15. Southern Bluesnight am 18.03.2011 im Parkstad Limburg Theater, Heerlen (NL)

Erstellt am 25. März 2011 von Gardner

Eddy "The Chief" Clearwater

   

Die Ruhe vor dem Sturm. Früh bin ich dran. Zunächst noch etwas verloren stehe ich im großen Foyer des Parkstad Limburg Theaters Heerlen, bis ein aufmerksamer, junger Mann mich in die Musikerlounge gegleitet.Hier herrscht angenehme und gelassene Ruhe. Gemächlich sehe ich mich um und entdecke Eddy „The Chief“ Ckearwater, der mit einigen Leuten an einem Tisch sitzt. Gegessen scheinen sie schon zu haben, also krame ich mein Aufnahmegerät heraus, gehe zum Tisch, stelle mich und das Radio kurz vor und frage Eddy nach einer Station ID für JJBR. „Oh, no problem.“Für ihn scheint es das Normalste von der Welt zu sein, mal eben so angesprochen zu werden. Immerhin ist er einer der ganz Großen noch lebenden Bluesmusiker unserer Zeit. Wir geben uns die Hand: „Ich bin immer wieder überrascht, wie viele Leute in Europa dem Blues zugewandt sind. Das mit deinem Radio ist eine tolle Sache. Macht bloß weiter. Das alles hilft dem Blues und damit auch seinen Musikern, ich weiß da sehr zu schätzen.“, sagt Eddy, nachdem er die Grüße an JJBR ins Mikrofon gesprochen hat. Ich bedanke mich und freue mich jetzt schon auf seinen Auftritt.

„Nun, der Abend fängt ja schon gut an
“, denke ich mir, als ich weiter durch die Lounge schlendere.

Dann gibt es einen Beinahzusammenstoß mit Franco Limido, dem Sänger und Harpspieler der italienischen Formation «Family Style». Er ist auf Tour mit Nathan James als Duo-Partner. Ein freudiges Wiedersehen. Ein kurzes Gespräch, denn Franco muss in die Garderobe, Nathan und er werden den Konzertabend eröffnen. Wir verabreden uns für später.

Pünktlich um 19:45 Uhr stehen die Beiden auf der Bühne des bereits gut besuchten Theatercafés und spielen ihren Countryblues.

Nathan James spielt so genannte Washboard- Guitars. Wie der Name bereits erahnen lässt, besteht der Korpus aus einem Waschbrett, dessen gewellte Oberfläche zusätzlich noch als Perkussionsinstrument eingesetzt werden kann. Diese Instrumente klingen erstaunlich gut und liefern einen wunderbaren Retrosound, wie man ihn von R.L. Burnside oder Junior Kimbrough her kennt.

Zusätzliche Perkussion gibt es auch noch in Form eines simplen Koffers, der mit Nathan’s Füßen traktiert als Bassdrum fungiert, und auf dem über diverse Pedale ein Becken und andere Instrumente bedient werden können.

Auf diese Art ist Nathan eine One Man Band, Franco Limido spielt Mundharmonika und teilt sich mit Nathan die Gesangsparts.

Es macht riesigen Spaß, das amerikanisch- italienische Zusammenspiel zu erleben. Gespielt werden unter anderem Titel aus Nathan’s aktueller CD «I Don’t Know It».

Der Zeitplan ist eng gestrickt, da auf drei verschiedenen Bühnen gleichzeitig Acts stattfinden, hat man mal wieder die Qual der Wahl.

Unbedingt sehen will ich Marquise Knox, den viel umjubelten Shooting Star im Blueszirkus. 1991 wurde er in St. Louis geboren und hat schon zwei Nominierungen für die Blues Awards auf seinem Konto.

Schon als ich mich durch die zahlreichen Reihen der Zuschauer quetsche, um endlich einen Blick auf die Bühne und somit ihn werfen zu können, berührt mich seine Art zu spielen, aber es ist vor allem seine Stimme, die wie die jüngere Variante von Muddy Waters klingt, als er das von Willie Dixon für Muddy geschriebene « I Just Want to Make Love to You» präsentiert.

Aber er kann auch anders: Funky. À la James Brown. Seine beiden Begleiter Eugene Johnson am Bass und Backgroundvocals und Michael Battle am Schlagzeug unterstützen ihn aufs Vortrefflichste.

Für mich ist dieser Youngster einer, der es weit bringen kann. Spontan fällt mir die Bezeichnung «Future of the Blues» ein. Und so kann es sein, wird es sein. Er wird mithelfen, diese Musik weiter zu tragen. Und in ihm hat der Blues einen äußerst würdigen Vertreter hierfür gefunden.

Kleine Verschnaufpause nach diesem hervorragenden Konzert. Zeit, um mit ein paar Bekannten ein paar Worte zu wechseln. Mir ist klar, dass ich den Auftritt von Mississippi Heat nun gänzlich verpassen werde. Nun ja, ich habe sie schon gesehen und man kann eben nicht überall sein.

Nach der Umbaupause stehen Dwayne Dopsie & The Zydeco Hellraisers auf dem Programm bzw. auf der Bühne.

Gleich nach den ersten Takten ist klar, warum sich die Band «Zydeco Hellraisers» nennt. Es wird die Hölle im besten Sinne. Ein Hexenkessel, in dem keiner mehr still stehen kann. Die Band, allen voran Dwayne Dopsie selbst mit seinem Akkordeon, drückt dermaßen auf die Tube und auf die Quetsche, dass ich beschließe, hier so schnell nicht mehr weg zu gehen, da ich sofort davon überzeugt bin, sonst eine ganze Menge zu verpassen.

