Nicht zuletzt weil ein Liebesgedicht meistens angewandte Kunst ist (das heißt geschrieben, um das Mädchen zu kriegen), entführt es den Autor in ein Extrem der Gefühle und wohl auch der Sprache. Die Folge ist, daß er sich selbst – seine psychischen und stilistischen Parameter – besser kennt als je zuvor, wenn er aus einem solchen Gedicht wiederauftaucht, was die Beliebtheit dieses Genres unter seinen Anwendern erklärt. Außerdem kriegt der Autor manchmal das Mädchen.
Joseph Brodsky, in: Der sterbliche Dichter. Über Literatur, Liebschafen und Langeweile. Aus dem Amerikanischen von Sylvia List. Frankfurt/ Main: Fischer 2000 (1. Hanser 1998, am. Ausg. New York 1995).
S. 138