Zwei kurze Vorbemerkungen: Wir haben uns 2014 auf dem Caminho Português vom Pilger-Virus unheilbar anstecken lassen - und möchten auch nicht geheilt werden. Verglichen mit den 15 Tagen auf der Vía de la Plata von Sevilla nach Cáceres waren die zehn Tage im vergangenen April ein wahrer Spaziergang - aber wir werden den "schlappen" Rest auch noch in zwei weiteren Etappen gehen!
Tag 1 - 23.03.: Sevilla - Guillena (23 km)
Am frühen Morgen verlassen wir die "Pensión Gravina" im Zentrum von Sevilla. Unseren ersten Stempel im Pilgerpass hatten wir bereits am Abend zuvor in der Kathedrale bekommen. Bevor wir den Guadalquivir überqueren, kehren wir in einer kleinen Bar ein: Café con leche und Churros (Foto) stehen auf dem Speiseplan. Dann laufen wir den gut markierten Weg ortsauswärts gen Norden.
Auf dem Weg nach Itálica (Santiponce) beginnt es zu nieseln. Noch kein Grund für Cape oder Schirm - aber ein Auftakt nach Maß sieht eben anders aus. Zeit, die alte Römerstadt zu besichtigen, bleibt nicht. Wie wir vom Hörensagen wissen,lohnt es sich aber, dort eine Pause einzulegen!
Kurz hinter Itálica geht es dann endgültig in freies Gelände. Der Regen wird stärker. Wir ziehen die Regenhüllen über die Rucksäcke und packen unsere Schirme aus.
Bis zum Horizont nur grauer Dunst und ein befestigter Feldweg, der nie zu enden scheint. Vor uns ein Pilger, der bald aus dem Gesichtsfeld verschwindet, da er deutlich schneller läuft als wir. Bis zum Mittag geht es nur geradeaus. Zum Glück weht fast kein Wind, 16 Grad wären zum Gehen eigentlich ideal gewesen - bei trockener Witterung.
Dann tauchen die ersten Pfützen aus, die mit Wasser so gut gefüllt sind, dass die Bezeichnung Wasserlöcher angebracht wäre. Es wird immer schwieriger, am Rand daran vorbeizukommen. Weder ist die Tiefe gut einzuschätzen, noch der Untergrund am Rand! Wir können allerbestes knöchelhohes Schuhwerk (nicht nur wegen solcher Strecken) nur wärmstens empfehlen. Denn irgendwann führt im Wortsinne kein Weg daran vorbei, durch die Wasserlöcher hindurchzugehen.
Auch dann, wenn es richtig schlammig wird, bewähren sich gute Wanderstiefel. Wer einmal richtig nasse Füße hatte, versteht das besser. Nasse Strümpfe sind "beste" Voraussetzungen für Blasen an den Füßen!
Wir glaubten irgendwann, die Pfützen hinter uns gelassen zu haben als der Feldweg richtig morstig wurde. Der nasse Lehm machte plötzlich aus Schuhen dicke Stelzen. Kurz vor Guillena dann wurde es etwas besser - und die Sonne ließ sich endlich blicken. Als wir am frühen Nachmittag im Ortszentrum von Guillena einlaufen, liegen die Temperaturen bei 28 Grad! Wir lassen uns in einer kleinen Bar für eine eisgekühlte Cola und einen Café con leche nieder - und bekommen einen Handzettel gereicht. Wir folgen der Empfehlung und landen für Abend und Nacht in der privat betriebenen Albergue "Luz del Camino" (Calle Federico García Lorca 8): 12 Euro p. P. für ein sauberes Bett, WLAN und Frühstück erscheinen uns sehr angemessen. Wir haben ein Drei-Bett-Zimmer für uns allein, später kommt nur noch ein Paar aus Schweden in das gastliche Haus. Zwei weitere Möglichkeiten gibt es noch:
Pilgerherberge der Kommune: Avenida de la Vega (am Sportplatz). 10 € p. P.
Bar Hostal Francés: Avenida Andalucia 62. 18 € p. P. (mit Frühstück und WLAN)
Am frühen Abend greifen wir auf ein allgegenwärtiges dreigängiges Pilger-Menü zurück (p. P. 6 Euro). Da es wieder zu regnen beginnt, verschwinden wir zeitig in den Federn.
