ein langes Wochenende in Berlin versprochen, sobald sie ihre ersten 100.000 Flugkilometer hinter sich gebracht hatte. Wegen des engen Flugplans kannte sie bislang von der deutschen Hauptstadt nur den Flughafen. Für diese Tage und auch für künftige Abwesenheiten wählte sie selbst ihre Vertreterin aus. Sie konnte nicht ahnen, dass es zu dem Aufenthalt in Berlin nicht mehr kommen sollte und ihre Vertreterin schon bald ihre Nachfolgerin werden sollte.
Wie war's?
Pascale Marder hat mit Nelly Diener - Engel der Lüfte nicht nur einen Einblick in das Leben von Nelly Diener, sondern auch in die Anfänge der Verkehrsluftfahrt und nicht zuletzt in die in den 1930-er Jahren sehr engen Moralvorstellungen der Gesellschaft gegeben. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, was es für Diener bedeutet haben mag, sich in dieser Umgebung zu behaupten.Nelly Diener - Engel der Lüfte ist im bilgerverlag Zürich erschienen und kostet als gebundene Ausgabe mit Lesebändchen 20,-- Euro.