Heute ist nicht nur Palmsonntag, der 17. April 2011, sondern auch der 13. Nisan 5771 nach jüdischer Zeitrechnung und somit beginnt morgen eines der bedeutendsten Feste des Judentums: Pessach.
Bekanntlich wird in dieser Woche des Auszugs der Israeliten aus Ägypten gedacht. Allerdings gilt die Historizität genau dieses Ereignisses mittlerweile sogar innerhalb des Judentums als zweifelhaft. Ein prominenter Vertreter dieser Ansicht ist Israel Finkelstein, einer der führenden Archäologen des Nahen Ostens. Kein anderer Altertumsforscher der Levante kann eine dermaßen hohe Medienpräsenz aufweisen, die Finkelstein allerdings sicher der Tatsache zu verdanken hat, dass er nahezu die gesamte biblische Geschichtsschreibung als legendär betrachtet. Eine Sichtweise, die auch in der liberalen Theologie populär ist und besonders in Mittel- und Westeuropa gerne aufgegriffen wird.
Wenn jedoch die alttestamentlichen Überlieferungen lediglich Fiktion sind und es somit angeblich keinen gemeinsamen Ursprung des Judentums gibt, dann stellt sich natürlich die Frage, was einen Juden zu einem Juden macht.
Der Talmud, die nach der hebräischen Bibel wichtigste Schrift des Judentums, macht es sich an dieser Stelle leicht und sagt: Jude ist, wer eine jüdische Mutter hat.
Bekanntermaßen gibt es aber auch einige - wenn auch nicht all zu viele - Konvertiten, die von sämtlichen jüdischen Rabbinaten ebenfalls als Juden anerkannt werden. Somit scheint das Jüdische doch nicht nur Sache der Abstammung zu sein, sondern auch mit einem Bekenntnis zu tun zu haben wie denn auch Ignatz Bubis sagte: "Ich bin ein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens."
Andererseits gibt es aber auch eine wachsende Anzahl nicht religiöser Juden, die trotz allem großen Wert auf ihre jüdische Identität legen. Ist diese Identität also in erster Linie abhängig von einer jüdischen Tradition? Die Existenz messianischer Juden - also Juden, die es nicht für nötig erachten, noch auf den Messias zu warten, weil sie, wie Christen, glauben, dass Jesus von Nazareth dieser Messias ist - scheint dies nahezulegen, denn den klassischen jüdischen Glauben teilen sie offenbar nicht, die Traditionen und Bräuche aber schon.
Angesichts dieser drei unterschiedlichen Positionen - 1. Jude durch Abstammung, 2. Jude durch Glaube, 3. Jude durch Tradition - ist es vielleicht hilfreich, einmal zu definieren, wer garantiert kein Jude ist.
Nun würde man vor einigen Jahren wahrscheinlich noch gesagt haben: Faschisten sind bestimmt keine Juden, denn die sind ja Antisemiten. Doch kann es heutzutage durchaus vorkommen, dass gerade Faschisten bzw. Rechtspopulisten, wie z.B. der niederländische Politiker Geert Wilders, extrem pro-zionistisch eingestellt sind. Im Hinblick auf dessen notorische Angst vor Überfremdung fragt man sich aber wahrscheinlich nicht ganz zu Unrecht, ob das Pochen auf jüdisch-christliche und humanistische Kultur nicht lediglich ein Aktionsbündnis gegen den Islam ist.
Mit begründeter Sorge warnt zwar auch der britische Großrabbiner Jonathan Sacks vor der Islamisierung Europas, allerdings versucht dieser der kulturellen Auseinandersetzung nicht mittels Gesetzen und Verboten beizukommen, sondern indem er das kritische Bewusstsein seiner Zeitgenossen schärft. So z.B. in seinem Buch "The Home We Built Together - Recreating Society".
Ähnlich kritisch sieht auch der deutsch-jüdische Journalist Henryk M. Broder die zunehmende Verbreitung des Islam. Jedoch dürfte bei ihm klar sein, dass er das nicht tut, weil er den muslimischen Glauben als eine Konkurrenz für den jüdischen oder christlichen betrachtet, sondern weil er als Anhänger der Aufklärung den Islam für einen Rückschritt hält. Aber hierbei scheint sein Glaube an die Aufklärung mitunter ebenso so blauäugig bzw. unreflektiert zu sein wie er das den drei genannten Religionen stets vorwirft.
Überdies sind laut Broder die Motive aller Zionismus-Kritiker letztendlich antisemitischer Natur. Dies allerdings würde auch zahlreiche Juden zu Antisemiten machen, da beispielsweise die Organisation Edah HaCharedit, welche eine große Anzahl chassidischer Juden repräsentiert, die Gründung des modernen Staates Israel als ein Sakrileg betrachtet, da der Staat nicht vom Messias persönlich gegründet wurde.
Ich begreife also zunehmend was mir eine junge Jüdin in Israel sagte: „Put two Jews in a room and you've got at least three different opinions.“
Und schon allein diese alte und äußerst befruchtende Streitkultur beeindruckt mich. Wie auch immer die Geschichte des Judentums genau ausgesehen haben mag – was die Anfänge betrifft bin ich persönlich nach wie vor von der biblischen Version überzeugt –, heute zeichnet es sich auf alle Fälle durch eine faszinierende Vielfalt aus, die an verästelte und in alle Himmelsrichtungen sprießende Zweige eines Ölbaumes erinnert, wie schon Paulus es im Brief an die Römer beschrieb (Röm 11,16-24). Und wenn es kein Grund zu feiern ist, daran teilhaben zu dürfen...