Tag 2 - 24.03.: Guillena - Castilblanco de los Arroyos (19 km)
Die Autos fahren noch mit Licht als wir die Herberge bei Nieselregen verlassen. Es geht einige Kilometer an der Straße entlang, bevor der Weg nach links in ein Gewerbegebiet abzweigt. Was dann ca. drei Kilometer folgt, ist mehr als unschön: Sowohl auf als auch neben dem Weg heben sich Grund und Boden. An den Schuhsohlen bilden sich rasch Lehmklumpen, die dicker und dicker werden. Eine Alternative gibt es nicht. Unsere Schritte werden langsamer - und die Füße immer schwerer. Für Oliven- und Orangen-Haine bleibt kein Blick. Wir trotten und trotten und trotten - und fluchen.Gegen 10:30 Uhr wird der Weg deutlich besser. Und endlich kommt die Sonne! Binnen einer Stunde knallt der "Planet" dermaßen, dass Sonnencreme angesagt wird. 30 Grad sind uns unterm Strich dann doch lieber als Regen - auch wenn erste Schweißtropfen sichtbar werden. Wir kommen gut voran, die Steigungen halten sich im Rahmen; weitestgehend ist der zweite Tag eine Flachetappe. Wir durchqueren die ersten Vieh-Koppeln (für Nachfolgende: Offene Gatter bleiben offen, geschlossene werden wieder zugemacht!).
An diesem Tag nehmen wir erstmals drei Paare aus Frankreich bewusst wahr - sie werden bis Santiago de Compostela laufen. Sie gehen das ganze locker an, der Spaß, den sie haben, steckt andere an!Kurz vor dem Tagesziel führt dann die Vía de la Plata wieder einmal parallel zur Straße - Vergnügen geht anders. Am Ortsrand von Castilblanco de los Arroyos entdecken wir das "Hotel Castillo Blanco". 40 Euro fürs Doppelzimmer - und schon haben wir in Gedanken eingecheckt. Die fixen Franzosen sind bereits geduscht und gehen nebenan in einem Restaurant essen.
Wir wollten es ihnen gleich tun - doch die TV-Bilder vom Absturz der Germanwings-Maschine lassen uns das Blut in den Adern erstarren. Wie gelähmt schauen wir in die Glotze.
Nachdem wir uns von diesem Schock erholt haben, genießen wir für 9 Euro das beste Pilger-Menü dieser Tour! Der Salmorejo Cordobés war erstklassig, Bier und Café con leche im Preis inbegriffen. Auf den Schrecken des Tages gibt es im Hotel noch einen kräftigen Rotwein-Absacker an der Bar. Wir stellen uns den Wecker für den nächsten Morgen - denn am dritten Tag wartet eine Streckenlänge, die wir beide noch nicht gegangen sind. 1979 war ich letztmalig 30 km am Stück unterwegs (in Uniform - und fit wie ein Turnschuh!). Hätte mir damals jemand prophezeit, ich würde freiwillig so weit gehen: Ein Schreikrampf meinerseits wäre die Folge gewesen ...
PS: Eine (ausgeschilderte) Herberge gibt es in Castilblanco de los Arroyos auch. Die Meinungen derer, die dort übernachteten, gehen allerdings weit auseinander.
Tag 3 - 25.03.: Castilblanco de los Arroyos - Almadén de la Plata (33 km)
Zum "Frühstück" gibt es je zwei Café con leche, denn wir wollen für den langen Tag im Ort noch Essbares einkaufen. Ein unverzeihlicher Denkfehler! Wir finden gerade einmal zwei kleine Bäckereien, wo wir dann drei Liter Mineralwasser und drei Bocadillos einkaufen. Bei Schinken, Käse oder Wurst - Fehlanzeige. Die Vía de la Plata geht an diesem Tag scheinbar endlos entlang der Straße. Gottseidank kommt uns nur sehr selten ein Auto entgegen. Die Sonne brennt schon früh am Tage und eine Steigung folgt der nächsten. Mit jeder Stunde mehr nervt der Asphalt, der mittags regelrecht zu flimmern beginnt! Wir ahnten bereits, dass unsere Wasservorräte nicht den ganzen Tag reichen werden. Dann endlich bei Kilometer 18 der rettende Abzweig: Es geht nun mehr als ein Dutzend Kilometer durch den Nationalpark (Parque Natural Sierra Norte). Wir spüren die Entfernung kaum noch - wir schlendern so dahin - gute wege, kaum Anstiege. Als wir das letzte Gatter hinter uns schließen, wähnen wir uns kurz vorm Ziel. Pustekuchen! Bevor es steil hinab gen Almadén de la Plata geht, ist erst noch ein ca. ein Kilometer langer heftiger Anstieg zu bewältigen, der kein Ende zu nehmen scheint. Die Wasservorräte sind längst erschöpft. Für die Landschaft fehlt jetzt jeder Blick. Einfach nur hinauf. Pause zum Luftholen, weiter. Da wir zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, dass das Ziel unmittelbar naht, kommen selten derbe Flüche aus unseren trockenen Kehlen.