Wie soll man das benennen, was da von der Bühne schallt? High Speed Zydeco? Zydeco- Punk? Zydeco- Ska? Zydeco- Reggae? Zydeco- Boogie? Zydeco- XYZ? Es ist egal. Völlig egal. Es ist Musik, die sofort mitreißt, gespielt von einer Band, die rackert, dampft und schwitzt. Angetrieben von einem Frontman, der reine Bewegung ist und von einem Alex Mac Donald, der mit seinem Waschbrett wahre rhythmische Wunder vollbringt.

Wir erleben eine wunderbare Version des Stones Titels «Beast Of Burdon» und eine Menge Songs aus dem reichhaltigen Repertoire dieser ungezähmten Musikertruppe, die wie kaum eine andere in der Lage ist, „das Haus zu rocken.“

Die Titel folgen Schlag auf Schlag, keine Atempause für Musiker oder Zuhörer. Als Dwayne Dopsie sich dann noch für eine Songlänge in die Mitte des Publikums begibt, ist die Masse völlig aus dem bis auf die Grundmauern herunter gerockten Häuschen.

Was soll danach noch kommen? Ist das noch zu toppen?

Gefreut hatte ich mich auch auf das Konzert der «Sultans Of Slide», von dem mir allerdings Bekannte erzählen, es sei gut, aber einfach nur langweilig.

Hm, ich werde mich heute nicht mehr vom Gegenteil überzeugen. Bis ich die Bühne erreiche, ist das Konzert eh schon zu Ende. Ich treffe Nathan und Franco in der Lounge und führe ein kleines Gespräch mit ihnen. Dabei erfahre ich, dass sie über James Harman zu einander gefunden haben.

Sie werden gleich noch in der der Abschlusssession mitspielen. Ich mache mich wieder auf den Weg zurück in den Hauptsaal, in dem sich die «Juke Joints» aus den Niederlanden anschicken, den großen Eddy „The Chief“ Clearwater zu begleiten.

Waren Dwayne Dopsie und seine Hellraisers eher etwas für die Louisiana Party, so ist das, was nun folgt, wiederum etwas für die Genießer des Chicago Blues.

Der 76- Jährige strotzt vor Vitalität. Man sieht ihm an, dass er seine Musik lebt und liebt. Klassisch sein Häuptlingsfederschmuck, den er sich beim ersten Titel aufsetzt und der seinen Beinamen „The Chief“ unterstreicht.

Eine wahrlich imposante Erscheinung! Eddy ist Linkshänder, hat seine für Rechtshänder ausgelegte rote Gibson ES 335 aber einfach nur umgedreht und spielt sie mit den tiefen Saiten nach unten gekehrt.

Und wie er sie spielt! Da prallen Jahrzehnte lang erprobte Technik auf unglaubliches Feeling und das Ergebnis ist ein facettenreiches und gefühlvolles Spiel. Dazu ist Mr. Clearwater noch mit einer Stimme gesegnet, die ihres Gleichen sucht.

«Came Up The Hard Way» von Eddy’s aktueller CD «West Side Strut», die allerdings schon aus dem Jahr 2008 datiert, ist ein Chicago- Blues wie er klassischer nicht herüber kommen kann. Vom selben Album kommt «Too Old To Get Married (Too Young To Be Buried)», ein Rock’n’Roller, wie er auch von Chuck Berry hätte stammen können. Schließt man die Augen und konzentriert sich auf den Gesang, meint man sogar Chuck’s Stimme zu hören. Als man dann noch Mr. Berry’s «Sweet rock’n’Roller» anstimmt, ist die Illusion perfekt.

Eddy Clearwater’s Auftritt ist der krönende Abschluss eines tollen Festivals. Natürlich steht er hier im Mittelpunkt, aber die hervorragende Leistung seiner heutigen Begleitband, The Juke Joints, die immerhin zu den besten Formationen unserer niederländischen Nachbarn gehören, sollte nicht unerwähnt bleiben.

Hier spielen eingefleischte Profis, die sicherlich alleine schon das Tüpfelchen aufs I des heutigen Konzertabends hätte setzen können. So aber treten sie in den Hintergrund und stellen ihr Können uneingeschränkt in die Dienste des Großmeisters Eddy „The Chief“ Clearwater. Hut ab dafür!

Die Abschlusssession ist bereits vorbei, als ich wieder ins Foyer komme. Gelegenheit für einige abschließende Gespräche. Wenn man sich so umschaut, sieht man nur fröhliche Gesichter.

Marquise Knox, sein Bassmann Eugene Johnson, Nathan James, Franco Limido und noch einige andere Musiker unterhalten sich untereinander und mit den Umstehenden. Eine familiäre Stimmung, die hier aufkommt nach so einem grandiosen Event. Scherze, Lachen, Umarmungen zum Abschied.

Auch für mich wird allmählich es Zeit, nach Hause zu reiten. 45 Minuten Fahrt liegen noch vor mir. So werde ich gegen 3:30Uhr am Ziel sein. Und das bestens gelaunt und voller toller, neuer Eindrücke.

Dank an die Veranstalter für den professionellen und reibungslosen Ablauf der Veranstaltung.

Ab jetzt beginnt die Vorfreude auf die 16. Ausgabe der Southern Bluesnight in Heerlen.

PS
Neben den «Sultans Of Slide» und «Mississippi Heat» spielten noch Harmonica Shah zusammen mit der «Little Boogie Boy Bluesband» und das «Dede Priest Trio».

Text und Fotos (c) 2011 Tony Mentzel