In diesem Sinne:
חג שמח (chag same'ach = frohes Fest)
Bekanntlich wird in dieser Woche des Auszugs der Israeliten aus Ägypten gedacht. Allerdings gilt die Historizität genau dieses Ereignisses mittlerweile sogar innerhalb des Judentums als zweifelhaft. Ein prominenter Vertreter dieser Ansicht ist Israel Finkelstein, einer der führenden Archäologen des Nahen Ostens. Kein anderer Altertumsforscher der Levante kann eine dermaßen hohe Medienpräsenz aufweisen, die Finkelstein allerdings sicher der Tatsache zu verdanken hat, dass er nahezu die gesamte biblische Geschichtsschreibung als legendär betrachtet. Eine Sichtweise, die auch in der liberalen Theologie populär ist und besonders in Mittel- und Westeuropa gerne aufgegriffen wird.
Wenn jedoch die alttestamentlichen Überlieferungen lediglich Fiktion sind und es somit angeblich keinen gemeinsamen Ursprung des Judentums gibt, dann stellt sich natürlich die Frage, was einen Juden zu einem Juden macht.
Der Talmud, die nach der hebräischen Bibel wichtigste Schrift des Judentums, macht es sich an dieser Stelle leicht und sagt: Jude ist, wer eine jüdische Mutter hat.
Bekanntermaßen gibt es aber auch einige - wenn auch nicht all zu viele - Konvertiten, die von sämtlichen jüdischen Rabbinaten ebenfalls als Juden anerkannt werden. Somit scheint das Jüdische doch nicht nur Sache der Abstammung zu sein, sondern auch mit einem Bekenntnis zu tun zu haben wie denn auch Ignatz Bubis sagte: "Ich bin ein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens."
Andererseits gibt es aber auch eine wachsende Anzahl nicht religiöser Juden, die trotz allem großen Wert auf ihre jüdische Identität legen. Ist diese Identität also in erster Linie abhängig von einer jüdischen Tradition? Die Existenz messianischer Juden - also Juden, die es nicht für nötig erachten, noch auf den Messias zu warten, weil sie, wie Christen, glauben, dass Jesus von Nazareth dieser Messias ist - scheint dies nahezulegen, denn den klassischen jüdischen Glauben teilen sie offenbar nicht, die Traditionen und Bräuche aber schon.
Angesichts dieser drei unterschiedlichen Positionen - 1. Jude durch Abstammung, 2. Jude durch Glaube, 3. Jude durch Tradition - ist es vielleicht hilfreich, einmal zu definieren, wer garantiert kein Jude ist.
Nun würde man vor einigen Jahren wahrscheinlich noch gesagt haben: Faschisten sind bestimmt keine Juden, denn die sind ja Antisemiten. Doch kann es heutzutage durchaus vorkommen, dass gerade Faschisten bzw. Rechtspopulisten, wie z.B. der niederländische Politiker Geert Wilders, extrem pro-zionistisch eingestellt sind. Im Hinblick auf dessen notorische Angst vor Überfremdung fragt man sich aber wahrscheinlich nicht ganz zu Unrecht, ob das Pochen auf jüdisch-christliche und humanistische Kultur nicht lediglich ein Aktionsbündnis gegen den Islam ist.
Mit begründeter Sorge warnt zwar auch der britische Großrabbiner Jonathan Sacks vor der Islamisierung Europas, allerdings versucht dieser der kulturellen Auseinandersetzung nicht mittels Gesetzen und Verboten beizukommen, sondern indem er das kritische Bewusstsein seiner Zeitgenossen schärft. So z.B. in seinem Buch "The Home We Built Together - Recreating Society".
Ähnlich kritisch sieht auch der deutsch-jüdische Journalist Henryk M. Broder die zunehmende Verbreitung des Islam. Jedoch dürfte bei ihm klar sein, dass er das nicht tut, weil er den muslimischen Glauben als eine Konkurrenz für den jüdischen oder christlichen betrachtet, sondern weil er als Anhänger der Aufklärung den Islam für einen Rückschritt hält. Aber hierbei scheint sein Glaube an die Aufklärung mitunter ebenso so blauäugig bzw. unreflektiert zu sein wie er das den drei genannten Religionen stets vorwirft.
Überdies sind laut Broder die Motive aller Zionismus-Kritiker letztendlich antisemitischer Natur. Dies allerdings würde auch zahlreiche Juden zu Antisemiten machen, da beispielsweise die Organisation Edah HaCharedit, welche eine große Anzahl chassidischer Juden repräsentiert, die Gründung des modernen Staates Israel als ein Sakrileg betrachtet, da der Staat nicht vom Messias persönlich gegründet wurde.
Ich begreife also zunehmend was mir eine junge Jüdin in Israel sagte: „Put two Jews in a room and you've got at least three different opinions.“
Und schon allein diese alte und äußerst befruchtende Streitkultur beeindruckt mich. Wie auch immer die Geschichte des Judentums genau ausgesehen haben mag – was die Anfänge betrifft bin ich persönlich nach wie vor von der biblischen Version überzeugt –, heute zeichnet es sich auf alle Fälle durch eine faszinierende Vielfalt aus, die an verästelte und in alle Himmelsrichtungen sprießende Zweige eines Ölbaumes erinnert, wie schon Paulus es im Brief an die Römer beschrieb (Röm 11,16-24). Und wenn es kein Grund zu feiern ist, daran teilhaben zu dürfen...
In diesem Sinne:
חג שמח (chag same'ach = frohes Fest)