Erst ein Kilometer vor dem Ziel wurde sichtbar, dass es doch noch Ortschaften auf dem Jakobsweg gibt! Almadén de la Plata war eine wahre Erlösung! Wir können nur noch verdammt müde lächeln als wir gefragt werden, ob nach uns noch weitere Pilger kommen. Garantiert nicht! Da konnte der Hospitalero der kommunalen Pilger-Herberge gleich hinter dem Ortseingang ganz beruhigt sein.
Wir kommen an diesem Tag als Letzte an - es ist uns egal. Wir möchten jetzt nur etwas Kühles zu trinken (egal, was!) - und ein Zimmer. Der Horror wäre für uns gewesen, wenn es nur den Schlafsaal in der Herberge gegeben hätte. Aber ich rieche förmlich ein kleines Hostal!
Und tatsächlich: "Casa Concha" (La Cruz, 8) heißt unsere Rettung. 30 Euro kostet das Doppelzimmer in dem kleinen Hotel, ein üppiges Pilger-Menü (u. a. mit einem wahren Fleischberg Hirsch-Gulasch) gibt es im Hause für 8 Euro pro Person. Für den Ausgleich des Flüssigkeitsverlusts brauchte es ein paar Bier mehr als gewöhnlich ...
Es findet sich im Ort noch ein weiteres kleines gastliches Haus zum Übernachten: "Hotel El Romeral" (Antonio Machado, 57).
Tag 4 - 26.03.: Almadén de la Plata - El Real de la Jara (17 km)
Wir gingen den Tag ganz entspannt und vergleichsweise spät an. Der frühe Vogel kann uns manchmal mal! Am Ortsausgang passieren wir die Stierkampf-Arena des kleinen Ortes - dann wird es wirklich tierreich im Wortsinne. Schafe, Ziegen, schwarze Schweine. Böse Zungen behaupten, ich würde gern an meinem "Futter" vorbei wandern, um mir Appetit zu holen. Allzu ängstlich sollte man inmitten aller Tiere nicht sein, die Schweine untersuchen ganz gern auch mal, ob die Schuhe der Zweibeiner essbar sind. Und manch Ziegenbock kommt Angsthasen näher als ihnen lieb ist. Uns ist nicht bekannt, dass es bei Begegnungen jemals zu Schäden für Mensch oder Tier kam.Als wir nach drei Kilometern mehrfach überholt werden, müssen wir lachen: Auch an denjenigen, die am gestrigen Tag den Eindruck machten, Jagdwurst gegessen zu haben, war die lange Strecke nicht spurlos vorüber gegangen. Aller Schritte waren deutlich bedächtiger geworden. War es zu Tagesbeginn noch angenehm kühl und der Himmel bedeckt gewesen, so klarte es gegen Mittag auf und wurde wieder brütend heiß. Wieder einmal hatten wir den eigenen Durst unterschätzt. Aber letztlich will auch jeder Liter Wasser getragen werden! Gegen 13:30 Uhr hatten wir die 17 km problemlos hinter uns gebracht - und kamen wieder als Letzte an. Trotz des vergleichsweise kurzen Weges waren wir froh, mal nicht bis zum Abend gehen zu müssen.Die ersten beiden Herbergen in El Real de la Jara direkt am Jakobsweg (Ortseingang) waren bereits belegt. Was wir dann tags darauf in Sachen fehlende Decken und kaltes Wasser vernehmen mussten, schwante uns irgendwie bereits vorab. Wir wollten uns zu diesem Zeitpunkt aber auch (noch) nicht duschen - wir hatten vor allem Durst!
Also hinein in die erste geöffnete Bar - das Bier aus den Gläschen (0,2 l) verdampfte in unseren Kehlen förmlich. Bevor wir ein weiteres Bier ordern konnten, stand die nächste Runde schon vor uns (spendiert von einem Senior, dem augenscheinlich mein Spanisch gar nicht Spanisch vorkam). Wir schwatzten noch eine halbe Stunde mit den anderen Gästen - und suchten uns dann eine private Bleibe, die wir auch nahe der Kirche fanden: "Casa Valverde" (Camino de Valverde, 6) - 30 Euro wurden fürs DZ fällig, was absolut angemessen ist. WLAN war ebenso vorhanden wie ein gemeinschaftlich zu nutzender Kühlschrank. Neben den beiden Herbergen gibt es dann noch als gemütliches Quartier "La Casa del Real".
Da wir einmal nicht erst spätabends esen wollten, haben wir die Gelegenheit beim Schopfe gepackt: Gegenüber der Kirche befindet sich das Restaurant "Mesón La Cochera" (Pilgermenü für 8,50 Euro).
Den obligatorischen Café con leche nahmen wir später auf der Terrasse einer kleinen Bar.Nach der Siesta kauften wir uns Getränke für den kommenden Tag und unternahmen einen kurzen Spaziergang durch den Ort. Die Burg hoch über dem Städtchen kann besichtigt werden, es bietet sich ein schöner Blick in die Landschaft und auf El Real de la Jara.
Tag 5 - 27.03.: El Real de la Jara - Monesterio (22 km)
Zum Frühstück ging es erst einmal zurück ins Zentrum des Ortes. Während der Barbetreiber krampfhaft versuchte, seinen Kaffeeautomaten wieder in die Gänge zu bekommen, kamen unsere zwei Bocadillos mit Käse und Schinken prompt. Nach zehn Minuten schließlich wurden wir mit Nescafé "beglückt" - doch die Frau des Hauses nahm dieses Gesöff sofort wieder mit - nonverbale Kommunikation tut es mitunter auch. Nach weiteren fünf Minuten war dann alles gerichtet - und alles im grünen Bereich.Gleich hinter dem Ortsausgang hat Andalusien ein Ende - die Extremadura beginnt. Die Sonne hielt sich nicht lange mit der Vorrede auf - sie brannte bereits gegen 9 Uhr sehr ordentlich. Die erste Wegeshälfte verlief in leichtem Gelände, wir kamen gut voran. Dann wurde es wieder etwas ungemütlicher: Weite Teile der Strecke verlief die N-630 parallel. Es ist mit mehr als 800 km Länge eine der längsten Nationalstraßen Spaniens, die sehr stark befahren ist. Au dem Schotter der Böschung zu laufen, ist alles andere als ein Vergnügen! Doch bevor es so weit war, fand sich erstmalig eine Sitzgelegenheit - samit Kaffee-Tränke. Welch eine Wohltat! Bei weitem nicht vergleichbar mit dem dritten Tag: Zum Schluss ging es dann wieder richtig gut bergan - bei satten 30 Grad. Das letzte Stück nach Monesterio führte mehrmals mitten durch den Kreisverkehr.
Kaum hat man Monesterio erreicht, wird man vom "Museo de Jamón" empfangen. Wenige Meter entfernt befindet sich bereits ein Hotel - wir mögen kurze Wege und bleiben gleich da. Doch zuvor statten wir einem kleinen Laden einen Besuch ab - vortrefflicher Schinken! Wir verspeisen Gutes am liebsten dort, wo es auch hergestellt wird. Jamón Ibérico de Bellota hat seinen Preis - aber wenn man bedenkt, wie aufwändig die Herstellung ist, so geht dieser voll in Ordnung.
Weitere Übernachtungsmöglichkeiten in Monesterio: "Albergue las Moreras" - "Hotel Leo" - "Hostal DP El Pilar" - "Complejo Leo 24H" (an der Autobahn).
Die klassische Pilger-Herberge befindet sich nahe der Tourist-Info: "San Pedro Apostol" (Paseo de Extremadura, 216).
Schreibender vielreisender Backpacker und Reisemobilist